I2 Gegen Covid und vor der nächsten Pandemie: Impfstoffsicherheit global garantieren!

Status:
geändert angenommen

Obwohl die dritte Corona-Welle in Deutschland gebrochen wurde, ist die Pandemie global betrachtet noch lange nicht vorbei. Während in den USA bereits 40% und in der EU 20% der Menschen einen vollen Impfschutz gegen Covid-19 besitzen, sind es in Pakistan nur 1%, in Mali lediglich 0,2% und auf den Vanuatu-Inseln im Südpazifik gar nur knapp über 0%.

Afrika liegt mit etwa 0,6% vollständig geimpften Menschen weit unter dem weltweiten Durchschnitt (etwa 11%) und hat somit die niedrigste Impfquote aller Kontinente. Von den weltweit bislang ausgelieferten Impfstoffen (2 Milliarden Dosen) gingen 75 Prozent in nur zehn Länder.

Als Jusos kämpfen wir für globale Solidarität. Nicht die Rücksichtslosigkeit des Kapitals, sondern die Kooperation aller Menschen und Staaten sollten die globale Entwicklung bestimmen.

Deshalb kämpfen wir dafür, dass:

  1. die Produktion und Verteilung der Covid-19-Impfstoffe sofort so verändert wird, dass alle

Menschen auf der Welt möglichst schnell einen vollen Schutz gegen Covid-19 erhalten und

  1. zum Schutz vor der nächsten Pandemie der gesamte Impfstoff-Zyklus aus Forschung,

Entwicklung, Produktion und Verteilung der Impfstoff-Dosen an dieses Ziel angepasst wird.

Corona beenden: Menschenleben vor “Geistigem Eigentum”, globale Solidarität!

Wir fordern, den Patentschutz für die Impfstoffe mindestens temporär aufzuheben, wie es das TRIPS-Abkommen der WTO rechtlich ausdrücklich erlaubt. Niemand auf der Welt darf sein Leben verlieren, weil ärmere Länder sich die Lizenzzahlungen nicht leisten können! Natürlich ist dadurch noch nicht das zur Produktion nötige Know-How und Ausgangsstoffen deshalb überall vorhanden. Aber jede Produktionskapazität, die weltweit verfügbar ist sollte auch genutzt werden dürfen.

COVAX spielt bei der weltweit gerechteren Verteilung von Impfstoffen eine zentrale Rolle, da die Initiative der WHO den gerechteren Zugang zu COVID-19-Impfstoffen und Behandlungen ermöglichen bzw. erleichtern soll. Die ursprüngliche Idee hinter COVAX, eine globale Einkaufsgemeinschaft zu bilden, ist gescheitert.

Dennoch muss COVAX akut als Mittel genutzt werden, um die Pandemie global zu beenden.  Deutschland ist mit 1,5 Milliarden Euro der größte Investor in das Projekt. Zudem sind die Mittel zu knapp bemessen. Durch die Unterfinanzierung werden Impfstoff-Lieferungen an Entwicklungsländer erschwert, so sollte COVAX beispielsweise 66 Millionen Impfdosen an Afrika liefern, es kamen aber nur lediglich 19 Millionen an.

Eine globale Pandemie kann nur global bekämpft werden. Die reichen Länder müssen umgehend einen Teil ihrer Impfdosen abgeben, um ärmeren Ländern zu helfen. Zudem muss die Soforthilfe in der Logistik und medizinischen Hilfe ausgeweitet werden, damit die Kühlketten der Impfstoffe nicht unterbrochen werden und diese funktionsfähig bei den zu Impfenden ankommen.

Die nächste Pandemie verhindern: Impfstoff-Zyklus grundlegend verändern

In der Argumentation von Liberalen und Rechten spielt “privatwirtschaftliche Innovation” eine zentrale Rolle: Demnach sei Innovation ein großes Verdienst der Privatwirtschaft und des Kapitalismus. Der Staat dagegen könne nur verwalten und Infrastruktur betreiben.

Dass das nicht stimmen kann, zeigt die Pandemie: Die radikalste Innovation, die

Grundlagenforschung im Bereich der mRNA-Impfstoffe, kommt aus der staatlich-universitären Forschung. Und die Leistung der Pharma-Konzerne Pfizer oder AstraZeneca besteht nicht in der innovativen Entwicklung von Impfstoffen, sondern nur im Bereitstellen und Verwalten von Produktionskapazitäten und Kapital und dem Know-How über die behördlichen Zulassungsprozesse.

Lediglich bestimmte private Akteur*innen verhielten sich in der Pandemie innovativ: mittelgroße private Forschungs-Laborfirmen wie die Unternehmen BioNTech (2000 Mitarbeiter*innen), Curevac (< 1000 Mitarbeiter*innen) oder das Jenner-Institut der privaten Universität Oxford (ca. 100

Mitarbeiter*innen). Sie entwickelten aus den staatlich-universitären Grundlagen diejenigen CovidImpfstoffe, die anschließend von großen Pharmafirmen gekauft und vertrieben wurden.

Auch bei diesen privaten Organisationen zeigt sich aber keine klare Abgrenzung zu staatlichen

Einrichtungen: BioNTech wurde 2008 als Ausgründung aus der Universität Mainz mit finanzieller Unterstützung aus dem staatlichen Förderprogramm “Go-Bio” gegründet. Curevac ging aus einem akademischen Forschungsprojekt der Universität Tübingen hervor. Und auch die Universität Oxford in Großbritannien ist zwar als private Stiftung organisiert, funktioniert aber grundsätzlich genauso wie staatliche Universitäten.

Eine privatwirtschaftliche Organisationsform ist also keine Voraussetzung für Innovation. Innovation ist oft staatlich, manchmal auch privatwirtschaftlich organisiert. Letztlich geht es um das richtige Verhältnis von spezialisierten Arbeiter*innen und Kapital: Unter welchen

Bedingungen können Forschungs-Kollektive innovativ arbeiten, wie Produktion im Notfall schnell skaliert werden und die Impfstoff-Dosen am Ende schnell und gerecht an alle Menschen auf der Welt verteilt werden?

Staatliche Grundlagenforschung sichern

Die staatliche Grundlagenforschung ist ein globales Erfolgsmodell, das unter anderem die Durchbrüche im Bereich der mRNA-Immunreaktion hervorbrachte. Umso mehr gilt es, diese Form der Wissenschaft zu stärken und zu verteidigen: Vor Befristung und unsicheren Perspektiven für Wissenschaftler*innen, vor Unterfinanzierung für Lehrstühle und vor dem gefährlichen Leitbild der “unternehmerischen Hochschule”, die vermarktungsfähige Produkte und Anwendungen hervorbringen soll. Das anglo-amerikanische Modell der forschungsstarken Privatuniversitäten lehnen wir ab, da sich das Studium dort nur Wenige leisten können und so der Einstieg in die Wissenschaft vom Geldbeutel oder Stipendien abhängt. Zur Organisation von Hochschulen haben wir als Jusos im Bereich Bildung umfangreiche Positionen, die wir als wichtige Voraussetzung für die Grundlagenforschung halten. Neben der Organisationsform ist ein weiteres Erfolgsrezept der weltweite Dialog in der Wissenschaft. Nur wenn Wissenschaftler*innen frei und unabhängig auch

von Regierungshandeln kommunizieren und Ideen teilen können, kann eine globale Wissensgemeinschaft entstehen.

Angewandte Forschung und Entwicklung auf EU-Ebene finanzieren

Auf der Basis der Grundlagenforschung setzt die Erforschung und Entwicklung konkreter Impfstoffe auf. Oft arbeiteten die Gründer*innen solcher angewandter Forschungslabore vorher an staatlichen Hochschulen, wie in den Fällen von Biontech oder Curevac. Die Ausgründung eines privaten Labors aus einer Universität ist mit hohen persönlichen Risiken für die Gründer*innen verbunden. Meist kann diese nur durch staatliche Gründungsfonds finanziert werden.

Anschließend sind diese im aktuellen System vor allem auf Privatinvestitionen angewiesen. Der

Wert eines Impfstoffs bemisst sich aus Sicht privater Investor*innen vor allem daran, wie viele

Menschen in reichen Ländern konkret von einer Infektion bedroht sind. Dagegen wird die Entwicklung eines Impfstoffs für wenige Menschen in einem armen Land vom Kapitalmarkt nicht finanziert.

Da private Investor*innen von möglichst schneller, sicherer Rendite getrieben sind, stellt ein frühes Investment in eine Biotechnologie-Firma aus Investor*innen-Sicht ein hohes Risiko dar. Der Corona-Impfstoff war BioNTechs erstes Produkt nach 13 Jahren Forschung; Curevac ist nach 20

Jahren noch immer nicht an diesem Punkt angelangt. Nur wenige Superreiche wie Bill und Melinda

Gates oder der SAP-Gründer Dietmar Hopp konnten und wollten dieses Risiko in der ImpfstoffForschung in der Vergangenheit eingehen. Erst wenn ein Impfstoff den langen, teuren Weg bis zur staatlichen Zulassung überstanden hat, wird ein Investment für die breitere Gruppe der typischen Privatinvestor*innen interessant.

Die bisherigen staatlichen Investitionen in der EU genügen nicht, um diese fehlenden und mit falsch strukturierten Privatinvestitionen aufzuwiegen. Die nationalen Investments in Europa im Bereich mehrerer hundert Millionen Euro (KFW, Curevac) und auf EU-Ebene (Europäische Investitionsbank, Biontech / Curevac) stehen im Vergleich zu den mehr als 3,5 Milliarden Euro, die die USA in Moderna, Johnson&Johnson, AstraZeneca und Sanofi/GSK investierte.

Daher fordern wir:

Es soll eine eigene Unterbehörde der Europäischen Investitionsbank (EIB) gegründet werden, die langfristig, nach klaren Richtlinien und in massiv höherem finanziellen Umfang als heute in die Impfstoffforschung investiert.

Die Firmen müssen dennoch in ihrer Forschung und Entwicklung sowie der gesamten operativen

Arbeit frei bleiben – vergleichbar mit den Lehrstühlen an heutigen Unitervisäten, die durch die Forschugnsfreheit in Art. 13 der EU-Grundrechtscharta garantiert wird

Gleichzeitig bedarf es auch keiner Patentierung mehr, um angewandte Forschung finanzieren zu können. Dennoch kann im aktuellen Patentrecht jede*r beliebige andere ein Patent einreichen und ausnutzen. Deshalb sollte ein Patent eingereicht und dieses kostenlos oder nur zur Gegenfinanzierung Patentierungskosten lizenziert werden.

Mehrheitlich staatlich finanzierte Firmen sollen verpflichtet werden, ihre Ergebnisse zu veröffentlichen (Open Science). Zudem soll die EIB sich in dem Umfang Anteile an den Firmen sichern, die ihrem Investment entsprechen, aber gleichzeitig verpflichtet werden, ihren Anteil an der Dividende im Unternehmen zu belassen.

Impfstoffe vor Aneignung durch autokratische Regimes und rechte Regierungen schützen und  gerecht über die WHO verteilen

Obwohl auch die Produktion von entwickelten Impfstoffen hochspezialisiertes Know-How erfordert, spielt die größte Rolle dort die Akkumulation von Maschinen, Spezialist*innen und Ausgangsstoffen zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Entwicklungslabors mussten deshalb

Kooperationen mit großen Pharmafirmen eingehen, um schnell die Menge produzierter ImpfstoffDosen erhöhen zu können. Hierbei besteht eine Abhängigkeit der kleinen Laborfirmen von den Pharma-Großkonzernen. Die Produktionsstätten der Pharma-Firmen sind global ungleich verteilt:

So befinden sich 55 Prozent der Produktionskapazitäten für Impfstoffe in Ostasien, 40 Prozent in Europa und den USA und die verbleibenden 5 Prozent in Afrika.

Anders als die EU, die im letzten Sommer vor allem möglichst billig Impfstoffkandidaten per Vertrag einkaufen wollte, verstanden die USA unter Trump die geopolitische Bedeutung der Lage dieser Produktionsstätten. Dabei setzte Trump allerdings auf das rücksichtslose und egoistische Motto „America First“ anstatt auf eine wirksame, weltweite Pandemie-Bekämpfung durch Kooperation. Derartige aggressive Akte müssen von der Weltgemeinschaft künftig unterbunden werden, da sich die weltweite Situation ansonsten verschlimmert.

Neben dem offenen Egoismus gibt es noch eine weitere problematische Form der

“Impfdiplomatie”, die allerdings verdeckter abläuft. Dabei liefern autokratisch regierte Staaten wie China und Russland Impfstoffe an Entwicklungsländer (China etwa exportiert etwa die Hälfte seines Impfstoffs). Allerdings besteht das Ziel dieses Vorgehens eher der Verfolgung geopolitischer Interessen Russlands und Chinas als in der globaler Solidarität oder auch Profitgründen. China könnte durch den Impfstoffexport seinen Einfluss im Ausland ausweiten und eine starke Abhängigkeit der Entwicklungsländer zu China könnte internationale Beziehungen erschweren.

In der nächsten Pandemie bleiben der EU neben dem andauerndem internationalen Dialog und Apellen an Solidarität nur drei Strategien:

Zunächst muss die EU versuchen, die COVAX-Initiative vor der nächsten Pandemie zu ihrem ursprünglichen Ziel zurückführen: Eine globale Einkaufsgemeinschaft für Impfstoffe zu bilden, bei der die reichen Staaten einzahlen und die ärmeren weniger oder auch gar nichts. Wir fordern zudem, eine völkerrechtliche Verpflichtung zur Impfsolidarität zu schaffen.

Dennoch müssen die EU und ihre Einzelstaaaten selbst möglichst viel Impfstoff produzieren.

Sollte COVAX auch in der nächsten Pandemie aufgrund des asozialen Verhaltens einiger rechter

Regierungen oder Diktaturen scheitern, sollten die Impfstoffe entweder durch EU-staatliche Firmenanteile direkt besessen oder aber frühzeitig erworben werden. Diese Kontingente werden dadurch dem Zugriff asozialer Regierungen entzogen und können anschließend einer global gerechten Verteilung zufließen.

Die EU muss die Länder des Globalen Südens dabei unterstützen, selbst

Produktionskapazitäten für Impfstoffe aufzubauen. Diese könnten davon profitieren, wenn nach dem von uns geforderten staatlichen Förderungsmodell in der angewandten Forschung künftig keine Patente mehr im Weg stehen.

Änderungsanträge
Status Kürzel Zeile AntragstellerInnen Text PDF
angenommen ÄI2-1 171 Simon Grajer (Oberpfalz, Landesvorstand) Ersetze in den Z. 171 und 175: “asozialen/r“ durch “unsolidarisch und unverantwortlichen/r“
Beschluss: geändert angenommen
Text des Beschlusses:

Obwohl die dritte Corona-Welle in Deutschland gebrochen wurde, ist die Pandemie global betrachtet noch lange nicht vorbei. Während in den USA bereits 40% und in der EU 20% der Menschen einen vollen Impfschutz gegen Covid-19 besitzen, sind es in Pakistan nur 1%, in Mali lediglich 0,2% und auf den Vanuatu-Inseln im Südpazifik gar nur knapp über 0%.

Afrika liegt mit etwa 0,6% vollständig geimpften Menschen weit unter dem weltweiten Durchschnitt (etwa 11%) und hat somit die niedrigste Impfquote aller Kontinente. Von den weltweit bislang ausgelieferten Impfstoffen (2 Milliarden Dosen) gingen 75 Prozent in nur zehn Länder.

Als Jusos kämpfen wir für globale Solidarität. Nicht die Rücksichtslosigkeit des Kapitals, sondern die Kooperation aller Menschen und Staaten sollten die globale Entwicklung bestimmen.

Deshalb kämpfen wir dafür, dass:

  1. die Produktion und Verteilung der Covid-19-Impfstoffe sofort so verändert wird, dass alle

Menschen auf der Welt möglichst schnell einen vollen Schutz gegen Covid-19 erhalten und

  1. zum Schutz vor der nächsten Pandemie der gesamte Impfstoff-Zyklus aus Forschung,

Entwicklung, Produktion und Verteilung der Impfstoff-Dosen an dieses Ziel angepasst wird.

Corona beenden: Menschenleben vor “Geistigem Eigentum”, globale Solidarität!

Wir fordern, den Patentschutz für die Impfstoffe mindestens temporär aufzuheben, wie es das TRIPS-Abkommen der WTO rechtlich ausdrücklich erlaubt. Niemand auf der Welt darf sein Leben verlieren, weil ärmere Länder sich die Lizenzzahlungen nicht leisten können! Natürlich ist dadurch noch nicht das zur Produktion nötige Know-How und Ausgangsstoffen deshalb überall vorhanden. Aber jede Produktionskapazität, die weltweit verfügbar ist sollte auch genutzt werden dürfen.

COVAX spielt bei der weltweit gerechteren Verteilung von Impfstoffen eine zentrale Rolle, da die Initiative der WHO den gerechteren Zugang zu COVID-19-Impfstoffen und Behandlungen ermöglichen bzw. erleichtern soll. Die ursprüngliche Idee hinter COVAX, eine globale Einkaufsgemeinschaft zu bilden, ist gescheitert.

Dennoch muss COVAX akut als Mittel genutzt werden, um die Pandemie global zu beenden.  Deutschland ist mit 1,5 Milliarden Euro der größte Investor in das Projekt. Zudem sind die Mittel zu knapp bemessen. Durch die Unterfinanzierung werden Impfstoff-Lieferungen an Entwicklungsländer erschwert, so sollte COVAX beispielsweise 66 Millionen Impfdosen an Afrika liefern, es kamen aber nur lediglich 19 Millionen an.

Eine globale Pandemie kann nur global bekämpft werden. Die reichen Länder müssen umgehend einen Teil ihrer Impfdosen abgeben, um ärmeren Ländern zu helfen. Zudem muss die Soforthilfe in der Logistik und medizinischen Hilfe ausgeweitet werden, damit die Kühlketten der Impfstoffe nicht unterbrochen werden und diese funktionsfähig bei den zu Impfenden ankommen.

Die nächste Pandemie verhindern: Impfstoff-Zyklus grundlegend verändern

In der Argumentation von Liberalen und Rechten spielt “privatwirtschaftliche Innovation” eine zentrale Rolle: Demnach sei Innovation ein großes Verdienst der Privatwirtschaft und des Kapitalismus. Der Staat dagegen könne nur verwalten und Infrastruktur betreiben.

Dass das nicht stimmen kann, zeigt die Pandemie: Die radikalste Innovation, die

Grundlagenforschung im Bereich der mRNA-Impfstoffe, kommt aus der staatlich-universitären Forschung. Und die Leistung der Pharma-Konzerne Pfizer oder AstraZeneca besteht nicht in der innovativen Entwicklung von Impfstoffen, sondern nur im Bereitstellen und Verwalten von Produktionskapazitäten und Kapital und dem Know-How über die behördlichen Zulassungsprozesse.

Lediglich bestimmte private Akteur*innen verhielten sich in der Pandemie innovativ: mittelgroße private Forschungs-Laborfirmen wie die Unternehmen BioNTech (2000 Mitarbeiter*innen), Curevac (< 1000 Mitarbeiter*innen) oder das Jenner-Institut der privaten Universität Oxford (ca. 100

Mitarbeiter*innen). Sie entwickelten aus den staatlich-universitären Grundlagen diejenigen CovidImpfstoffe, die anschließend von großen Pharmafirmen gekauft und vertrieben wurden.

Auch bei diesen privaten Organisationen zeigt sich aber keine klare Abgrenzung zu staatlichen

Einrichtungen: BioNTech wurde 2008 als Ausgründung aus der Universität Mainz mit finanzieller Unterstützung aus dem staatlichen Förderprogramm “Go-Bio” gegründet. Curevac ging aus einem akademischen Forschungsprojekt der Universität Tübingen hervor. Und auch die Universität Oxford in Großbritannien ist zwar als private Stiftung organisiert, funktioniert aber grundsätzlich genauso wie staatliche Universitäten.

Eine privatwirtschaftliche Organisationsform ist also keine Voraussetzung für Innovation. Innovation ist oft staatlich, manchmal auch privatwirtschaftlich organisiert. Letztlich geht es um das richtige Verhältnis von spezialisierten Arbeiter*innen und Kapital: Unter welchen

Bedingungen können Forschungs-Kollektive innovativ arbeiten, wie Produktion im Notfall schnell skaliert werden und die Impfstoff-Dosen am Ende schnell und gerecht an alle Menschen auf der Welt verteilt werden?

Staatliche Grundlagenforschung sichern

Die staatliche Grundlagenforschung ist ein globales Erfolgsmodell, das unter anderem die Durchbrüche im Bereich der mRNA-Immunreaktion hervorbrachte. Umso mehr gilt es, diese Form der Wissenschaft zu stärken und zu verteidigen: Vor Befristung und unsicheren Perspektiven für Wissenschaftler*innen, vor Unterfinanzierung für Lehrstühle und vor dem gefährlichen Leitbild der “unternehmerischen Hochschule”, die vermarktungsfähige Produkte und Anwendungen hervorbringen soll. Das anglo-amerikanische Modell der forschungsstarken Privatuniversitäten lehnen wir ab, da sich das Studium dort nur Wenige leisten können und so der Einstieg in die Wissenschaft vom Geldbeutel oder Stipendien abhängt. Zur Organisation von Hochschulen haben wir als Jusos im Bereich Bildung umfangreiche Positionen, die wir als wichtige Voraussetzung für die Grundlagenforschung halten. Neben der Organisationsform ist ein weiteres Erfolgsrezept der weltweite Dialog in der Wissenschaft. Nur wenn Wissenschaftler*innen frei und unabhängig auch

von Regierungshandeln kommunizieren und Ideen teilen können, kann eine globale Wissensgemeinschaft entstehen.

Angewandte Forschung und Entwicklung auf EU-Ebene finanzieren

Auf der Basis der Grundlagenforschung setzt die Erforschung und Entwicklung konkreter Impfstoffe auf. Oft arbeiteten die Gründer*innen solcher angewandter Forschungslabore vorher an staatlichen Hochschulen, wie in den Fällen von Biontech oder Curevac. Die Ausgründung eines privaten Labors aus einer Universität ist mit hohen persönlichen Risiken für die Gründer*innen verbunden. Meist kann diese nur durch staatliche Gründungsfonds finanziert werden.

Anschließend sind diese im aktuellen System vor allem auf Privatinvestitionen angewiesen. Der

Wert eines Impfstoffs bemisst sich aus Sicht privater Investor*innen vor allem daran, wie viele

Menschen in reichen Ländern konkret von einer Infektion bedroht sind. Dagegen wird die Entwicklung eines Impfstoffs für wenige Menschen in einem armen Land vom Kapitalmarkt nicht finanziert.

Da private Investor*innen von möglichst schneller, sicherer Rendite getrieben sind, stellt ein frühes Investment in eine Biotechnologie-Firma aus Investor*innen-Sicht ein hohes Risiko dar. Der Corona-Impfstoff war BioNTechs erstes Produkt nach 13 Jahren Forschung; Curevac ist nach 20

Jahren noch immer nicht an diesem Punkt angelangt. Nur wenige Superreiche wie Bill und Melinda

Gates oder der SAP-Gründer Dietmar Hopp konnten und wollten dieses Risiko in der ImpfstoffForschung in der Vergangenheit eingehen. Erst wenn ein Impfstoff den langen, teuren Weg bis zur staatlichen Zulassung überstanden hat, wird ein Investment für die breitere Gruppe der typischen Privatinvestor*innen interessant.

Die bisherigen staatlichen Investitionen in der EU genügen nicht, um diese fehlenden und mit falsch strukturierten Privatinvestitionen aufzuwiegen. Die nationalen Investments in Europa im Bereich mehrerer hundert Millionen Euro (KFW, Curevac) und auf EU-Ebene (Europäische Investitionsbank, Biontech / Curevac) stehen im Vergleich zu den mehr als 3,5 Milliarden Euro, die die USA in Moderna, Johnson&Johnson, AstraZeneca und Sanofi/GSK investierte.

Daher fordern wir:

Es soll eine eigene Unterbehörde der Europäischen Investitionsbank (EIB) gegründet werden, die langfristig, nach klaren Richtlinien und in massiv höherem finanziellen Umfang als heute in die Impfstoffforschung investiert.

Die Firmen müssen dennoch in ihrer Forschung und Entwicklung sowie der gesamten operativen

Arbeit frei bleiben – vergleichbar mit den Lehrstühlen an heutigen Unitervisäten, die durch die Forschugnsfreheit in Art. 13 der EU-Grundrechtscharta garantiert wird

Gleichzeitig bedarf es auch keiner Patentierung mehr, um angewandte Forschung finanzieren zu können. Dennoch kann im aktuellen Patentrecht jede*r beliebige andere ein Patent einreichen und ausnutzen. Deshalb sollte ein Patent eingereicht und dieses kostenlos oder nur zur Gegenfinanzierung Patentierungskosten lizenziert werden.

Mehrheitlich staatlich finanzierte Firmen sollen verpflichtet werden, ihre Ergebnisse zu veröffentlichen (Open Science). Zudem soll die EIB sich in dem Umfang Anteile an den Firmen sichern, die ihrem Investment entsprechen, aber gleichzeitig verpflichtet werden, ihren Anteil an der Dividende im Unternehmen zu belassen.

Impfstoffe vor Aneignung durch autokratische Regimes und rechte Regierungen schützen und  gerecht über die WHO verteilen

Obwohl auch die Produktion von entwickelten Impfstoffen hochspezialisiertes Know-How erfordert, spielt die größte Rolle dort die Akkumulation von Maschinen, Spezialist*innen und Ausgangsstoffen zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Entwicklungslabors mussten deshalb

Kooperationen mit großen Pharmafirmen eingehen, um schnell die Menge produzierter ImpfstoffDosen erhöhen zu können. Hierbei besteht eine Abhängigkeit der kleinen Laborfirmen von den Pharma-Großkonzernen. Die Produktionsstätten der Pharma-Firmen sind global ungleich verteilt:

So befinden sich 55 Prozent der Produktionskapazitäten für Impfstoffe in Ostasien, 40 Prozent in Europa und den USA und die verbleibenden 5 Prozent in Afrika.

Anders als die EU, die im letzten Sommer vor allem möglichst billig Impfstoffkandidaten per Vertrag einkaufen wollte, verstanden die USA unter Trump die geopolitische Bedeutung der Lage dieser Produktionsstätten. Dabei setzte Trump allerdings auf das rücksichtslose und egoistische Motto „America First“ anstatt auf eine wirksame, weltweite Pandemie-Bekämpfung durch Kooperation. Derartige aggressive Akte müssen von der Weltgemeinschaft künftig unterbunden werden, da sich die weltweite Situation ansonsten verschlimmert.

Neben dem offenen Egoismus gibt es noch eine weitere problematische Form der

“Impfdiplomatie”, die allerdings verdeckter abläuft. Dabei liefern autokratisch regierte Staaten wie China und Russland Impfstoffe an Entwicklungsländer (China etwa exportiert etwa die Hälfte seines Impfstoffs). Allerdings besteht das Ziel dieses Vorgehens eher der Verfolgung geopolitischer Interessen Russlands und Chinas als in der globaler Solidarität oder auch Profitgründen. China könnte durch den Impfstoffexport seinen Einfluss im Ausland ausweiten und eine starke Abhängigkeit der Entwicklungsländer zu China könnte internationale Beziehungen erschweren.

In der nächsten Pandemie bleiben der EU neben dem andauerndem internationalen Dialog und Apellen an Solidarität nur drei Strategien:

Zunächst muss die EU versuchen, die COVAX-Initiative vor der nächsten Pandemie zu ihrem ursprünglichen Ziel zurückführen: Eine globale Einkaufsgemeinschaft für Impfstoffe zu bilden, bei der die reichen Staaten einzahlen und die ärmeren weniger oder auch gar nichts. Wir fordern zudem, eine völkerrechtliche Verpflichtung zur Impfsolidarität zu schaffen.

Dennoch müssen die EU und ihre Einzelstaaaten selbst möglichst viel Impfstoff produzieren.

Sollte COVAX auch in der nächsten Pandemie aufgrund des unsolidarisch und unverantwortlichen Verhaltens einiger rechter

Regierungen oder Diktaturen scheitern, sollten die Impfstoffe entweder durch EU-staatliche Firmenanteile direkt besessen oder aber frühzeitig erworben werden. Diese Kontingente werden dadurch dem Zugriff unsolidarisch und unverantwortlicher Regierungen entzogen und können anschließend einer global gerechten Verteilung zufließen.

Die EU muss die Länder des Globalen Südens dabei unterstützen, selbst

Produktionskapazitäten für Impfstoffe aufzubauen. Diese könnten davon profitieren, wenn nach dem von uns geforderten staatlichen Förderungsmodell in der angewandten Forschung künftig keine Patente mehr im Weg stehen.

Beschluss-PDF: