INI1 100 Milliarden – nicht mit uns!

Status:
geändert angenommen

Adressat*innen: SPD-Landesgruppe Bayern, Jusos Bundeskongress, Bayern SPD,  Landtagsfraktion Bayern SPD

 

Einleitung

Vor drei Monaten verkündete der Bundeskanzler Olaf Scholz eine Zeitwende im Bundestag. Die russische Invasion in der Ukraine war der Anlass, die deutsche Verteidigungs- und Militärpolitik in einer Regierungsbegründung neu aufzustellen. Zur Überraschung vieler, nicht nur für Scholz‘ Regierungskolleg*innen.

Das Ampel-Kabinett legte am 14. April einen Haushaltsentwurf vor, der im Artikel 87a des Grundgesetzes folgenden Absatz einfügen möchte:

„Zur Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit kann der Bund ein Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung in Höhe von einmalig bis zu 100 Milliarden Euro errichten. Auf die Kreditermächtigung sind Artikel 109 Absatz 3 und Artikel 115 Absatz 2 nicht anzuwenden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“

Ein einmaliges Sondervermögen für die Bundeswehr soll mit einer Zweidrittelmehrheit durch den Bundestag an der Schuldenbremse vorbei in das Grundgesetz geschrieben werden. Eine einmalige Ausgabe mit Verfassungsrang – eine Neuheit im politischen System Deutschlands.

Eine Neuheit, die wir auf das entschiedenste ablehnen!

Die NATO ist bereits hochgerüstet

Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine ist nicht die erste völkerrechtswidrige Handlung Russlands. Nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim beschloss die NATO auf ihrem Gipfeltreffen in Wales 2014 ein Anhalten der sinkenden Rüstungsausgaben in den Staaten des Nordatlantikbündnisses. Das Zwei-Prozent-Ziel wurde erneuert mit der Zielsetzung, bis 2024 in alle Staaten des Nordatlantikpaktes mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für militärische Zwecke bereitzustellen.

Seit diesem Beschluss steigen die Militärausgaben in Deutschland stetig an. Im Jahr 2014 wurden 44,7 Milliarden Euro verbucht, 1,53% des Bruttoinlandsprodukts Deutschlands im selben Jahr. Vorheriges Jahr wurden bereits 56 Milliarden Euro verbucht, 1,57% des Bruttoinlandsprodukts Deutschlands. Eine Erfüllung des 2%-Zieles im Jahr 2021 hätten Mehrausgaben in Höhe von 15,41 Milliarden Euro erfordert, um den Verteidigungshaushalt auf 71,41 Milliarden zu erhöhen. Deutschland hat also bisher keine Tendenzen gezeigt, dass 2%-Ziel ab dem Jahr 2024 einhalten zu können. Die angekündigten Investitionen würden dazu führen, dass dieses Ziel sogar noch übertroffen wird.

Diese Rechnung zeigt ebenfalls die Absurdität des 2%-Zieles der NATO. Mit jedem Jahr, in dem es Wirtschaftswachstum gibt, müssen die Militärausgaben ebenfalls ohne Bedarfsprüfung erhöht werden. Seit 1991 gab es lediglich zwei Jahre, in denen das BIP gesunken ist: 2009 und 2020. Alle anderen Jahre hätten es erfordert, mehr Geld in die Bundeswehr zu investieren – unabhängig von der Sicherheitslage und Ausstattung.

Die NATO ist bereits heute das mächtigste Militärbündnis der Welt. Das Vereinigte Königreich hat im Jahr 2021 allein höhere Militärausgaben als Russland gehabt, die NATO verfügt zusammen über mehr Kernwaffen als die Russische Föderation. Auch vor den neuen Aufrüstungen war klar: der NATO ist keine militärische Macht auf der Welt gewachsen.

Aus dieser Situation ziehen wir folgende Schlüsse:

  • Das 2%-Ziel der NATO soll weiterhin nicht eingehalten , sondern viel mehr abgeschafft werden,
  • Verteidigungsausgaben müssen bedarfsgerecht ermittelt werden, wobei der Bedarf lediglich die Landesverteidigung und einen Schwerpunkt auf humanitäre Unterstützung setzt, die Einhaltung von Bündnisverpflichtungen (wie diese aussehen könnten wird im Solidarprojekt Ukraine definiert)
  • Wir unterstützen keinerlei Grundgesetzänderungen, die ein 100-Milliarden-Sondervermögen oder anderweitige Festschreibungen von Militärausgaben umfassen sollen.

Wir fordern die Bayrischen SPD Bundestagsabgeordneten, insbesondere diejenigen im Jusos-Alter auf, das Sondervermögen abzulehnen.

Wer profitiert vom Krieg?

Die kurze Antwort lautet: niemand, für den wir einstehen wollen. Krieg verwirklicht die Visionen nationalistischer, völkischer und autoritärer Kräfte. Krieg hilft einigen wenigen Superreichen und denen, die Waffen und Rüstung für Profit herstellen. Innerhalb von zwei Wochen nach Kriegsbeginn sind die Aktienkurse von Rheinmetall stark angestiegen – bevor es konkrete Zusagen gab, profitierten bereits die Investor*innen der deutschen Rüstungskonzerne vom Krieg in der Ukraine.

Wir jedoch wollen uns solidarisch mit denjenigen zeigen, die gegen einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Widerstand leisten. Das gelingt nicht mit einem blinden Hochschrauben der Rüstungsausgaben in Deutschland, sondern mit einem entschlossenen Reagieren durch die westlichen Bündnisse und einer Prävention zukünftiger Invasionen Russlands.

Wir erneuern daher unsere Forderung mit Nachdruck:

  • Die Verstaatlichung aller Rüstungsindustrie muss erfolgen.
  • Rüstungskonzerne sind vom Aktienmarkt zu nehmen.
  • Herstellung, Auslieferung und den Export von Rüstungen muss strenger parlamentarischer Kontrolle und absoluter Transparenz unterliegen.
  • Mit Waffen darf kein Profit gemacht werden!

Die Bundeswehr ist dysfunktional

Die Union hat im letzten Jahrzehnt das Verteidigungsministerium zur Bewährungsprobe für Möchtegern-Kanzler*innen umgebaut. Die Misswirtschaft der Bundeswehr wird durch ein Beschaffungswesen verdeutlich: Waffensysteme ohne Ersatzteile, zu wenig Munition, Geräte, die lediglich in Deutschland funktionieren und das Annehmen von defektem Gerät von Hersteller*innen ohne Bedenken. Teure Kasernen und Immobilien reihen sich ein in komplizierte, bürokratische Vorgänge, unklare Zuständigkeiten sowie niemandem, die*der Verantwortung für begangene Fehler übernehmen möchte. Im Vergleich zu vielen anderen europäischen Militärs zeigt sich die Ineffizienz der Bundeswehr. Am Beispiel Frankreich wird deutlich: Deutschland gibt in mehr Geld im Jahr für sein Militär aus als Frankreich, jedoch unterhält Frankreich mit weniger Mitteln komplexere Waffensysteme und führt mehr militärische Interventionen im Ausland durch als Deutschland. Die französische Militär- und Außenpolitik ist keineswegs ein Vorbild für einen sozialistischen Verband. Der Vergleich der Ausgaben beider Militärs zeigt jedoch, wie ineffizient die Bundeswehr wirtschaftet. Jeder Euro mehr, der in Deutschland für den Verteidigungshaushalt verbucht wird, bevor es zu tiefgreifenden Umstrukturierungen gekommen ist, führt vor allem zu unverhältnismäßiger Geldverschwendung.

Hinzu kommt, dass der Bundeswehretat seit 2015 stetig ansteigt. Das legt offen: sieben Jahre mehr Geld für die Bundeswehr haben keine Trendwende bei den Skandalen der Bundeswehr gebracht. Auch muss hervorgehoben werden, dass das Sondervermögen der 100 Milliarden Euro an keinen Wirtschaftsplan gebunden ist. Essentielle Fragen bleiben damit unbeachtet: Welche Kosten fallen an? Wofür soll das Geld in den nächsten Jahren ausgegeben werden? Braucht es 100 Milliarden, oder würden bei einer besseren Organisation auch geringere Beträge zum selben Ziel führen? Angesichts der gigantischen Investition ist es unverantwortlich, als Bundesregierung die Frage nach dem „wofür“ gänzlich offen zu lassen. Sehenden Auges wird auf eine Versenkung von Milliardenkrediten in ein schwarzes Loch hingearbeitet. Das können wir nicht mitverantworten.

Zu allem Überfluss haben Unions- und AfD-Politiker*innen nun eine Debatte um die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht gestartet. Das Verpflichten junger Menschen an der Waffe bringt weder der Ukraine noch Deutschland, mehr Sicherheit. Es steht im direkten Widerspruch zu unseren sozialistischen, antimilitaristischen Werten. 

In der Debatte fallen zudem die neo-nazistischen Vernetzungen innerhalb der Bundeswehr oft hinten runter. Seit Bestehen der westdeutschen Streitkraft war sie zu Beginn Zufluchtsort für Alt-Nationalsozialisten und heute ein sicherer Ort für die neue Rechte. Die Bundeswehr muss frei von neo-nazistischer Ideologie sein, rechte Netzwerke müssen zerschlagen werden – oder die Armee selbst ist eine Gefahr für die Sicherheit im Land.

Daher fordern wir:

  • Ein Einstellen der Verschwendung von Milliarden staatlicher Mittel durch die Bundeswehr durch,
    • Einstellung der in Teilen rechtswidrigen und überteuerten Berater*innen-Praxis, etabliert durch die heutige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen,
    • eine umfassende Überprüfung des Beschaffungswesens, der Immobilienwirtschaft und der Personalpolitik der Bundeswehr.
  • Umfassende Transparenz bei den Wehrausgaben und eine Aufklärung der verschwenderischen Politik durch die Unionsminister*innen durch parlamentarische und externe Kontrolle,
  • Eine endgültige Abschaffung der Wehrpflicht,
  • Eine entschlossene Kampagne gegen neo-nazistische Strukturen und Netzwerke innerhalb der Bundeswehr.

Wofür wir das Geld tatsächlich brauchen

Für uns Jusos war schon immer klar: die Schuldenbremse muss fallen! Aber doch nicht so, nicht außerhalb der Kontrolle des Parlamentes, der Demokratie. Die Aufnahme einer einzelnen Ausnahme für überdimensionierte Militärausgaben schürt zukünftige Konflikte mit Ausgaben in anderen, wichtigen Handlungsfeldern. Die Sparpolitik der letzten Jahrzehnte hat zu einem enormen Investitionsstau in praktisch allen Gebieten geführt. Wir möchten den Fall der Schuldenbremse zur Bekämpfung des Klimawandelns, zur Einleitung des sozio-ökologischen Umbaus unserer Gesellschaften und zur Schaffung internationaler Solidarität auf Grundlage von Kooperation und globalem Ausgleich von Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten. Wir möchten nicht länger Handlungsfelder gegeneinander ausspielen, sondern die oberste Maxime der Geldpolitik in die Tat umsetzen: „Alles, was wir tatsächlich tun können, können wir uns leisten“.

Wir fordern daher, folgendes umsetzen:

  • Das Ende der Schuldenbremse,
  • Enorme Investitionen in den Kampf gegen den Klimawandel, damit sichergestellt wird, dass auch uns nachfolgende Generationen auf dem Planeten Erde leben können,
  • Eine Ertüchtigung des Gesundheitswesens, insbesondere mit Blick auf die Folgen der Covid19-Pandemie,
  • Massenhafte Investitionen in das Bildungswesen,
  • Modernisierung aller öffentlicher Infrastruktur, insbesondere zur Digitalisierung in allen Staats- und Gesellschaftsbereichen, des öffentlichen Nahverkehres, öffentlicher Räume und Bauwerke,
  • Der Bekämpfung von Kinderarmut, Arbeitslosigkeit und anderen sozialen Notlagen,
  • Und vielen weiteren bisher vernachlässigten Handlungsfeldern.

Solidarität mit der Ukraine – nicht mit der Rüstungsindustrie

„Deutschland wird am Hindukusch verteidigt“ ist heute so falsch, wie es damals war. In diesem Antrag machen wir klar, dass wir die Investition von 100 Milliarden in die Bundeswehr für falsch erachten. Der Auftrag der Bundeswehr ist die Verteidigung und humanitäre Hilfe – das steht im Kontrast zur Entwicklung der NATO seit den 1990er Jahren. Doch diese Entwicklungen stehen auch den Invasionen Russlands in Tschetschenien, Moldawien, Georgien und zuletzt in die Ukraine. Sie stehen ebenfalls dem Bedürfnis vieler europäischer Gesellschaften entgegen, sich zum Schutz vor weiteren Aggressionen durch Russland der NATO anzuschließen.

Wir erneuern unsere Solidaritätserklärung an diejenigen, die in diesen Tagen in der Ukraine Widerstand gegen Krieg, Gewalt und Kriegsverbrechen leisten. Wir müssen jedoch auch anerkennen, dass wir heute nicht die Antworten auf Putins Angriffskrieg haben, die wir gerne geben wollen.

Um die Wichtigkeit der Solidarität mit von Krieg und Verfolgung betroffenen zu unterstreichen, sowie zur Neubewertung unserer internationalen Solidaritätspolitik setzen wir daher mit unserem Arbeitsprogramm das „Solidaritätsprojekt Ukraine“ ein, das von der Themenwerkstatt Internationales organisiert werden soll und sich unter anderem folgender Fragen widmen soll:

  • Die Frage nach Waffenexporten, insbesondere in Krisengebiete,
  • Rolle der Bundeswehr in der Welt,
  • Militärische Bündnisfragen,
  • Demokratische Kontrolle & Transparenz in der Bundeswehr,
  • Europäische Armee,
  • Atomare Abrüstung.

Das Solidaritätsprojekt soll zur nächsten Landeskonferenz einen Bericht der aktuellen Diskussion vorlegen und einen Grundsatzantrag zur Debatte und zum Beschluss auf einer Landeskonferenz vorlegen.

Änderungsanträge
Status Kürzel Zeile AntragstellerInnen Text PDF
angenommen ÄINI1-6 17 Jusos Oberbayern Streiche und ersetze “der Westen“ durch “Die NATO“: Z. 17 und Z. 34
angenommen ÄINI1-2 34 Jusos Mittelfranken ersetze “der Westen“ gegen “die NATO-Mitgliedstaaten“
abgelehnt ÄINI1-3 39 Jusos Mittelfranken ersetze Zeile 39 gegen: \“Die Erbringung des 2%-Ziels allein durch Rüstungsausgabe soll angesichts des erweiterten Sicherheitsbegriffs künftig gemeinsam durch das Auswärtige Amt, das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und das Ministerium der Verteidigung erfolgen,\“
angenommen ÄINI1-7 39 Jusos Oberbayern Füge ein vor werden, Z. 39: “, sondern viel mehr abgeschafft“
unklar ÄINI1-1 40 Jusos Mittelfranken ergänze nach…\“Landesverteidigung\“ \“, die Bündnisverteidigung im Rahmen der NATO sowie mit unseren europäischen Partnern\“
angenommen ÄINI1-9 41 Jusos Oberbayern Ergänzung Z 41: die Einhaltung von Bündnisverpflichtungen (wie diese aussehen könnten wird im Solidarprojekt Ukraine definiert)
angenommen ÄINI1-10 41 Jusos Oberbayern Füge ein in Zeile 41: humanitäre Unterstützung umfasst,“ durch “einen Schwerpunkt auf humanitäre Unterstützung setzt“
angenommen ÄINI1-11 43 Jusos Oberbayern Füge ein nach Zeile  43: Wir fordern die Bayrischen SPD Bundestagsabgeordneten, insbesondere diejenigen im Jusos-Alter auf, das Sondervermögen abzulehnen.
unklar ÄINI1-4 45 Jusos Mittelfranken Z. 45 – 47 von “Die kurze Antwort…“ bis “…Profit herstellen.“ ersetzen durch: “Angriffskriege sind das Werk nationalistischer, völkischer und autoritärer Regime. Jeder Krieg bringt unbeschreibliches menschliches Leid mit sich und dürfen daher nie aus wirtschaftlichen Gewinnstreben geführt werden.“
angenommen ÄINI1-8 50 Jusos Oberbayern Streichung Zeile: 50-51
angenommen ÄINI1-5 126 Jusos Oberbayern Streiche Z. Streiche Z. 126 – 131
Text des Beschlusses:

Adressat*innen: SPD-Landesgruppe Bayern, Jusos Bundeskongress, Bayern SPD,  Landtagsfraktion Bayern SPD

 

Einleitung

Vor drei Monaten verkündete der Bundeskanzler Olaf Scholz eine Zeitwende im Bundestag. Die russische Invasion in der Ukraine war der Anlass, die deutsche Verteidigungs- und Militärpolitik in einer Regierungsbegründung neu aufzustellen. Zur Überraschung vieler, nicht nur für Scholz‘ Regierungskolleg*innen.

Das Ampel-Kabinett legte am 14. April einen Haushaltsentwurf vor, der im Artikel 87a des Grundgesetzes folgenden Absatz einfügen möchte:

„Zur Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit kann der Bund ein Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung in Höhe von einmalig bis zu 100 Milliarden Euro errichten. Auf die Kreditermächtigung sind Artikel 109 Absatz 3 und Artikel 115 Absatz 2 nicht anzuwenden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“

Ein einmaliges Sondervermögen für die Bundeswehr soll mit einer Zweidrittelmehrheit durch den Bundestag an der Schuldenbremse vorbei in das Grundgesetz geschrieben werden. Eine einmalige Ausgabe mit Verfassungsrang – eine Neuheit im politischen System Deutschlands.

Eine Neuheit, die wir auf das entschiedenste ablehnen!

Der Westen ist bereits hochgerüstet

Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine ist nicht die erste völkerrechtswidrige Handlung Russlands. Nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim beschloss die NATO auf ihrem Gipfeltreffen in Wales 2014 ein Anhalten der sinkenden Rüstungsausgaben in den Staaten des Nordatlantikbündnisses. Das Zwei-Prozent-Ziel wurde erneuert mit der Zielsetzung, bis 2024 in alle Staaten des Nordatlantikpaktes mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für militärische Zwecke bereitzustellen.

Seit diesem Beschluss steigen die Militärausgaben in Deutschland stetig an. Im Jahr 2014 wurden 44,7 Milliarden Euro verbucht, 1,53% des Bruttoinlandsprodukts Deutschlands im selben Jahr. Vorheriges Jahr wurden bereits 56 Milliarden Euro verbucht, 1,57% des Bruttoinlandsprodukts Deutschlands. Eine Erfüllung des 2%-Zieles im Jahr 2021 hätten Mehrausgaben in Höhe von 15,41 Milliarden Euro erfordert, um den Verteidigungshaushalt auf 71,41 Milliarden zu erhöhen. Deutschland hat also bisher keine Tendenzen gezeigt, dass 2%-Ziel ab dem Jahr 2024 einhalten zu können. Die angekündigten Investitionen würden dazu führen, dass dieses Ziel sogar noch übertroffen wird.

Diese Rechnung zeigt ebenfalls die Absurdität des 2%-Zieles der NATO. Mit jedem Jahr, in dem es Wirtschaftswachstum gibt, müssen die Militärausgaben ebenfalls ohne Bedarfsprüfung erhöht werden. Seit 1991 gab es lediglich zwei Jahre, in denen das BIP gesunken ist: 2009 und 2020. Alle anderen Jahre hätten es erfordert, mehr Geld in die Bundeswehr zu investieren – unabhängig von der Sicherheitslage und Ausstattung.

Der Westen ist bereits heute das mächtigste Militärbündnis der Welt. Das Vereinigte Königreich hat im Jahr 2021 allein höhere Militärausgaben als Russland gehabt, die NATO verfügt zusammen über mehr Kernwaffen als die Russische Föderation. Auch vor den neuen Aufrüstungen war klar: der NATO ist keine militärische Macht auf der Welt gewachsen.

Aus dieser Situation ziehen wir folgende Schlüsse:

  • Das 2%-Ziel der NATO soll weiterhin nicht eingehalten werden,
  • Verteidigungsausgaben müssen bedarfsgerecht ermittelt werden, wobei der Bedarf lediglich die Landesverteidigung und humanitäre Unterstützung umfasst,
  • Wir unterstützen keinerlei Grundgesetzänderungen, die ein 100-Milliarden-Sondervermögen oder anderweitige Festschreibungen von Militärausgaben umfassen sollen.

Wer profitiert vom Krieg?

Die kurze Antwort lautet: niemand, für den wir einstehen wollen. Krieg verwirklicht die Visionen nationalistischer, völkischer und autoritärer Kräfte. Krieg hilft einigen wenigen Superreichen und denen, die Waffen und Rüstung für Profit herstellen. Innerhalb von zwei Wochen nach Kriegsbeginn sind die Aktienkurse von Rheinmetall stark angestiegen – bevor es konkrete Zusagen gab, profitierten bereits die Investor*innen der deutschen Rüstungskonzerne vom Krieg in der Ukraine.

Dass der Profit für Rüstungskonzerne an oberster Stelle steht, wird auch dadurch verdeutlicht, dass es keine Wirtschaftspläne für das Sondervermögen gibt.

Wir jedoch wollen uns solidarisch mit denjenigen zeigen, die gegen einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Widerstand leisten. Das gelingt nicht mit einem blinden Hochschrauben der Rüstungsausgaben in Deutschland, sondern mit einem entschlossenen Reagieren durch die westlichen Bündnisse und einer Prävention zukünftiger Invasionen Russlands.

Wir erneuern daher unsere Forderung mit Nachdruck:

  • Die Verstaatlichung aller Rüstungsindustrie muss erfolgen.
  • Rüstungskonzerne sind vom Aktienmarkt zu nehmen.
  • Herstellung, Auslieferung und den Export von Rüstungen muss strenger parlamentarischer Kontrolle und absoluter Transparenz unterliegen.
  • Mit Waffen darf kein Profit gemacht werden!

Die Bundeswehr ist dysfunktional

Die Union hat im letzten Jahrzehnt das Verteidigungsministerium zur Bewährungsprobe für Möchtegern-Kanzler*innen umgebaut. Die Misswirtschaft der Bundeswehr wird durch ein Beschaffungswesen verdeutlich: Waffensysteme ohne Ersatzteile, zu wenig Munition, Geräte, die lediglich in Deutschland funktionieren und das Annehmen von defektem Gerät von Hersteller*innen ohne Bedenken. Teure Kasernen und Immobilien reihen sich ein in komplizierte, bürokratische Vorgänge, unklare Zuständigkeiten sowie niemandem, die*der Verantwortung für begangene Fehler übernehmen möchte. Im Vergleich zu vielen anderen europäischen Militärs zeigt sich die Ineffizienz der Bundeswehr. Am Beispiel Frankreich wird deutlich: Deutschland gibt in mehr Geld im Jahr für sein Militär aus als Frankreich, jedoch unterhält Frankreich mit weniger Mitteln komplexere Waffensysteme und führt mehr militärische Interventionen im Ausland durch als Deutschland. Die französische Militär- und Außenpolitik ist keineswegs ein Vorbild für einen sozialistischen Verband. Der Vergleich der Ausgaben beider Militärs zeigt jedoch, wie ineffizient die Bundeswehr wirtschaftet. Jeder Euro mehr, der in Deutschland für den Verteidigungshaushalt verbucht wird, bevor es zu tiefgreifenden Umstrukturierungen gekommen ist, führt vor allem zu unverhältnismäßiger Geldverschwendung.

Hinzu kommt, dass der Bundeswehretat seit 2015 stetig ansteigt. Das legt offen: sieben Jahre mehr Geld für die Bundeswehr haben keine Trendwende bei den Skandalen der Bundeswehr gebracht. Auch muss hervorgehoben werden, dass das Sondervermögen der 100 Milliarden Euro an keinen Wirtschaftsplan gebunden ist. Essentielle Fragen bleiben damit unbeachtet: Welche Kosten fallen an? Wofür soll das Geld in den nächsten Jahren ausgegeben werden? Braucht es 100 Milliarden, oder würden bei einer besseren Organisation auch geringere Beträge zum selben Ziel führen? Angesichts der gigantischen Investition ist es unverantwortlich, als Bundesregierung die Frage nach dem „wofür“ gänzlich offen zu lassen. Sehenden Auges wird auf eine Versenkung von Milliardenkrediten in ein schwarzes Loch hingearbeitet. Das können wir nicht mitverantworten.

Zu allem Überfluss haben Unions- und AfD-Politiker*innen nun eine Debatte um die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht gestartet. Das Verpflichten junger Menschen an der Waffe bringt weder der Ukraine noch Deutschland, mehr Sicherheit. Es steht im direkten Widerspruch zu unseren sozialistischen, antimilitaristischen Werten. 

In der Debatte fallen zudem die neo-nazistischen Vernetzungen innerhalb der Bundeswehr oft hinten runter. Seit Bestehen der westdeutschen Streitkraft war sie zu Beginn Zufluchtsort für Alt-Nationalsozialisten und heute ein sicherer Ort für die neue Rechte. Die Bundeswehr muss frei von neo-nazistischer Ideologie sein, rechte Netzwerke müssen zerschlagen werden – oder die Armee selbst ist eine Gefahr für die Sicherheit im Land.

Daher fordern wir:

  • Ein Einstellen der Verschwendung von Milliarden staatlicher Mittel durch die Bundeswehr durch,
    • Einstellung der in Teilen rechtswidrigen und überteuerten Berater*innen-Praxis, etabliert durch die heutige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen,
    • eine umfassende Überprüfung des Beschaffungswesens, der Immobilienwirtschaft und der Personalpolitik der Bundeswehr.
  • Umfassende Transparenz bei den Wehrausgaben und eine Aufklärung der verschwenderischen Politik durch die Unionsminister*innen durch parlamentarische und externe Kontrolle,
  • Eine endgültige Abschaffung der Wehrpflicht,
  • Eine entschlossene Kampagne gegen neo-nazistische Strukturen und Netzwerke innerhalb der Bundeswehr.

Wofür wir das Geld tatsächlich brauchen

Für uns Jusos war schon immer klar: die Schuldenbremse muss fallen! Aber doch nicht so, nicht außerhalb der Kontrolle des Parlamentes, der Demokratie. Die Aufnahme einer einzelnen Ausnahme für überdimensionierte Militärausgaben schürt zukünftige Konflikte mit Ausgaben in anderen, wichtigen Handlungsfeldern. Die Sparpolitik der letzten Jahrzehnte hat zu einem enormen Investitionsstau in praktisch allen Gebieten geführt. Wir möchten den Fall der Schuldenbremse zur Bekämpfung des Klimawandelns, zur Einleitung des sozio-ökologischen Umbaus unserer Gesellschaften und zur Schaffung internationaler Solidarität auf Grundlage von Kooperation und globalem Ausgleich von Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten. Wir möchten nicht länger Handlungsfelder gegeneinander ausspielen, sondern die oberste Maxime der Geldpolitik in die Tat umsetzen: „Alles, was wir tatsächlich tun können, können wir uns leisten“.

Wir fordern daher, folgendes umsetzen:

  • Das Ende der Schuldenbremse,
  • Enorme Investitionen in den Kampf gegen den Klimawandel, damit sichergestellt wird, dass auch uns nachfolgende Generationen auf dem Planeten Erde leben können,
  • Eine Ertüchtigung des Gesundheitswesens, insbesondere mit Blick auf die Folgen der Covid19-Pandemie,
  • Massenhafte Investitionen in das Bildungswesen,
  • Modernisierung aller öffentlicher Infrastruktur, insbesondere zur Digitalisierung in allen Staats- und Gesellschaftsbereichen, des öffentlichen Nahverkehres, öffentlicher Räume und Bauwerke,
  • Der Bekämpfung von Kinderarmut, Arbeitslosigkeit und anderen sozialen Notlagen,
  • Und vielen weiteren bisher vernachlässigten Handlungsfeldern.

Solidarität mit der Ukraine – nicht mit der Rüstungsindustrie

Wir erneuern unsere Solidaritätserklärung an diejenigen, die in diesen Tagen in der Ukraine Widerstand gegen Krieg, Gewalt und Kriegsverbrechen leisten. Wir müssen jedoch auch anerkennen, dass wir heute nicht die Antworten auf Putins Angriffskrieg haben, die wir gerne geben wollen.

Um die Wichtigkeit der Solidarität mit von Krieg und Verfolgung betroffenen zu unterstreichen, sowie zur Neubewertung unserer internationalen Solidaritätspolitik setzen wir daher mit unserem Arbeitsprogramm das „Solidaritätsprojekt Ukraine“ ein, das von der Themenwerkstatt Internationales organisiert werden soll und sich unter anderem folgender Fragen widmen soll:

  • Die Frage nach Waffenexporten, insbesondere in Krisengebiete,
  • Rolle der Bundeswehr in der Welt,
  • Militärische Bündnisfragen,
  • Demokratische Kontrolle & Transparenz in der Bundeswehr,
  • Europäische Armee,
  • Atomare Abrüstung.

Das Solidaritätsprojekt soll zur nächsten Landeskonferenz einen Bericht der aktuellen Diskussion vorlegen und einen Grundsatzantrag zur Debatte und zum Beschluss auf einer Landeskonferenz vorlegen.

 

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