B6 Mehr politische und kulturelle Bildungseinrichtungen für Jugendliche im ländlichen Raum

Status:
geändert angenommen

Die Jugend als Reifeprozess stellt den wohl prägendsten Abschnitt für die Identitätsfindung eines Menschen dar. Mag zwar die Ausprägung dieses Prozesses von Individuum zu Individuum differieren, so teilen junge Menschen dennoch gewisse Bedürfnisse;

Der Abnabelungsprozess vom Elternhaus mag ein solches sein, ebenso der Wunsch, eigene Stärken zu entdecken und auszubauen, selbstständig zu sein, neue Erfahrungen zu sammeln und, vor allem, sich mit Gleichaltrigen und / oder -gesinnten zu umgeben. Auch ist es im Jugendalter wichtig, eigene Grenzen und Schwächen zu erkennen, möglichst zu lernen, mit diesen umzugehen. Dies kann Jugendlichen nur gelingen, wenn sie die Chance haben, sich an Neuem auszutesten und dabei Rückmeldung von einem vertrauten, sozialen Gefüge bekommen.

 

Eine bewährte Methode, die nicht nur mit Bildungsprogrammen Veranstaltungen und Events speziell für Jugendliche, sondern auch schlicht einem Treff- und Anlaufpunkt für genannte Zielgruppe aufwartet, sind Institutionen wie Jugendtreffs/-zentren/-häuser etc. Diese Treffs existieren neben partei-, kirchlich oder institutionell geprägten Jugendorganisationen und sind zweckfreie Einrichtungen mit „Wohnzimmer-Charakter“. Neben einem unbeeinflussten Bildungsauftrag erfüllen sie auch den Wunsch Jugendlicher, sich außerhalb von Vereinen und Schule zu vernetzen. Während nicht Jede:r Anschluss zu kostenpflichtigen Freizeitaktivitäten hat, können solche Jugendeinrichtungen eben Jenen die Möglichkeit geben, sich an handwerkerischen und kreativen Aktivitäten zu versuchen oder auch einmal Verantwortung für ein Amt zu übernehmen und sich in Teamarbeit, „learning by doing“, zu schulen. Dies stärkt die Eigenverantwortung, das Selbstbewusstsein und den natürlichen Abnabelungsprozess von den Eltern, da Jugendliche sich in einem von übermächtigen Hierarchien und Leistungsdruck freien Raum austoben können und durch das Wirkungsgefüge einer Institution, die zwar eine Richtung weist, aber dennoch viel Platz für eigene Impulse und Mitarbeit lässt, an ihren Herausforderungen wachsen.

 

Während in Städten eine große Auswahl an solchen Einrichtungen, ob in privater, kirchlicher oder öffentlicher Hand, besteht, sind sie im ländlichen Raum kaum zu finden. Während es in Passau allein acht Jugendtreffs gibt, gibt es im gesamten Landkreis lediglich zwei kirchliche Jugendbüros in Pocking und Hauzenberg, das sich hauptsächlich auf Glaubensaktivitäten beschränkt. Dass es möglich wäre, Strukturen für mehr Jugendarbeit auf dem Land zu schaffen, zeigen Sportvereine und kirchliche Verbände.

 

Dabei wäre es gerade im ländlichen Raum wichtig, solche selbstverwalteten Zufluchtsorte zur Verfügung zu stellen. Da das ÖPNV-Netz auf dem Land nicht allzu flexibel ist und nicht Jede:r über ein eigenes Fahrzeug verfügt, geschweige denn in unmittelbarer Nähe zu einer größeren Stadt lebt, fehlt es an Angebot an und freier Auswahl der Freizeitgestaltung. Zwar zieht es junge Erwachsene immer häufiger in Ballungsräume und Städte, doch besteht auch ein Trend der Wiederkehr junger Familien in die Peripherie, weshalb ein Bedarf an Jugendeinrichtungen bestehen bleiben dürfte.

 

Räumliche wie zeitliche Isolation lassen Jugendlichen umso weniger Raum, sich abzunabeln und zu entfalten. Das enge Aufeinandersitzen mit der Familie und festgefahren sein im Altbekannten in einer krisenschwangeren Zeit wie der Pubertät birgt viel Konfliktpotential. Deshalb ist es besonders wichtig einen Ausgleich zu haben, der nicht an Geld, Interessen oder Hierarchien gebunden ist. Des Weiteren wären solche Jugendtreffs ein Anknüpfungspunkt, junge Menschen früh für den politischen Diskurs zu begeistern. Im ländlichen Raum ist ein solcher außerhalb von Schule und Gasthäusern eher nicht zu finden, in beiden Fällen ist mit einer inhaltlich freien Debatte eher nicht zu rechnen. Würde man diesen durch das Etablieren bestimmter Plattformen anbieten, ließe sich ein gewisser Trend zur Politikverdrossenheit und Unmut auf das „Establishment“, das „unerreichbar in den Großstädten thront“, abbauen. Auch könnten junge Menschen durch gezielte Projekte im voneinander Lernen für Themen wie sexuelle Identität und Geschlechtsidentität, Chancengleichheit, soziale Gerechtigkeit, Inklusion und Integration sensibilisiert und eingebettet werden.

 

Während der Bayerische Jugendring, die Kirchen und der Landessportverband ihnen untergeordnete Jugendarbeit bezuschussen, bleibt die weitere Unterhaltung in privater Hand. Mögliche Finanzhilfe erfahren Jugendzentren und die dort oft ehrenamtlich Arbeitenden höchstens durch Sponsoren oder die jeweiligen Gemeinden, welche allerdings häufig nicht über die entscheidenden Mittel verfügen. Der Freistaat Bayern muss den Gemeinden also unter die Arme greifen, um angemessene und angemessen flächendeckende Jugendzentren anzubieten.

 

Das Sozialgesetzbuch schreibt eine solche Förderung indirekt vor, siehe § 11 Abs. 1 SGB VIII : „Jungen Menschen sind die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen. Sie sollen an den Interessen junger Menschen anknüpfen und von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet werden, sie zur Selbstbestimmung befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregen und hinführen.“ Dass der Freistaat Bayern im Umsetzen dessen bisher gescheitert ist, scheint offensichtlich. Freie Träger der Jugendarbeit müssen mehr Unterstützung aus öffentlicher Hand erfahren. Während eine Kooperation mit Organisationen wie ELER (Europäischer Landwirtschaftsfonds für ländliche Entwicklung), dem Bundesjugendring und dem Bund der deutschen Landjugend wünschenswert ist, müssen die eigenverantwortlichen Institutionen ihnen gerecht werdende Mittel zur Verfügung gestellt bekommen, um dauerhaft ein interessantes Programm anbieten zu können. Denn hat ein Jugendzentrum erst einmal Zulauf, ist sein Bestehen vorerst gesichert und selbst befeuernd.

 

Konkrete Forderungen

       Flächendeckend eigenverantwortliche und nicht zweckgebundene Bildungseinrichtungen für junge Menschen schaffen, Ausbau solcher insbesondere im ländlichen Raum

       Entlastung der Gemeinden durch Bezuschussung von Jugendzentren durch den Freistaat Bayern

       Kooperation mit Dachverbänden, die in der Jugendarbeit tätig sind, aber nicht an eine höhere Institution (Kirche, Parteien, Sportverbände etc.) gebunden sind, beispielsweise ELER (Europäischer Landwirtschaftsfonds für ländliche Entwicklung), Bundesjugendring, Bund der deutschen Landjugend

Text des Beschlusses:

Die Jugend als Reifeprozess stellt den wohl prägendsten Abschnitt für die Identitätsfindung eines Menschen dar. Mag zwar die Ausprägung dieses Prozesses von Individuum zu Individuum differieren, so teilen junge Menschen dennoch gewisse Bedürfnisse;

Der Abnabelungsprozess vom Elternhaus mag ein solches sein, ebenso der Wunsch, eigene Stärken zu entdecken und auszubauen, selbstständig zu sein, neue Erfahrungen zu sammeln und, vor allem, sich mit Gleichaltrigen und / oder -gesinnten zu umgeben. Auch ist es im Jugendalter wichtig, eigene Grenzen und Schwächen zu erkennen, möglichst zu lernen, mit diesen umzugehen. Dies kann Jugendlichen nur gelingen, wenn sie die Chance haben, sich an Neuem auszutesten und dabei Rückmeldung von einem vertrauten, sozialen Gefüge bekommen.

 

Eine bewährte Methode, die nicht nur mit Bildungsprogrammen, Veranstaltungen und Events speziell für Jugendliche, sondern auch schlicht einem Treff- und Anlaufpunkt für genannte Zielgruppe aufwartet, sind Institutionen wie Jugendtreffs/-zentren/-häuser etc. Diese Treffs existieren neben partei-, kirchlich oder institutionell geprägten Jugendorganisationen und sind zweckfreie Einrichtungen mit „Wohnzimmer-Charakter“. Neben einem unbeeinflussten Bildungsauftrag erfüllen sie auch den Wunsch Jugendlicher, sich außerhalb von Vereinen und Schule zu vernetzen. Während nicht Jede:r Anschluss zu kostenpflichtigen Freizeitaktivitäten hat, können solche Jugendeinrichtungen eben Jenen die Möglichkeit geben, sich an handwerkerischen und kreativen Aktivitäten zu versuchen oder auch einmal Verantwortung für ein Amt zu übernehmen und sich in Teamarbeit, „learning by doing“, zu schulen. Dies stärkt die Eigenverantwortung, das Selbstbewusstsein und den natürlichen Abnabelungsprozess von den Eltern, da Jugendliche sich in einem von übermächtigen Hierarchien und Leistungsdruck freien Raum austoben können und durch das Wirkungsgefüge einer Institution, die zwar eine Richtung weist, aber dennoch viel Platz für eigene Impulse und Mitarbeit lässt, an ihren Herausforderungen wachsen.

 

Während in Städten eine große Auswahl an solchen Einrichtungen, ob in privater, kirchlicher oder öffentlicher Hand, besteht, sind sie im ländlichen Raum kaum zu finden. Dass es möglich wäre, Strukturen für mehr Jugendarbeit auf dem Land zu schaffen, zeigen Sportvereine und kirchliche Verbände.

 

Dabei wäre es gerade im ländlichen Raum wichtig, solche selbstverwalteten Zufluchtsorte zur Verfügung zu stellen. Da das ÖPNV-Netz auf dem Land nicht allzu flexibel ist und nicht Jede:r über ein eigenes Fahrzeug verfügt, geschweige denn in unmittelbarer Nähe zu einer größeren Stadt lebt, fehlt es an Angebot an und freier Auswahl der Freizeitgestaltung. Zwar zieht es junge Erwachsene immer häufiger in Ballungsräume und Städte, doch besteht auch ein Trend der Wiederkehr junger Familien in die Peripherie, weshalb ein Bedarf an Jugendeinrichtungen bestehen bleiben dürfte.

 

Räumliche wie zeitliche Isolation lassen Jugendlichen umso weniger Raum, sich abzunabeln und zu entfalten. Das enge Aufeinandersitzen mit der Familie und festgefahren sein im Altbekannten in einer krisenschwangeren Zeit wie der Pubertät birgt viel Konfliktpotential. Deshalb ist es besonders wichtig einen Ausgleich zu haben, der nicht an Geld, Interessen oder Hierarchien gebunden ist. Des Weiteren wären solche Jugendtreffs ein Anknüpfungspunkt, junge Menschen früh für den politischen Diskurs zu begeistern. Im ländlichen Raum ist ein solcher außerhalb von Schule und Gasthäusern eher nicht zu finden, in beiden Fällen ist mit einer inhaltlich freien Debatte eher nicht zu rechnen. Würde man diesen durch das Etablieren bestimmter Plattformen anbieten, ließe sich ein gewisser Trend zur Politikverdrossenheit und Unmut auf das „Establishment“, das „unerreichbar in den Großstädten thront“, abbauen. Auch könnten junge Menschen durch gezielte Projekte im voneinander Lernen für Themen wie sexuelle Identität und Geschlechtsidentität, Chancengleichheit, soziale Gerechtigkeit, Inklusion und Integration sensibilisiert und eingebettet werden.

 

Während der Bayerische Jugendring, die Kirchen und der Landessportverband ihnen untergeordnete Jugendarbeit bezuschussen, bleibt die weitere Unterhaltung in privater Hand. Mögliche Finanzhilfe erfahren Jugendzentren und die dort oft ehrenamtlich Arbeitenden höchstens durch Sponsoren oder die jeweiligen Gemeinden, welche allerdings häufig nicht über die entscheidenden Mittel verfügen. Der Freistaat Bayern muss den Gemeinden also unter die Arme greifen, um angemessene und angemessen flächendeckende Jugendzentren anzubieten.

 

Das Sozialgesetzbuch schreibt eine solche Förderung indirekt vor, siehe § 11 Abs. 1 SGB VIII : „Jungen Menschen sind die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen. Sie sollen an den Interessen junger Menschen anknüpfen und von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet werden, sie zur Selbstbestimmung befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregen und hinführen.“ Dass der Freistaat Bayern im Umsetzen dessen bisher gescheitert ist, scheint offensichtlich. Freie Träger der Jugendarbeit müssen mehr Unterstützung aus öffentlicher Hand erfahren. Während eine Kooperation mit Organisationen wie ELER (Europäischer Landwirtschaftsfonds für ländliche Entwicklung), dem Bundesjugendring und dem Bund der deutschen Landjugend wünschenswert ist, müssen die eigenverantwortlichen Institutionen ihnen gerecht werdende Mittel zur Verfügung gestellt bekommen, um dauerhaft ein interessantes Programm anbieten zu können. Denn hat ein Jugendzentrum erst einmal Zulauf, ist sein Bestehen vorerst gesichert und selbst befeuernd.

 

Konkrete Forderungen

–       Flächendeckend eigenverantwortliche und nicht zweckgebundene Bildungseinrichtungen für junge Menschen schaffen, Ausbau solcher insbesondere im ländlichen Raum

–       Entlastung der Gemeinden durch Bezuschussung von Jugendzentren durch den Freistaat Bayern sowohl bei deren baulichen Gestaltung als auch deren Unterhalt

–       Kooperation mit Dachverbänden, die in der Jugendarbeit tätig sind, aber nicht an eine höhere Institution (Kirche, Parteien, Sportverbände etc.) gebunden sind, beispielsweise ELER (Europäischer Landwirtschaftsfonds für ländliche Entwicklung), Bundesjugendring, Bund der deutschen Landjugend

 

Beschluss-PDF: