W-1 Geringverdiener*innen entlasten - Mehrwertsteuersenkung jetzt!

Antragsteller*innen: Jusos Oberbayern

Adressat*innen: Juso-Landeskonferenz

Geringverdiener*innen entlasten - Mehrwertsteuersenkung jetzt!

 

Wir Jusos wirken in der SPD darauf hin, dass eine Senkung der Mehrwertsteuer von 19 % auf 16 % in das Regierungsprogramm zur nächsten Bundestagswahl aufgenommen wird und wollen, dass die SPD das Thema auch in ihrer (wahrscheinlichen) Rolle als Oppositionspartei in der Legislaturperiode zwischen 2017 und 2021 vertritt. Ein mögliches Modell ist der Vorschlag des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin mit einer weiteren Senkung des ermäßigten Satzes um zwei Prozentpunkte von 7 % auf 5 % und einer Reform der Anwendungsfälle des ermäßigten Satzes. Stattdessen soll verstärkt der Schwerpunkt auf eine direkte, progressive Besteuerung gelegt werden.

Im Regierungsprogramm der SPD zur Bundestagswahl 2017 heißt es: „Für uns geht es um Steuergerechtigkeit. Wir wollen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit mittleren und kleinen Einkommen bei Steuern und Abgaben entlasten.“ Wenn man sich den Bereich Steuern genau anschaut, ergibt sich jedoch folgendes: Maximale Profiteure des Steuerkonzeptes der SPD für die Bundestagswahl 2017 wären, nach Berechnungen des Ökonomen Frank Hechtner der FU Berlin, Singles mit einem Bruttojahreseinkommen von 63 000 Euro. Einen solchen Verdienst erwartet man ganz sicher nicht bei einem Menschen mit kleinem Einkommen (durchschnittlicher Brutto-Jahresarbeitslohn eines Arbeitnehmers 2016: 33 396 Euro). Im Gegenteil: Das unterste Einkommensdezil zahlt überhaupt keine Einkommenssteuern. Es ist daher offensichtlich, dass eine wirksame steuerliche Entlastung der unteren Einkommensgruppen nicht durch Reformen der Einkommenssteuer zu erzielen ist.

Wie könnten untere Einkommensgruppen steuerlich entlastet werden?

Knapp die Hälfte des gesamten Steueraufkommens machen indirekten Steuern aus. Hierzu gehören z.B. die Tabak-, Alkohol-, Energie- und Versicherungssteuer und, der größte Posten, die Mehrwertsteuer. Während direkte Steuern wie Einkommens- und Unternehmensteuer progressiv sind, d.h. die Durchschnittsbelastung mit steigendem Einkommen zunimmt, verhalten sich indirekten Steuern regressiv, die Durchschnittsbelastung nimmt mit steigendem Einkommen ab: Das unterste Einkommensdezil muss 23 % seines Bruttoeinkommens für indirekte Steuern aufwenden, das oberste demgegenüber nur 7 %.

Da es nicht Ziel einer ökologisch und gesundheitspolitisch verantwortungsvoll handelnden Partei wie der SPD sein kann, die Tabak-, Energie- oder Alkoholsteuer zu senken, bliebe eine Senkung der Mehrwertsteuer. Diese teilt sich in einen Regelsatz (19 %, 92 % des Mehrwertsteueraufkommens) und einen ermäßigten Satz (7 %, z.B. auf Nahrungsmittel, Personenbeförderung im Nahverkehr, Presseartikel, Beherbergungsleistungen, Gesundheitsleistungen) auf. Eine Senkung des Regelsatzes um einen Prozentpunkt auf 18 % ergibt eine Entlastung um bzw. Mindereinnahmen von 11 Milliarden Euro. Eine Senkung des ermäßigten Steuersatzes um zwei Prozentpunkte auf 5 % erscheint primär nur für Güter des existentiellen Bedarfs sinnvoll (Nahrungsmittel, öffentlicher Personennahverkehr). Einige weitere Ermäßigungen (Stichwort „Hotelsteuer“) stellen eher einseitige Subventionen dar und können entfallen. Bei einer restriktiven Verwendung des ermäßigten Steuersatzes auf oben genannte existentielle Güter und Senkung auf 5 % beliefen sich die Mindereinnahmen auf 3,8 Milliarden Euro. Insgesamt schlägt die durch das DIW vorgeschlagene Reform daher mit 14,8 Milliarden Euro zu Buche.

Einschränkend muss jedoch erwähnt werden, dass eine Senkung der Mehrwertsteuersätze (Regel- und ermäßigter Satz) von den Unternehmen nicht zwangsläufig an den Verbraucher weitergegeben werden müssten. Ökonomen haben berechnet, dass die temporäre Senkung des Mehrwertsteuersatzes von 17,5 % auf 15 % im Vereinigten Königreich zwischen Dezember 2008 und Januar 2010 zu einem großen Teil (zumindest initial) an den Verbraucher weitergegeben wurde und zu vermehrtem Konsum geführt hat. Entscheidend ist hierbei auch ein hinreichender Wettbewerb innerhalb der jeweiligen Branche.

Es ist Zeit für eine Senkung der Mehrwertsteuer!

Im Regierungsprogramm zur Bundestagswahl 2005 lehnte die SPD eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ab, die Union wiederum forderte eine Erhöhung des Regelsatzes um zwei

Prozentpunkte von 16 % auf 18 %. Schlussendlich kam es 2006 in der Großen Koalition zu einer Steigerung des Regelsatzes um drei Prozentpunkte von 16 % auf 19 %, welcher bis heute gilt.

Dieser Glaubwürdigkeitsverlust der SPD muss bei einer kommenden Regierungsbeteiligung auf Bundesebene korrigiert werden. Da das Bundesfinanzministerium nach einer aktuellen Schätzung von weiter steigenden Steuereinnahmen bis 2021 ausgeht, ist die kommende Bundestagswahl ein idealer Zeitpunkt, eine Reform der Mehrwertsteuer zu fordern. Zusammen mit einer Reduktion der Sozialabgaben, die bereits im Regierungsprogramm zur Bundestagswahl 2017 genannt ist, ist eine Senkung der Mehrwertsteuer eine wirksame Entlastung für Menschen mit kleinem Einkommen. Zudem gilt: Da sich auch die mittleren und oberen Einkommensgruppen über geringere Verbraucherpreise freuen, dürften breite Bevölkerungsschichten Mehrwertsteuersenkungen positiv aufnehmen.

1 Stefan Bach und Niklas Isaak (2017): Senkung der Mehrwertsteuer entlastet untere und mittlere Einkommen am stärksten. DIW Wochenbericht Nr. 31 (online verfügbar).

2 „Es ist Zeit für mehr Gerechtigkeit: Das Regierungsprogramm 2017 bis 2021“, S. 49 (online verfügbar).

3 „Wer wirklich vom Steuerkonzept der SPD profitiert“, http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/steuern-spd-plant-entlastungen-bis-in-die-obere-mittelschicht-1.3564368. Abgerufen am 20.10.2017 (kostenpflichtig online verfügbar).

4 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/164047/umfrage/jahresarbeitslohn-in-deutschland-seit-1960/

5 Stefan Bach, Martin Beznoska und Viktor Steiner (2016): Wer trägt die Steuerlast in Deutschland? Steuerbelastung nur schwach progressiv. DIW Wochenbericht Nr. 51+52 (online verfügbar).

6 Richard Blundell (2009): Assessing the Temporary VAT Cut Policy in the UK. Fiscal Studies 30 (1), 31–38 (online verfügbar); Thomas Crossley, Hamish Low und Cath Sleeman (2014): Using a temporary indirect tax cut as a fiscal stimulus: evidence from the UK. IFS Working Paper W14/16 (online verfügbar, teilweise kostenpflichtig).

7 „VERTRAUEN IN DEUTSCHLAND. Das Wahlmanifest der SPD.“, S. 39 (online verfügbar).

8 „Deutschlands Chancen nutzen. Wachstum. Arbeit. Sicherheit.“, S.13 ff. (online verfügbar).

9 Siehe „Haushaltsbegleitsgesetz 2006“ (online verfügbar).

10 „Ergebnis der 151. Sitzung des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ vom 9. bis 11. Mai 2017 in Bad Muskau“ (online verfügbar).

11 „Es ist Zeit für mehr Gerechtigkeit: Das Regierungsprogramm 2017 bis 2021“, S. 48 ff. (online verfügbar).

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