Einleitung
Das Awarenessteam
Organisation
Arbeitsweise
Erreichbarkeit
Vertraulichkeitsprinzip
Definitionsmachtprinzip
Konsensprinzip
Parteilichkeitsprinzip
Übergriffiges Verhalten
Grenzen des Awarenessteams
Aufgaben
Das Awarenessteam auf Freizeit- und Abendveranstaltungen, insbesondere auf Partys:
Prävention
FLINTA*-Vernetzung und Männerreflexion
Rhetorikseminar
BIPOC-Empowerment:
Alkoholkonsumverhalten
Mitgliederbildung
Eskalationsstufen
Gemeinsamer Konsens der Jusos Bayern
Anhang
Weiterführende Informationen
Ansprechstellen/Notrufnummern Glossar1
Einleitung
Als Jungsozialist*innen ist der emanzipative Anspruch nicht nur in der politischen Arbeit, sondern auch im persönlichen Handeln und im Zusammenspiel der Gruppe unsere Aufgabe. Eine befreite Gesellschaft oder im kleineren Rahmen, einen möglichst diskriminierungsfreien Raum zu schaffen, ist dabei für jedes Mitglied unserer Gruppe ein konstantes und dauerhaftes Ziel.
Dabei ist unsere kapitalistische und patriarchale Gesellschaft eben keine befreite Gesellschaft, sondern von vorherrschenden Diskriminierungs- und Herrschaftsverhältnissen geprägt und durchdrungen. Diese unterdrückenden Verhältnisse setzen sich dabei auch in unseren Strukturen fort. Aus diesem Widerspruch zwischen emanzipativem Anspruch und diskriminierendem Denken und Handeln erwächst die Notwendigkeit, sich in unserer politischen Arbeit, in unseren Strukturen und in unserem persönlichen Handeln damit auseinander zu setzten und die Diskriminierungs- und Herrschaftsverhältnisse durch respektvollen und aufmerksamen Umgang auf- und abzufangen. Durch den bewussten Umgang mit den eigenen Privilegien und bestehenden Machtstrukturen und das konstante Reflektieren über die eigenen Stereotypen und Vorurteile soll ein Safer Space für alle Mitglieder und Interessierte geschaffen werden.
Unsere Gesellschaft ist vielfältig. Dabei bleibt kein Platz für Diskriminierung und Ausgrenzung! Wir setzen uns dafür ein, dass auch BIPOC (Black & Indigenous People of Colour) frei von Ausgrenzung, Bevormundung und Verfolgung leben können. Wir möchten diese Menschen empowern und ihnen die Möglichkeit geben, sich selbst zu entfalten und selbstbestimmt nach vorne zu gehen und Verantwortung zu übernehmen.
Die Awarenessarbeit soll dieses Ziel unterstützen und umfasst Prävention – die Schaffung von Bedingungen, die die Möglichkeit von Diskriminierung und Gewalt minimieren – und konkrete Unterstützungsangebote für Personen, denen Diskriminierung oder Gewalt widerfahren ist bzw. widerfährt.
In diesem Awarenesskonzept sollen dabei sowohl die Organisation, die Arbeitsweise und das zentrale Aufgabenspektrum des Awarenessteams umrissen werden, als auch ein grundlegender Konsens aller Mitglieder im Umgang miteinander festgehalten werden. Trotzdem befreit die Existenz eines Awarenessteams andere Teilnehmende nicht von rücksichtsvollem Verhalten, Awareness bleibt Aufgabe und Ziel für alle innerhalb und außerhalb unseres Verbands.
Das Awarenesskonzept zeigt eine Momentaufnahme in einem andauernden Prozess, im Verband ein reflektiertes und möglichst sicheres Umfeld für alle Menschen, die sich unseren Werten und Zielen verpflichtet fühlen, zu schaffen.
Das Awarenessteam
Organisation
Das mit mindestens 50% FLINTA*s besetzte Awarenessteam besteht aus mindestens drei Personen, je nach Größe der Struktur sollte auch das Awarenessteam entsprechend vergrößert werden. Ein Platz ist dabei vorrangig an tin*-Personen zu vergeben. Langfristig ist das Ziel, dass, nach Möglichkeit, gewählte Mitglieder einer Ebene nicht auf dieser Ebene auch im Awarenessteam Mitglied sind.
Das Awarenessteam wird auf einer Konferenz der jeweiligen Ebene mit Neuwahlen für ein Jahr gewählt, nach Bedarf auch früher. Das Awarenessteam stellt einen festen Tagesordnungspunkt einer jeden Vorstandssitzung dar, bei dem dann auch Nicht-Vorstandsmitglieder aus dem Awarenessteam anwesend sein dürfen, allerdings ausschließlich bei diesem Tagesordnungspunkt.
Alle Mitglieder des Vorstands sind verpflichtet, bei Fragen des Awarenessteams, welche die Arbeit des Vorstands betreffen, Auskunft zu geben.
Arbeitsweise
Erreichbarkeit
Das Awarenessteam kann jederzeit über direktes Ansprechen oder Anschreiben erreicht werden. Die Wahl, welches Mitglied des Awarenessteams mit einem Fall betraut oder kontaktiert wird, obliegt alleine den Betroffenen. Zu Beginn einer Veranstaltung werden die Kontaktdaten der Mitglieder des Awarenessteams zugänglich gemacht, ausgehängt werden und im Idealfall das Team selbst kurz vorgestellt. Pro Jahr führt das Awarenessteam eine anonyme Umfrage durch, bei der das allgemeine Wohlbefinden der Mitglieder abgefragt wird. Die Umfrage soll vor dem Ende der Amtszeit des jeweiligen Teams stattfinden.
Vertraulichkeitsprinzip
Allgemein geht das Awarenessteam vertraulich mit Aussagen, Bitten, Beschwerden oder Hilfegesuchen von Betroffenen um.
Definitionsmachtprinzip
Die Definitionsmacht der betroffenen Person wird respektiert, das bedeutet, dass die erlebte Grenzüberschreitung nicht in Frage gestellt wird. Dazu gehört auch, dass die geteilten Informationen vertraulich behandelt und nicht gewertet werden.
Konsensprinzip
Das Awarenessteam arbeitet nach dem Konsensprinzip, also es handelt nur auf Wunsch und nach Absprache mit der betroffenen Person, denn die betroffene Person weiß am besten, was ihr hilft und sollte dabei keinesfalls durch das Team bevormundet werden.
Gleichzeitig gibt es die Problematik, dass auch das Konsensprinzip Grenzen hat. Hierbei kann das
Awarenessteam auch ohne Konsens aktiv werden, falls durch Nichthandeln die Sicherheit der Gruppe und einzelner Menschen in der Gruppe gefährdet ist. Die betroffene Person wird auch unterstützt, wenn sie sich entscheidet, strafrechtliche Konsequenzen zu ziehen. In unklaren Situationen hält das Awarenessteam mit dem Juso-Landesbüro Rücksprache über das weitere Vorgehen und greift gegebenenfalls auf parteiinternen juristischen Rat zurück. Es muss auch klar sein, dass bei unserem Handeln das Wohl der Betroffenen immer oberste Priorität hat. Gerade bei Minderjährigen sind wir erziehungsbeauftragt und deshalb besonders verantwortlich.
Parteilichkeitsprinzip
Parteilich zu sein, ist eine politische und bewusst getroffene Entscheidung mit dem Ziel, Betroffene in einer Gesellschaft, die von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, also u.a. rassistischen, ableistischen, patriarchalen, hetero- und cis-normativen, altersbasierenden und sexistischen Machtverhältnissen, geprägt ist, solidarisch zu unterstützen. In seiner Arbeit ist das Awarenessteam immer auf der Seite der betroffenen Person. Es ist keine Form der Mediation, sondern es geht lediglich darum solidarisch nach Lösungen zu suchen, wie es der betroffenen Person wieder besser gehen kann. Dabei geht es zentral darum, das Empowerment der betroffenen Person zu unterstützen und Machtverhältnisse zu Gunsten der betroffenen Person zu verschieben.
Übergriffiges Verhalten
Übergriffiges Verhalten ist jedes Verhalten, das Grenzen nicht respektiert und/oder bewusst überschreitet. Das kann von einer Körperhaltung, einem Spruch oder einem Kommentar bis hin zu Berührungen und gezielter Einschüchterung alles sein.
Grenzüberschreitungen
Grenzüberschreitungen sind individuell und nicht verhandelbar. Jede Grenzüberschreitung ist als solche anzuerkennen und zu reflektieren.
Grenzüberschreitungen können sein:
Körperliche, sexualisierte und verbale Gewalt
Rassistisches und diskriminierendes Verhalten
Ableismus
Bevormundungen
Missachtung der besprochenen Grenzen
Misgendern, Verwendung falscher Pronomen, Deadnaming
Heteronormativität und LGBTIAQ-feindliche Aussagen sowie Verhalten
Handlung ohne Rückversicherung
Gutgemeinte Komplimente und benevolenter Sexismus
Aufgenötigte Interaktion / Dominantes Verhalten
Stereotypisches Verhalten (FLINTA*s sind für Feminismus zuständig)
Lookism
Männlich dominantes Redeverhalten
Mann als Norm (FLINTA*s sind außerhalb der Norm) vermeintliche Witze
Altersdiskriminierenden Verhaltens, beispielsweise die unbegründete Benachteiligung,
Diffamierung oder Exklusion jüngerer oder minderjähriger Menschen
Unser Ziel ist es, Grenzüberschreitungen zu vermeiden. Es soll ein respektvoller und sensibler Umgang im Miteinander herrschen.
Grenzen des Awarenessteams
Das Awarenessteam fungiert ausdrücklich nicht als Security, Türsteher*innen, Therapeut*innen oder Psycholog*innen, entsprechende Hilfe kann aber über das Awarenessteam vermittelt werden. Das Awarenessteam muss die Grenzen der eigenen Arbeit kennen und auch diese anerkennen, insbesondere in Bedrohungsszenarien. Diese Grenzen können dabei auf der Ebene des Teams gerade auch sein, dass es zu einem schwerwiegenden Fall an Gewalt kam, welcher die Fähigkeiten, Möglichkeiten oder Grenzen eines Awarenessteams überschreitet und erfordert Hilfe von anderen Organisationsebenen oder außenstehenden Expert*innen zu suchen.
Das Awarenessteam fungiert gegenüber den jeweiligen Vorständen und Organisationsgruppen als Beratungsgremium. Das Awarenessteam hat im Zweifel keine Entscheidungsbefugnisse für organisatorische, politische oder verfahrenstechnische Belange. Das jeweilige Vorstandsgremium kann Teile seiner Kompetenzen an das Awarenessteam übergeben, darunter auch die in den Eskalationsstufen beschriebenen Maßnahmen.
Auf der individuellen Ebene ist zudem wichtig, dass die Mitglieder des Awarenessteams ihre eigenen Grenzen kennen und anerkennen müssen, insbesondere in Bedrohungsszenarien. Alle Mitglieder sollten über die Grenzen, Erfahrungen und Fähigkeiten der jeweils anderen Mitglieder Bescheid wissen. Die gemeinsame Absprache und Koordination sind daher im Vorfeld wichtig, um gerade für eskalierende, unübersichtliche oder verwirrende Konflikte gewappnet zu sein.
Grenzen von Personen des Awarenessteam können dabei speziell bei Szenarien in denen körperlicher Gewalt, Bedrohung (physische Gewalt, Waffen, etc.), Verletzungen, sowie medizinische Notfälle oder auch die eigene Überforderung (z.B. durch Überschreitung der eigenen körperlichen und psychischen Grenzen) vorkommen.
Sollte eine Person aus dem Awarenessteam in einem Awarenessfall betroffen sein, ist es Aufgabe des restlichen Teams die Person zu unterstützen, die betroffene Person kann dabei nicht als Mitglied des Awarenessteams fungieren. Sollte ein Mitglied des Awarenessteams einen Fall auslösen, oder beteiligt sein, wenden sich die anderen Mitglieder des Teams, wenn möglich, an das Awarenessteam der nächsthöheren Ebene. Es ist zu prüfen, ob das Mitglied weiterhin Teil des
Awarenessteams sein darf. Das Amt erlischt, wenn die Person gegen Gesetze, Grundsätze unserer Arbeit oder das Awarenesskonzept verstößt, die nicht mit dem Amt vereinbar sind. Vor der endgültigen Entscheidung durch das Awarenessteam hat die Person in diesem Kreis auch das Anhörungsrecht. Während der Aufarbeitung des Awarenessfalls soll die Person keine neuen Fälle annehmen, das Amt ruht solange. Ist der Fall entlastend abgeschlossen, kann das Amt wieder aufgenommen werden.
Aufgaben
Die jeweiligen Vorstände stellen sicher, dass das Awarenessteam die finanziellen Mittel, den Raum
und die Ressourcen bekommen, um seine Aufgaben zu erfüllen. Die Aufgaben des Awarenessteams umfassen dabei:
Die Prävention und Sensibilisierung im Vorfeld von Veranstaltungen und innerhalb der Gruppe durch Workshops, Schulungen oder Weiterbildungsangebote, um das Thema “Awareness” fest zu verankern. Das bedeutet, dass sich das Team bei Seminaren weiterbilden lässt, aber auch Seminare vom Team für die Gruppe gegeben werden. Gewünscht wird auch der Austausch mit anderen Awarenessteams für bessere Arbeit. Schulungen sollen in einem Maximalintervall von sechs Monaten stattfinden. Bei Neuwahlen muss eine Schulung innerhalb von zwei Monaten stattfinden.
Awarenessteams haben bei Bedarf ein Recht auf Supervision.
Die Institutionalisierung der Awarenessarbeit bei Klausurtagungen, Seminaren und weiteren Veranstaltungen, durch Reflektion und Aufarbeitung in der Gruppe.
Das Awarenessteam trifft und berät sich vor und während einer Veranstaltung regelmäßig. Am
Ende eines jeden Veranstaltungstages sollte es einen Bericht des Awarenessteams an die Gruppe geben. Feedback ist wichtig. Jedoch dürfen in diesem Bericht keine Namen oder Anspielungen fallen.
Die Präsenz und Aktivität des Teams bei Sitzungen und Veranstaltungen, um bei Grenzüberschreitungen für betroffene Personen als Ansprech- und Vertrauenspersonen unterstützend da zu sein und einen geschützten Rückzugsraum von Konflikten zu stellen.
Das Awarenessteam soll auch selbst aktiv werden, wenn es merkt, dass Menschen sich vielleicht nicht wohlfühlen. Das beinhaltet, die betroffene Person anzusprechen und nach Zustimmung einzugreifen, aber auch Rücksprache mit dem Rest des Teams zu halten. Die anonymisierte Dokumentation von Fällen grenzüberschreitenden Verhaltens.
Die Koordination von Reflektion und Auswertung nach Veranstaltungen und Sitzungen, um sich gemeinsam mit den Verantwortlichen über Probleme, Schwierigkeiten, Konflikte und Erfolge auszutauschen und Verbesserungsvorschläge zu sammeln. Bereits vergangene Awarenessfälle sollen zudem aufgearbeitet werden.
Das Erstellen und Auswerten der allgemeinen Umfrage. Die Umfrage soll anonymisiert die
Möglichkeit bieten zurückzumelden, wie das Wohlbefinden einzelner Personen im Kreis der Jusos ist und bildet dabei das Gegenstück zu den persönlichen Gesprächen mit einem Mitglied des Awarenessteams.
Ein Gespräch mit Neumitgliedern, um das Awarenessteam direkt vorzustellen und zudem gleich zu Beginn auf grundlegende Verhaltensweisen bei den Jusos hinzuweisen. Dabei geht es auch darum über mögliche Konsequenzen und Sanktionen bei anti-emanzipatorischem oder übergriffigem Verhalten hinzuweisen. Auf der Ebene, auf der Neumitglieder das erste Mal Kontakt aufnehmen, sollen Erstgespräche zum schnellstmöglichen Termin stattfinden, was auch vor oder nach einer Sitzung sein kann.
Auf Neumitgliederseminaren stellt sich das jeweilige Awarenessteam persönlich vor und der Awarenessleitfaden wird an die Mitglieder und Interessent*innen verteilt.
Das Awarenessteam auf Freizeit- und Abendveranstaltungen, insbesondere auf Partys:
Die Mitglieder des Awarenessteams, die sich für den entsprechenden Teil der Veranstaltung als zuständig gemeldet haben, müssen währenddessen nüchtern sein, um ihrer Verantwortung gerecht zu werden.
Wir haben auf unseren Veranstaltungen das Hausrecht und dürfen im Ernstfall jemanden der Veranstaltung verweisen. Wird vom Hausrecht Gebrauch gemacht, muss dies umgehend an den*die Juso-Landesgeschäftsführer*in weitergegeben werden.
Sollte sich die Gruppe (beispielsweise während der Abendgestaltung) aufteilen, versucht das Awarenessteam an allen Orten präsent zu sein. Beispielsweise durch regelmäßige Rundgänge.
Stark alkoholisierte bzw. unter Drogeneinfluss stehende Personen sollten durch Auftrag vom Awarenessteam auf dem Heimweg begleitet werden.
Im Eingangsbereich auf Awarenessteam aufmerksam machen.
Zu Beginn einer jeden Party wird jeder Person ein gesonderter Awarenessleitfaden für Partys in ausgedruckter Form gegeben (Din A5-Format). Insbesondere für cis-Männer ist es essentiell, dass das Konzept gelesen, verinnerlicht und gelebt wird. Das Awarenessteam fragt eine Zustimmung zum Konzept zu Beginn der entsprechenden Veranstaltung ab.
Rückzugs-Beratungsraum bieten!
Ähnlich wie bei “Luisa ist hier” wird auf Präsenzveranstaltungen in der FLINTA*-Vernetzung ein entsprechendes Kennwort ausgegeben. Zusätzlich wird ein weiteres, allen bekanntes Kennwort ausgegeben.
Prävention
Zuallererst muss klar sein, dass Prävention nicht nur Aufgaben des Awarenessteams ist, sondern
Aufgaben des gesamten Verbands. Das Awarenesskonzept muss allen Mitgliedern zugänglich sein (Ausdruck, Website, per Mail verschicken, …) und auf Präsenzveranstaltung in gedruckter Form vorliegen.
FLINTA*-Vernetzung und Männerreflexion
FLINTA*-Vernetzungen und Männerreflexionen werden auf allen partizipativen Veranstaltungen durch die Tagesordnung fest verankert und festgelegt. Bei mehrtägigen Veranstaltungen ist an jedem Tag ein solcher Tagesordnungspunkt dafür einzuräumen. Für beide Gruppen muss im Voraus ein Konzept vorliegen und zuständige Personen benannt werden, die Verantwortlichkeit hierfür liegt nicht automatisch in der Zuständigkeit des Awarenessteams, sondern bei der veranstaltenden Ebene. Die Männerreflexion findet in Kleingruppen statt und wird durch ein Tandem aus einem Mann und einer FLINTA*-Person moderiert.
Rhetorikseminar
Um sich um Debatten und auf Veranstaltungen sicher fühlen zu können, sollen Rhetorikseminare, wie beispielsweise dem jährlichen FLINTA*-Rhetorikseminar, aber auch Workshops zu “FLINTA*s in Debatten und welche Rhetorik wende ich an” genutzt werden.
BIPOC-Empowerment:
Wir setzen uns dafür ein, dass sich intensiv mit dem Thema „Critical Whiteness“ auseinandergesetzt wird und vermeintlich weiße Machtstrukturen aufgebrochen werden. Gerade weiße cis-Männer sind diejenigen, die privilegiert durchs Leben gehen und sich gegen die Gleichberechtigung der Geschlechter, aber auch bevormundend vor BIPOC stellen.
Die Jusos stehen als Allys allen marginalisierten Gruppen zur Seite und unterstützen den antirassistischen & anti-sexistischen Kampf in unserer Gesellschaft. Deshalb wollen wir auch bei uns BIPOC-Vernetzungen und Workshops und Veranstaltungen zur Aufklärung und Sensibilisierung unserer eigenen Mitglieder implementieren.
Alkoholkonsumverhalten
Nichtalkoholische Getränke sind stets günstiger als alkoholische Getränke. Wir rufen zum Verzicht von harten alkoholischen Getränken (15%), wie beispielsweise Spirituosen, bei unseren Veranstaltungen auf. Das Awarenessteam weist darauf hin, dass viele Übergriffe unter Alkoholeinfluss stattfinden und dass dieser keine Entschuldigung darstellt, sich falsch zu verhalten.
Als Abendveranstaltung wird eine Option in der Nähe der Übernachtungsmöglichkeit angeboten, bei der keine Rauschmittel konsumiert werden und zu der bereits betrunkenen Menschen keinen Zugang haben.
Mitgliederbildung
Der Vorstand prüft Möglichkeiten zur Bildung der eigenen Mitglieder, um feministische Ziele und Handlungsgrundsätze zu etablieren. Vordergründig gehören hierzu Seminare und EmpowermentMöglichkeiten.
Beispiele hierfür sind:
Grundlagenseminare Feminismus
Feministisches Viertel (thematischer Input zu feministischen Themen) zu Beginn jeder Sitzung Mentor*innenprogramme
Eskalationsstufen
Die folgenden Eskalationsstufen dienen als Grundlage auf Basis derer Konsequenzen bei antiemanzipatorischem und übergriffigen Verhalten folgen. Dabei können Schritte, je nach Schwere des Übergriffs, übersprungen werden. Außerdem soll explizit darauf hingewiesen werden, dass Schritte auch eingeleitet werden können, wenn die betroffene Person nicht mehr aktiv sein möchte oder ist.
Das Ergreifen der Stufen 1-3 sind alleinige Kompetenz des Awarenessteams, nach Absprache mit der betroffenen Person, insofern kein Awarenessteam gewählt ist, ist der Vorstand vertretend zuständig. Das Ergreifen der Stufen 4-5 sind durch das Awarenessteam unter Information des Vorstands, insofern kein Awarenessteam gewählt ist, dem Vorstand allein, der Gruppe der Anwesenden vorzuschlagen. Der Ausschluss kann nach dem Vorschlag, je nach Veranstaltung, durch das Tagungspräsidium, die Teamenden oder den*die Landesgeschäftsführer*in erfolgen. Die Folgen der Stufen 4-5 erfolgen nach einer Aussprache, wobei dies in der Einladung explizit angekündigt werden muss.
- Verwarnung/erstes Gespräch mit dem Awarenessteam
- Zweites Gespräch mit dem Awarenessteam mit Ankündigung konkreter Konsequenzen
- Offene Aussprache auf der Versammlung/ Veranstaltung (die Namen der Betroffenen werden je nach Wunsch anonymisiert)
- Ausschluss auf Zeit
- Sitzungsausschluss
- Informieren von anderen Juso-Strukturen und Parteiebenen, auf der die Person aktiv ist
- gemeint sind hier die Vorstände der jeweiligen Unter- und Übergliederungen
- Ausschluss aus allen Juso-Aktivitäten
- Dauerhaft Ausschluss
- Sitzungsausschluss
- Informieren von anderen Juso-Strukturen und Parteiebenen, auf der die Person aktiv ist
- gemeint sind hier die Vorstände der jeweiligen Unter- und Übergliederungen
- Ausschluss aus allen Juso-Aktivitäten
Weitere mögliche Sanktionen:
Rederechtsentzug auf Konferenzen durch das Tagungspräsidium
bei besonders schwerwiegenden Taten kann es zu einem Ämterentzug durch eine parteiliche Schiedskommission kommen Hausrechtsnutzung
Gemeinsamer Konsens der Jusos Bayern
Damit sich in unserer Gruppe alle Menschen, welche unsere Grundsätze und Prinzipien umgesetzt sehen wollen, wohl fühlen und sich ohne Diskriminierung oder Angst politisch engagieren können, reicht ein Awarenessteam allein nicht aus. Jedes noch so gute Awarenesskonzept ist unnütz, wenn aggressives, diskriminierendes und übergriffiges Verhalten, Klüngeleien oder Täterschutz die Gruppe dominieren.
Von Feminismus, Solidarität und Emanzipation zu reden, ohne sie sowohl persönlich als auch innerhalb der Gruppe umzusetzen, ist Heuchelei und wird durch noch so viele Konzepte und Teams nicht aufgewogen.
Eine offene, solidarische und feministisch-emanzipative Gruppenkultur ist aber nicht Aufgabe von ein paar gewählten Personen, sondern ständige Aufgabe für jede*n Einzelne*n. Das bedeutet, dass wir grundsätzlich rücksichtsvoll miteinander umgehen und Verständnis füreinander aufbringen, was nicht mit Toleranz von übergriffigen Verhalten zu verwechseln ist. Uns ist bewusst, dass gerade unerfahrene Mitglieder nicht immer mit unseren Zielen und Werten sozialisiert wurden.
Wir erkennen die negativen Einflüsse des kapitalistischen Patriarchats an, deshalb vermeiden wir
Vorverurteilungen aufgrund von Aussagen, die nicht aus Überzeugung, sondern aus einer Verbalsozialisation heraus getätigt werden und unterstützen deshalb diese Mitglieder aus sozialistischer Solidarität in ihrer Weiterentwicklung.
Um eine entsprechende Gruppenkultur zu schaffen und zu erhalten, ist es unerlässlich, dass innerhalb der Gruppe einen Grundkonsens besteht, was Verhalten und Handeln angeht.
Von allen Mitgliedern der Jusos wird anerkannt, … dass anti-emanzipatorisches und grenzüberschreitendes Verhalten in einer Runde nicht toleriert, darüber geschwiegen oder verteidigt wird;
dass die Solidarität nicht der übergriffigen Person, sondern der betroffenen Person bzw. der Person gilt, welche das Verhalten kritisiert; dass Täter*innen aus Strukturen werfen feministische Praxis ist, wobei die Eskalationsstufen in diesem Papier als Grundlage der Konsequenzen zu sehen sind; dass wir selbstständig auf unser eigenes Handeln und Verhalten achten und dieses reflektieren, gerade im Hinblick auf unser Redeverhalten und Sprachgebrauch sowie unser Verhalten gegenüber anderen Personen; dass wir zum Ziel haben, eine bessere Awareness gegenüber uns selbst und anderen zu haben und wir bestmöglich versuchen feministisch-emanzipatorisches Denken und Handeln bei uns zu erreichen; dass wir versuchen, unsere Veranstaltungen barrierearm zu gestalten; dass wir uns unserer nicht-diversen Gruppenzusammensetzung bewusst sind und diese auflösen möchten;
dass unsere Mandatsträger*innen dazu verpflichtet sind, Seminare zu dem Thema Awarenessarbeit zu besuchen; dass wir auf allen Ebenen der Partei die Awarenessarbeit einfordern;
dass in unseren Sitzungen ein vernünftiger und verhältnismäßiger Drogenkonsum, speziell Alkoholkonsum, unter Rücksicht auf die anderen Anwesenden stattfindet, was auch nach der Sitzung gilt; Raucher*innenpausen werden eingeplant, um das Rauchen in der Sitzung selbst zu vermeiden;
dass, falls eine oder mehrere Personen den Drogenkonsum unangenehm findet, wir den Drogenkonsum entsprechend verändern oder begrenzen.
Über die Einhaltung des Konzepts wird auf Konferenzen unter dem Punkt Gleichstellungsbericht Rechenschaft abgelegt.
Der Vorstand verpflichtet sich durch Unterschrift zur Einhaltung des hier vereinbarten Konsenses.
Anhang
Weiterführende Informationen
Der Respect-Guide (i-Päd Berlin):
“Antisexistische Awareness – Ein Handbuch” Ann Wiesental (2021):
Awarenesskonzepte von anderen Gruppen, Beispiel “Autonomes Feministisches Referat Universität Bremen”:
Leitfaden der Interventionistischen Linken zum Umgang mit sexualisierter Gewalt:
IUSY, 2019, „A Toolkit for the Feminist Fight”:
Ansprechstellen/Notrufnummern profamilia Passau:
Igel e.V. Passau:
Telefonseelsorge: 0800-111 0 111 oder 0800-111 0 222
Glossar
Allies: Eine nicht-queere Person, die sich für die Rechte von LSBTIQ* einsetzt, kann als „Ally“ bezeichnet werden, was sich aus dem Englischen als „Verbündete*r“ übersetzen lässt.
„aware sein“: sich bewusst sein, sich informieren und für gewisse Problematiken sensibilisiert sein
„Awareness“: gegen jede Form von Grenzverletzung, Gewalt und Diskriminierung; als ein machtkritisches Bewusstsein
Betroffene: Betroffene sind in diesem Kontext Menschen, die Gewalt und/oder Diskriminierung erleben oder erlebt haben. Das kann unabhängig von deren Geschlecht oder anderen Merkmalen sein. Wir verzichten absichtlich auf den Begriff des „Opfers“, weil ihn viele als entmündigend und passiv-machend erleben. Und gerade zu handeln und sich als aktiv und Entscheidungen treffend erleben, kann ein wichtiges Gefühl sein, um mit Situationen der Ohnmacht umzugehen.
Cis: Der Begriff wird benutzt, um Menschen zu bezeichnen, deren Geschlechtsidentität der Kategorie entspricht, die ihnen bei der Geburt zugeordnet wurde (männlich/weiblich).
Deadnaming: Deadname bezeichnet bei einer Person, die einen neuen Vornamen angenommen hat, den alten, von der betreffenden Person nicht mehr verwendeten Vornamen. Dies ist üblicherweise bei trans und nicht-binären Personen der Fall. Deadnaming bezeichnet die Verwendung des Deadnames einer Person.
Community Accountability: Community Accountability (kollektive Verantwortungsübernahme) ist eine auf das soziale Umfeld abzielende Strategie, um Formen von Gewalt innerhalb von Communities zu begegnen, die sich bewusst nicht auf die Polizei oder das Justizsystem bezieht.
FLINTA*s und warum wir das L drinnen lassen: Das Akronym FLINTA* steht für Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, trans und agender Personen. Also all jene, die aufgrund ihrer
Geschlechtsidentität patriarchal diskriminiert werden. Weiterhin zu den einzelnen Buchstaben: Misgendern: Im Sprachgebrauch verwenden Menschen in den meisten Fällen geschlechtsspezifische Pronomen, wenn sie über jemanden in der dritten Person sprechen, z.B. „er“ oder „sie“. Dabei weisen sie diese Pronomen meistens unbewusst einer Person zu, so wie sie gelernt haben, wofür „er“ und „sie“ steht. Wenn sich Menschen mit der äußeren Zuordnung durch anderen Menschen als „er“ oder „sie“ wohlfühlen, kann dies unproblematisch sein. Es gibt aber auch Menschen, die sich entweder durch die beiden Wörter nicht repräsentiert fühlen, oder die von anderen als „sie“ bezeichnet werden, obwohl diese Menschen „er“ bevorzugen würden und umgekehrt. Wenn jemand jemand anderes mit einem Pronomen bezeichnet, mit dem sich die betroffene Person nicht identifiziert, wird das „misgendern“ genannt. Das passiert oft nicht absichtlich, kann die betroffenen Personen aber sehr verletzen.
Um das zu verhindern, gibt es verschiedene Möglichkeiten: mensch kann den Menschen in seinem*ihrem Umfeld sagen, welches Pronomen mensch bevorzugt oder wenn mensch sich unsicher ist, welches Pronomen jemand anderes bevorzugt, kann mensch einfach freundlich nachfragen. Wichtig dabei: Die Präferenz einer Person gilt es zu respektieren, selbst wenn mensch diese Präferenz (noch) nicht versteht. Geschlechterdiversität ist keine Modeerscheinung, sondern ein ganz normaler Aspekt menschlichen Lebens. Siehe auch:
Rassismus: Einerseits bezeichnet Rassismus die unwissenschaftliche Theorie, dass es angeblich verschiedene menschliche „Rassen“ gibt, die sich durch biologische Merkmale unterscheiden und als biologische Kategorien voneinander abgrenzbar seien. Andererseits bezeichnet Rassismus die Ideologie, dass Menschen aufgrund angeborener Merkmale, wie zum Beispiel ihrer Hautfarbe, verschieden viel Wert seien bzw. unterschiedlich behandelt werden müssten.
Sexismus: Sexismus bezeichnet jede Form der Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres zugeschriebenen Geschlechts. Da Männer in der patriarchalen Gesellschaftsordnung eine privilegierte Position haben, gelten primär FLINTA*-Personen als von Sexismus betroffen. Die Grundlage für Sexismus sind historisch gewachsene und durch Sozialisierung (d.h. beim
Aufwachsen in die Gesellschaft hinein) erlernte Vorstellungen über geschlechtsspezifische Verhaltensmuster (Geschlechterstereotype) und unterschiedliche Rollenzuweisungen für Frauen und Männer.
tin*-Personen: Trans-, Inter-, Non-Binäre*Personen
Transformative Justice: Transformative Justice (transformative Gerechtigkeit) ist ein emanzipatorischer Ansatz gegenüber Gewalt, der darauf abzielt, Sicherheit und
Verantwortungsübernahme zu gewährleisten, ohne dabei auf Entfremdung, Bestrafung und staatlicher oder systemischer Gewalt (u.a. Inhaftierung und Überwachung) zu beruhen.
Übergriffige Person: Der Begriff bezeichnet in diesem Kontext Ausübende von Gewalt und/oder Menschen, die die Grenzen anderer verletzen.
weiß: weiß bezeichnet keine biologische Eigenschaft und keine reelle Hautfarbe, sondern eine politische und soziale Konstruktion. Mit Weißsein ist die dominante und privilegierte Position innerhalb des Machtverhältnisses Rassismus gemeint, die oft unausgesprochen und ungenannt bleibt.
Victim Blaming: Wenn die Verantwortung für eine Straftat beim Opfer gesucht wird, nennt man das „Victim Blaming“ oder „Täter-Opfer-Umkehr“
Objektifizierung: Wörtlich bedeutet objektivieren: zum unbelebten Objekt machen,
„vergegenständlichen“. Bsp. Ein Sexualobjekt ist die Summe der attraktiven Teile eines Körpers und nicht der vollwertige Mensch mit eigenem Charakter, Interessen und Träumen
Safer Space: Der Begriff Safe Space bezieht sich auf Orte, an denen marginalisierte Personen zusammenkommen, um über ihre Erfahrungen mit Marginalisierung zu kommunizieren. Diese Räume versuchen sicherer zu sein. Sicherer, weil Diskriminierungen so tief in unserer Gesellschaft und systemisch angelegt sind, dass nichts absolut sicher sein kann. Diese Räume garantieren aber Bemühungen, Diskriminierungen bewusst abzubauen. Dies geschieht vor allem durch diese Räume von und für Personen, welche von Diskriminierungen betroffen sind, es gibt z.B. Safer Spaces für FLINTA*s, queere Personen, Schwarze Menschen oder Menschen mit Behinderung(en).
Geschlechtergerechte Sprache: Geschlechtergerechte Sprache bezeichnet einen
Sprachgebrauch, der in Bezug auf Personenbezeichnungen die Gleichbehandlung von Frauen und Männern und darüber hinaus aller Geschlechter zum Ziel hat und die Gleichstellung der Geschlechter in gesprochener und geschriebener Sprache zum Ausdruck bringen will.
Schwarz wird großgeschrieben, um zu verdeutlichen, dass es sich um ein konstruiertes Zuordnungsmuster handelt und keine reelle‘ Eigenschaft‘, die auf die Farbe der Haut zurückzuführen ist. So bedeutet Schwarz-Sein in diesem Kontext nicht, einer tatsächlichen oder angenommenen ‚ethnischen Gruppe‘ zugeordnet zu werden, sondern ist auch mit der gemeinsamen Rassismuserfahrung verbunden, auf eine bestimmte Art und Weise wahrgenommen zu werden.“