Wir wollen die aktuelle Regelung zu körpernah getragenen Kameras (sog. Body-Cams) ändern, um Willkür zu verhindern und sie als ein effektives Mittel zum Schutz der Bürger*innenrechte zu verwenden und nicht nur einseitig zum Schutz von Polizist*innen.
Die aktuellen Regelungen dazu finden sich im Polizeiaufgabengesetz wieder. Die nun vorgeschlagenen Änderungen rütteln nicht an der Tatsache, dass das Polizeiaufgabengesetz verfassungswidrig ist und sofort zurückgenommen werden muss. Wir setzen uns weiterhin für ein Bayerisches Polizeigesetz nach demokratischen Prinzipien ein!
Wir weisen zudem explizit darauf hin, dass das Filmen polizeilicher Maßnahmen durch Privatpersonen rechtens ist. Die Forderungen sind dennoch notwendig, da nicht immer Dritte anwesend sind, die die Möglichkeit zur Dokumentation haben.
Durch das Aufzeichnen von Bild und Ton greift die Polizei in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Dieser Eingriff benötigt einen berechtigten Grund. Bisher dient das Aufnehmen dazu, die Polizeibeamt*innen sowie Dritte zu schützen, da die Aufnahme deeskalierend sei. Hierzu gibt es verschiedene Erfahrungsberichte.
Wir sehen in der Body-Cam die bisher nicht niedergeschriebene Möglichkeit, vor allem auch die von der polizeilichen Maßnahme betroffene Person zu schützen. Durch eine Aufnahme überlegen sich Polzist*innen zweimal, welche Worte sie nutzen und welche Maßnahme sie ergreifen, da per Video dokumentiert ist, ob die im Nachhinein vorgebrachte Schilderung der Tat wirklich so geschehen ist.
Wir sehen durch eine entsprechend strikte Regelung zum Vorteil betroffener Personen die Möglichkeit, sowohl Racial Profiling als auch rechtswidrige Polizeigewalt einzudämmen.
Uns ist bewusst, dass dies nicht zum Erreichen dieser Ziele reicht, sondern nur eine kleine Maßnahme viel größerer, längst notwendiger Reformen sein kann.
Wann soll gefilmt werden?
Wir lehnen ausdrücklich eine permanente Videoüberwachung im öffentlichen Raum ab. Der Einsatz der Body-Cam kann daher nicht permanent sein.
Für den Einsatz wägen wir ab, in welchen Situationen der Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus unserer Sicht hinnehmbar ist, da die Aufzeichnung vor Missbrauch schützt oder Missbrauch dokumentiert, um im Nachgang gegen ihn vorzugehen. Der Einsatz muss in jedem Fall erkennbar sein. Wenn er nicht offensichtlich ist, muss durch die Beamt*innen darauf hingewiesen werden.
Rechtswidrige Polizeigewalt
Wir möchten rechtswidrige Polizeigewalt im “Streifen-Alltag” eindämmen:
Wir fordern, dass Polizeibeamt*innen bei der Durchführung einer polizeilichen Maßnahme verpflichtend selbige aufnehmen müssen, sobald unmittelbarer Zwang (also beginnend bei körperlichen Griffen) angewandt wird. So soll die Maßnahme dokumentiert werden, um ihre Rechtmäßigkeit im Nachgang immer auch anhand objektiver Beweismittel (statt nur anhand von Aussagen), überprüfen zu können.
“Pre-Rec”-Funktion
Die sog. “Pre-Rec”-Funktion (= Pre-Recording) sorgt aktuell dafür, dass ab Drücken des Knopfs zur Aufnahme die vorherigen 30 Sekunden ebenfalls abgespeichert werden, um den Grund der Aufnahme zu dokumentieren. Das setzt voraus, dass die Polizeibeamt*innen unmittelbar den Knopf drücken, sobald die Eingriffsschwelle erreicht ist. Das halten wir in der Praxis, gerade bei sehr dynamischen und auch gefährlichen Situationen, nicht für zumutbar. Wir wollen die “Pre-Rec”-Länge daher unter Wahrung des Datenschutzes ausweiten. Hierfür muss geprüft werden, inwieweit eine Länge von zwei bis fünf Minuten vertretbar wäre. Diese Zeit halten wir für sinnvoll, um den Grund des Eingreifens in jedem Fall zu dokumentieren.
Aufnahme auf Verlangen
Wir fordern, dass von polizeilichen Maßnahmen betroffene Personen das Recht haben, die Aufzeichnung der Maßnahme selbst zu verlangen. So entscheiden sie über ihr Recht auf individuelle Selbstbestimmung und können die Maßnahme dokumentieren lassen, wenn sie sich unwohl fühlen oder die Rechtmäßigkeit anzweifeln. Einen Grund müssen sie den Beamt*innen jedoch nicht nennen.
Um dieses Recht zu garantieren, soll eine Spracherkennungsfunktion geprüft werden, wodurch die betroffene Person die Aufzeichnung auslösen kann und nicht auf ein aktives Handeln der Beamt*innen angewiesen ist.
Ermessensspielraum bei gewaltlosen Situationen
Wir wollen der Polizei in gewaltlosen Situationen weiterhin die Möglichkeit geben, eine Maßnahme aufzuzeichnen, wenn dies eine schützende Wirkung hat. Die Erfahrungen zeigen, dass sich einige Personen in einer solchen Situation zurückhaltender benehmen, wenn sie gefilmt werden.
Flächenausstattung
Um den angestrebten Schutz flächendeckend zu erreichen, fordern wir, dass jede uniformierte Polizeistreife zu jedem Zeitpunkt mit mindestens einer funktionierenden Body-Cam ausgestattet sein muss. Sie muss darin beschult sein und beim Tragen der Body-Cam eindeutig als Träger*in gekennzeichnet sein. Zuwiderhandlungen gegen diese und andere Regelungen zu den Kameras werden dienstrechtlich verfolgt.
Verarbeitung der Aufnahmen
Wir bleiben bei der Forderung nach einer unabhängigen Beschwerde- und Ermittlungsstelle für die Polizei. Diese soll auch die Aufzeichnungen verwalten, um eine Manipulation durch Polizist*innen zu verhindern.
Zugriffe
Ist die Aufzeichnung ein Beweismittel für ein Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen eine Zivilperson, erhalten die zuständigen polizeilichen Sachbearbeiter*innen eine Kopie. Die Daten unterliegen dann den bereits vorhandenen Richtlinien und Löschfristen für Beweismittel.
Ist die Aufzeichnung zur Kontrolle unmittelbaren Zwangs oder auf Verlangen der betroffenen Person erfolgt, so wird die Aufzeichnung mindestens zwei Monate gespeichert. Die betroffene Person kann in dieser Zeit rechtliche Schritte gegen die zugrunde liegende Maßnahme einleiten und die Aufzeichnung als Dokumentation anführen. Weiter kann sie eine Verlängerung der Speicherzeit ohne Angabe von Gründen verlangen, beispielsweise, weil sie mehr Bedenkzeit benötigt. In diesem Fall soll die Aufzeichnung sechs Monate gespeichert bleiben. Der betroffenen Person wird zudem das Recht eingeräumt, die Aufzeichnung einzusehen. Hierfür fordern wir geeignete, nicht bei der Polizei angesiedelte Stellen, die in einer angemessenen Entfernung liegen und bürger*innenfreundlich betrieben werden. Die von den Maßnahmen beroffenen Personen müssen von den handelnden Polizist*innen über diese Möglichkeit und die Kontaktwege informiert werden.
Erfolgt eine Anzeige der handelnden Beamt*innen – durch die betroffene Person, durch Dritte oder durch andere Polizeibeamt*innen – gelten die Regelungen von Strafverfahren. Hierbei ermittelt dann jedoch die unabhängige Beschwerde- und Ermittlungsstelle.
Ergeht nach zwei Monaten kein Anhaltspunkt für eine weitere Verwendung, werden die Aufzeichnung ohne weiteres, also auch ohne Ansicht gelöscht.
Technische Anforderungen
Zur Aufzeichnung werden weitere Daten gespeichert, wie Datum, Uhrzeit, aufzeichnende*r Beamt*in und GPS-Daten. Zusätzlich wird eine technische Möglichkeit geschaffen, wodurch der*die Beamtin im Nachgang den Grund der Aufnahme angibt, also ob durch eigenes Ermessen, auf Verlangen oder zur Dokumentation unmittelbaren Zwangs. Bei der Bildaufzeichnung muss auf einen möglichst großen Erfassungsbereich geachtet werden. Hier sollen Weitwinkelaufnahmen geprüft werden.
Datensicherheit
Die hochsensiblen Daten, die durch staatliches Handeln erzeugt werden, dürfen nicht auf privatwirtschaftlichen Servern gespeichert werden. Es müssen staatseigene Server geschaffen werden. Diese dürfen jedoch nicht vom Innenministerium, dem die Polizei unterstellt ist, verwaltet werden. Der Staat muss die Datensicherheit garantieren.
Aufgezeichnete Dritte
Die Aufzeichnungen dürfen nur dann gegen Dritte verwendet werden, wenn diese ein Kapitalverbrechen begehen.
Begleitmaßnahmen
Unsere weiteren Beschlusslagen zum Thema Sicherheitspolitik, Polizei und Polizeiaufgabengesetz bleiben von diesem Antrag unberührt und sind weiterhin mehr als notwendige Maßnahmen!
Kennzeichnungspflicht
Wir betonen unsere Beschlusslage, dass alle Polizist*innen eine Kennzeichnung mitführen, wodurch sie für Dritte zu identifizieren sind. Das ist auch für Aufzeichnungen der Bodycam wichtig.
Informationskampagne
Die breite Zivilgesellschaft muss durch gezielte Kampagnen darauf hingewiesen werden, welche Rechte sie in Situationen mit der Polizei haben, dass sie das Recht haben, die Maßnahme aufzeichnen zu lassen und welche Schritte ihnen im Anschluss vorbehalten bleiben.