Die US-Regierung hat dem Ölkonzern Conocophillips drei neue Bohrplattformen in Alaska genehmigt. Nach Angaben von Conocophillips können mit dem Willow Project täglich bis zu 180.000 Barrel Öl gefördert werden. Insgesamt könne man über die neu entstehenden Plattformen in den kommenden 30 Jahren etwa 600 Millionen Barrel Öl fördern.
Ähnlich steht es mit dem britischen Rosebank oilfield. Dabei handelt es sich um das größte noch unerschlossene Ölresavour in der Nordsee. Hier könnten über die Lebensspanne des Projekts bis zu 500 Millionen Barrel Öl gefördert werden.
Über die gesamte Laufzeit wird das Willow Project nach Schätzungen der US-Regierung gut 260 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre freisetzen.
Das freigesetzte CO2 beim Rosebank Ölfeld entspricht den Emissionen der 28 Länder mit dem niedrigsten Einkommen in der Welt. Dennoch werden die Projekte von den Regierungen der Länder gepusht und als „notwendig“ betitelt.
Der Kapitalismus nimmt in seiner Grundverfasstheit die Natur als Ressource hin, sowohl als Quelle für Inputs in die Produktion, als auch als Senke für die Abfallprodukte. Ihr Wert wird dabei gleichzeitig vorausgesetzt, als auch verleugnet. Damit beschreibt man die neusten Ölexplorationen Großbritanniens und der USA eigentlich auch schon hinreichend.
Hinzu kommt ein gesteigertes Interesse an Energieunabhängigkeit. Formal, um die eigene Freiheit zu sichern und von der Abhängigkeit von autokratischen Regimen los zu kommen.. Wahrscheinlich aber auch, um heimische Kapitalinteressen langfristig abzusichern und vor externen Schocks zu bewahren.
Dabei gibt es bereits technische Lösungen, um die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen zu beenden. Durch Investitionen in die Wind- und Solarenergie kann regionaler Strom kostengünstig erzeugt werden. Der Ausbau von erneuerbaren Energien wird jedoch schon seit Jahrzehnten blockiert und strategisch verzögert. Der Ölkonzern Exxon Mobil hat seit den 1970er Jahren eigene Studien zur Klimafolgenforschung betrieben. Laut einer Forschungsgruppe waren die Ergebnisse eindeutig, wurden vom Management aber verschwiegen. Der Konzern steht natürlich seinen eigenen Interessen nicht im Wege. Aber genau dank der Forschung, die an die Gruppen von Exxon Mobil anknüpft, wissen wir, dass sich die Welt weder das Willow Project noch das Rosebank Oilfield leisten kann. Vorausgesetzt, man will weite Teile des Planeten als menschliche Lebensgrundlage erhalten.
Der Kapitalismus beruht zudem auf zwei Momenten der Aneignung. Das erste ist das uns meist bekannte Moment der Ausbeutung, bei der sich der Mehrwert angeeignet und geleistete Arbeit mit dem gesellschaftlich durchschnittlich, zur Reproduktion notwendigen Preis entlohnt wird. Das zweite Moment ist das der Enteignung. Diese ist sowohl Ausgangsvoraussetzung für die Ausbeutung, als auch fortwährend im Kapitalismus nötig. Besonders stark von diesen Enteignungen sind diejenigen betroffen, die nicht im Laufe der Industrialisierung ihre Staatsbürgerrechte dem Kapital abringen konnten. Auch wenn der Peak der klassischen kolonialen bzw. postkolonialen Aneignung bereits überschritten ist, so betrifft es ganz besonders immer noch und immer wieder die indigenen Bevölkerung Nordamerikas und Alaskas. Sie sind es, auf deren Kosten bereits seit Beginn der Industrialisierung in Nordamerika expandiert wird. Und sie sind es, auf deren Kosten nun der letzte Sargnagel für jedes humane Klimaziel geschmiedet werden soll.
Die Ausbeutung zeigt sich im Finanzkapitalismus nicht mehr nur durch stumpfe Landnahme durch Konzerne und die Vertreibung indigener Bevölkerungen. Die meisten Länder des globalen Südens und zumindest ein guter Teil ihrer Wirtschaftsleistung befindet sich in einer, durch Schulden realisierten, Abhängigkeit von den ökonomischen Zentren des globalen Norden. Die Arbeitsleistung der arbeitenden Klasse und die natürlichen Ressourcen in diesen Ländern wurde sich historisch nicht nur von der eigenen Bourgeoisie angeeignet, sondern auch fortwährend durch den Globalen Norden. Diese Abhängigkeit verhindert in ihrer Konsequenz eine ernsthafte nachhaltige Wirtschaftsentwicklung in den Ländern des Globalen Südens. So bleibt die Konsequenz aus kompliziert zu erschließenden Ölfeldern wie dem Willow Project und dem Rosebank Oilfields, dass der Norden seiner historischen Verantwortung für den Klimawandel weiter ausweicht. Zwar greift er dafür nicht mehr auf die Ressourcenausbeutung des Globalen Südens zurück, wälzt aber die Verantwortung für die Emissionsreduktion hin zu ebendiesen.
Das exkraktivisch-kapitalistische System wird durch die Kooperation der staatlichen Institutionen, vor allem der Polizei, aufrechterhalten. Seit Jahren zeigt sich, wie die Staatsmacht die Kapitalinteressen der Großkonzerne über die Rechte der Protestierenden stellt und so brutale Polizeigewalt anwendet, um legitime Proteste und Besetzungen zu durchbrechen. Auch hier zeigt sich, dass diese Repressionen System haben und nicht nur ein lokales Phänomen sind. Von der Räumung des Protestcamps in Lützerath über Festnahmen bei Protesten in Schottland bis hin zu unaufgeklärte Morde an Klimaaktivist*innen in ölreichen Ländern wie Kolumbien oder Ecuador. Demokratische Staaten werden zum Spielball globaler Kapitalinteressen und unterstützen die Umsetzung von Großprojekten durch die zunehmende Erhöhung der Repressionen sowohl gegen Klimaaktivist*innen als auch durch die angewendete Rhetorik. Wir stellen uns entschlossen gegen Polizeigewalt und zeigen uns solidarisch mit allen Betroffenen. Die Kriminalisierung von Klimaprotesten lehnen wir vehement ab.
Ölkonzerne stehen mit im Zentrum eines auf Aneignung natürlicher Ressourcen aufbauenden fossilen Kapitalismus, sie sind das tiefschwarze Herz des fossilen Kapitals. Ihr politischer Einfluss zeigt sich nicht nur im immensen Lobbyismus dieser Branche, sondern vor allem auch in der Abhängigkeit ganzer Produktionszweige von ihnen. Dadurch erscheinen sie unvermeidbar und die Demokratie als zunehmend erpressbare Hülle ihrer selbst. Aus dieser systemischen Abhängigkeit entstehen globale Repressionen gegen das Ausbrechen aus diesem selbstzerstörerischen Kreislauf. Auch deshalb muss unsere Antwort darauf ebenso international lauten: Wir stehen gemeinsam an der Seite derer, die sich gegen den Extraktivismus einsetzen und fordern den sofortigen Stopp der Förderprojekte Willow und Rosebank.
Es bringt uns zudem nichts, wenn Regierungsvertreter*innen von Bauchschmerzen klagen, wenn sie klimaschädlichen Projekte beschließen oder das Mittel der „offenen Kommunikation“ suchen, um ihre Vorhaben zu legitimieren. Es ist davon auszugehen, dass der Klimakrise und damit der fortschreitenden Zerstörung unserer Lebensgrundlage ein paar Bauchschmerzen herzlich wenig interessieren und diese somit nichts mehr als eine Farce sind, die zur Befriedung der Gesellschaft dienen sollen.
Unsere Forderungen sind daher:
- Solidarität mit den Protestbewegungen #stoprosebank und #stopwillow und “just stop oil”
- Sofortiger Stopp von Räumungen von Besetzungen
- Sofortiger Stopp von neuen Ölförderprojekten
- Eine Hand in Hand gehende Kollektivierung und Demokratisierung der Energieressourcen, global wie national
- Eine globale Entwicklungsstrategie hin zu nachhaltiger Energieversorgung