S2 E-Sport ist Sport

Status:
angenommen

Auch wenn viele denken würden, dass E-Sport ein Produkt der Neuzeit ist, so kann dieser doch auf eine jahrzehntelange Geschichte zurückschauen. Bereits im Oktober 1972 fand das erste ESport Turnier statt, bei dem sich 24 Spieler*innen in der Stanford University trafen, um sich im Spiel “Spacewar” miteinander zu messen. Durch den dann schnell wachsenden technologischen Fortschritt wurden Computer- und Konsolenspiele in den 90er Jahren zum Massenphänomen. Auch Clans, also Zusammenschlüsse von interessierten Gamer*innen, begannen sich zu der Zeit zu bilden und die ersten großen internationalen Turniere fanden statt. Immer bessere Hardware, Grafik und der Ausbau des Internets auf der gesamten Welt haben dazu beigetragen, dass der Cybersport sich zu einer bedeutenden Sportart entwickelt hat.

In der Anfangszeit wurden E-Sport-Turniere durch Interessengemeinschaften/Clans veranstaltet. Spätestens in den 90er-Jahren witterten allerdings die Herausgeber*innen der Spiele auch das gewinnbringende Potenzial der Wettbewerbe. Bis heute werden deswegen die großen E-Sport Events von den erfolgreichen Spieleschmieden wie zum Beispiel RiotGames, Activision Blizzard, Electronic Arts, EpicGames und Co. veranstaltet.

Auf der anderen Seite gründeten sich auch einige Interessengemeinschaften der Spieler*innen, die sich für die Gemeinnützigkeit des E-Sports einsetzen. So vereinen sich viele deutsche E-Sport Vereine unter dem Dach des eSport-Bund Deutschland e.V. (ESBD). Ein großer Streitpunkt ist hier die Anerkennung des Cybersports als „Sport“.

Was Sport ausmacht, findet sich auch im E-Sport wieder

In der Sportwissenschaft und im Sportrecht herrscht Einigkeit darüber, dass es keine anerkannte Definition vom Begriff des Sports gibt. Trotzdem haben die verschiedenen Definitionen eine Gemeinsamkeit: sie knüpfen den Sport an eine körperliche Ertüchtigung. Diese kann zum Beispiel auch durch die erhöhte Erfordernis an Konzentration und Koordination gegeben sein. Dass Konzentration und Koordination bei jeder Form von Konsolenspielen vorhanden ist, kann nicht in Abrede gestellt werden.

Einer der größten Gegner*innen einer Anerkennung von E-Sport als Sport ist der DOSB (Deutsch Olympischer Sportbund). Dieser hat im Dezember 2018 eine Positionierung zum sogenannten „eSport“ verabschiedet. Kernfrage für die Positionierung war, ob und wie der „eSport“ zum organisierten, gemeinnützigen Sport passt, den der DOSB als Dachverband vertritt. Der DOSB formuliert in seiner Aufnahmeordnung drei sportliche und verschiedene organisatorische Voraussetzungen, um beim DOSB aufgenommen zu werden. Als sportliche Voraussetzung wird gefordert, dass die Ausübung der Sportart eine eigene, sportartbestimmende motorische Aktivität eines*r jeden zum Ziel haben muss, der sie betreibt. Die Ausübung der eigenmotorischen Aktivitäten muss zudem Selbstzweck der Betätigung sein. Letztlich muss die Sportart die Einhaltung ethischer Werte wie z. B. Fairplay, Chancengleichheit, Unverletzlichkeit der Person und Partnerschaft durch Regeln und/oder ein System von Wettkampf- und Klasseneinteilungen gewährleisten. Organisatorisch nimmt der DOSB nur gemeinnützige Dachverbände der einzelnen Sportarten auf.

Um sich zu Positionieren hatte der DOSB ein Gutachten zum E-Sport in Auftrag gegeben. Auf Grundlage des Gutachtens kam der DOSB zu dem Ergebnis, dass nicht alle E-Sport Arten von Seiten des DOSB als Sport angesehen werden können. Als Argumente wurde unter anderem angeführt, dass hinter dem E-Sport ein Geschäftsmodell steht, die Entscheidungen über Regeln, Spiel – und Wettkampfsysteme daher nicht demokratisch durch Verbände, sondern von gewinnorientierten global agierenden Unternehmen getroffen werden und daher insgesamt nicht von einem gemeinwohlorientierten Sport gesprochen werden kann. Auch das Töten der Spielcharaktere der Gegenspieler*innen entspreche nicht dem ethischen Verständnis des Sports. Anders sieht der DOSB dies nur bei virtuellen Sportarten, die sowohl in der Realität, als auch auf dem Bildschirm stattfinden können.

Insgesamt lehnt der DOSB daher den Begriff des E-Sports ab und unterscheidet zwischen virtuellen Sportartsimulationen und Gaming. Dabei geht der DOSB davon aus, dass zumindest die virtuellen Sportartsimulationen in die bereits bestehenden jeweiligen Breitensportvereine integriert werden können.

Die hier vom DOSB vertretene Meinung ist jedoch als antiquiert zurückzuweisen und verliert sich in Romantisierungen des Sports, die schon lange nicht mehr der Realität entsprechen.

Insbesondere dann, wenn man sich vor Augen führt, dass es in der Diskussion darüber, ob E-Sport als Sport anerkannt werden kann, vor allem um steuerrechtliche und finanzielle Vorteile geht.

Würde man E-Sport als Sport anerkennen, dann würden E-Sport Vereine und Verbände die Möglichkeit besitzen, sich nach § 52 I Nr. 21 AO als gemeinnützig anerkennen zu lassen. Damit hätten die Vereine steuerrechtliche Vorteile und es stünde ein Zugang zu staatlicher Förderung offen. Gleiches gilt für den Dachverband ESBD, der hierdurch den DOSB nachdrücklicher auffordern könnte, ihn aufzunehmen.

Ob es sich bei E-Sport auch um Sport handelt, sollte aber unabhängig von den Aufnahmekriterien des DOSB beurteilt und zuallererst auf einer abstrakten Ebene betrachtet werden. Uns Jusos ist aber bewusst, dass die Meinung des DOSBs allein aufgrund seiner Größe und Bedeutung in weiteren Überlegungen Beachtung finden muss.

Zuallererst sind aber die Voraussetzungen, die man erfüllen muss, um von einer sportlichen Aktivität auszugehen, zur Beurteilung heranzuziehen. Hierzu gehört nicht nur die körperliche, sondern auch die geistige Komponente. In der Abgabenordnung gilt zum Beispiel Schach als Sport – welcher im Nachhinein vom DOSB sogar als Sport anerkannt wurde. Bei Schach steht zum Beispiel die geistige Komponente im Vordergrund. Auch beim E-Sport steht die geistige und nicht die körperliche Komponente im Vordergrund. Angewendet auf den E-Sport muss insbesondere in den Bereichen Konzentration, Kognition und Feinmotorik Herausragendes geleistet werden, um zu den Besten zu gehören. Zudem gibt es im E-Sport einen klaren Wettbewerbscharakter – man kann viele Spiele in Turnierform, also als Wettbewerb, spielen. Dies ist eine weitere wichtige Eigenschaft, wenn es um die Einordnung als Sport geht. Als Beispiel hierfür ist Bridge anzuführen. Bridge wurde als solches nicht als Sport anerkannt, Turnier-Bridge aber aufgrund des Wettbewerbcharakters schon. Dieses Vorgehen zeigt, dass verschiedene Sportarten verschiedene Schwerpunkte in ihren Anforderungen haben können und dass der E-Sport mit seinen Schwerpunkten auf geistige Anforderungen und den Wettbewerbscharakter gewichtige Punkte in Bezug auf Sport erfüllt. Eine körperliche Komponente – die Feinmotorik – ist zudem auch gegeben. Auf einer abstrakten Ebene können daher keine überzeugenden Argumente vorgebracht werden, warum E-Sport nicht als Sport anerkannt werden sollte. Insbesondere sind die vom DOSB angeführten Werte nicht Teil einer abstrakten Sportdefinition.

Wir Jusos erkennen daher E-Sport in seiner Gesamtheit als Sport an und folgen der Meinung des DOSB nicht.

E-Sport muss in jedem Fall gemeinnützig werden

Erkennt man E-Sport als Sport an, dann ergibt sich für die Vereine automatisch die Möglichkeit, sich als gemeinnützig anerkennen zu lassen und die sich daraus ergebenden Vorteile zu nutzen. Bislang gelang es nur einem E-Sportverein in Deutschland sich eine Gemeinnützigkeit vom Finanzamt anerkennen zu lassen. Das gelang dadurch, da sie fast ausschließlich als Vereine zur Jugendförderung gesehen wurden und nicht als Sportvereine.

Der Einwand, dass “Ballerspiele” wie Counter Strike nicht mit den Werten des Sports vereinbar ist, kann nicht einfach weggewischt werden.

Dass Sport mit gewissen Werten verknüpft ist, kann ebenso nicht bestritten werden. Welche Werte dies sind, unterscheidet sich jedoch von Sportart zu Sportart. Der DOSB zählt darunter Fairplay und Chancengleichheit, wobei die Aufzählung nicht abschließend ist. Dies scheint sich mit Konsolenspielen, bei denen man Spielcharaktere der Gegner*innen tötet, nicht vereinen zu lassen. Doch auch bei Spielen wie Counter Strike werden Werte wie Teamgeist und Fairplay vertreten. Letzteres äußert sich zum Beispiel in einem Verbot des „cheatens“. Dem entgegenzusetzen ist zudem, dass auch bei anerkannten Sportarten wie dem Schießen, die Sportart nur ausgeübt werden kann, in dem man eine Waffe verwendet. Es mag zwar ein Unterschied darin bestehen, dass man beim Schießen auf Zielscheiben zielt und nicht auf von den Gegner*innen gesteuerte Charaktere, es bleibt jedoch die Frage, inwieweit man diese Tatsache gewichten soll in Relation zur Gesamtheit des E-Sports. Auch gibt es keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass das Spielen solcher Konsolenspiele dazu führt, dass man im realen Leben zu Gewalttätigkeit neigt.

Auch das Positionspapier „Ehrenamtsgesetz 2021“ der Unionsfraktion im Bundestag vom 16.06.2020 versucht den Ausschluss dieser Konsolenspiele, in dem es verlangt – ähnlich wie der DOSB – „Ballerspiele“ aus der Definition des E-Sports auszuschließen. Diesem Vorschlag hat die ESport-Community aber bereits eine Absage erteilt.

Da aufgrund dieser Gemengelage nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Finanzämter die Gemeinnützigkeit von E-Sport Vereinen und Verbänden eigenständig feststellen – also E-Sport als Sport einordnen – braucht es ein politisches Signal.

Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit von E-Sport Vereinen und Verbänden wäre für uns Jusos insbesondere deshalb wünschenswert, da dadurch eine breitere Aufstellung der Community möglich ist und damit eine Stärkung des Dachverbands ESBD einhergehen würde. Gemeinnützige Vereine haben in Deutschland einige Vorteile: Steuererleichterungen auf Mitgliedsbeiträge, das Recht, Spenden zu sammeln, Vergünstigung bei der Anmietung von Räumen und die Möglichkeit, Fördergelder zu beantragen. Auf einer Stufe mit traditionellen Sportvereinen zu stehen, sorgt für eine erhebliche Imageverbesserung des E-Sports und führt so zu einem Wachstum der Vereine. Mit dieser Stärkung haben es E-Sport Vereine leichter, den Lizenzgeber*innen, die momentan weitestgehend eine Monopolstellung bei der Ausrichtung von Turnieren haben, etwas entgegenzusetzen. So würde auch für eine langsame Demokratisierung des E-Sports gesorgt. Die Stärkung der Spieler*innen und ihrer Vereine hätte daher eine positive Wirkung auf die vorherrschenden kapitalistischen Strukturen.

Durch die Anerkennung als gemeinnütziger Verein wird es den E-Sport-Vereinen leichter fallen, ihr eigenes Vereinsleben zu gestalten. Hier geht es darum, Begegnungsräume im realen Leben zu schaffen, die sich nicht nur auf die Jugendförderung beschränkt, sondern auch eine effektive gegenseitige Kontrolle von Off-Time, die man verbringen sollte, Suchtprävention und ein breiteres Angebot von Workshops beinhaltet. Schon jetzt bieten E-Sport-Vereine Workshops unter anderem in dem Bereich der sozialen Kommunikation an.

Um die Diskussion zu befrieden fordern wir daher, dass im Anwendungserlass der Abgabenordnung unter § 52 aufgenommen wird, dass E-Sport als Sport zu betrachten ist. Gleiches ist hier bereits bzgl. dem Motorsport klargestellt worden.

Darüber hinaus befürworten wir auch die Möglichkeit, den E-Sport ergänzend in § 52 II Nr. 21 AO aufzunehmen mit der Formulierung “E-Sport gilt als Sport” und damit diesen – ähnlich wie Schach – dem traditionellen Sport gleichzustellen. Im Ergebnis überwiegen für uns die gesamtgesellschaftlichen Vorteile einer Anerkennung des E-Sports als Sport.