A6 Faire und angemessen Bezahlung für Alle: Stopp für unbezahlte und schlechtbezahlte Praktika

Status:
geändert angenommen

Wir fordern:

  1. Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns für Praktikant*innen, die über 18 Jahre alt sind und/oder kein verpflichtendes Praktikum absolvieren. Dieser Anspruch verpflichtet sowohl öffentliche Institutionen, Körperschaften und Anstalten als auch privatrechtliche Unternehmen und Vereinigungen.
  2. Die Einführung eines gesetzlichen Anspruchs auf Auszahlung einer, an die jeweilige Ausbildungsvergütung oder die Mindestausbildungsvergütung zu 100% angekoppelte Praktikumsentschädigung, mindestens in Höhe des aktuell geltenden Mindestlohns, für Praktikant*innen unter 18 Jahren und/oder Praktikant*innen, die ein verpflichtendes Praktikum absolvieren. Dieser Anspruch verpflichtet sowohl öffentliche Institutionen, Körperschaften und Anstalten als auch privatrechtliche Unternehmen und Vereinigungen.
  3. Die Auszahlung der Praktikumsvergütung bzw. Praktikumsentschädigung muss fortlaufend mit der regulären Lohnauszahlung erfolgen. Die Auszahlung der Praktikumsvergütung bzw. Praktikumsentschädigung darf nicht verzögert und/oder gebündelt nach der Praktikumszeit erfolgen.
  4. Der Zugang zu den sozialen Sicherungsrechten, wie der gesetzlichen Krankenversicherung und der Arbeitslosenversicherung, soll unter den für reguläre Arbeitnehmer*innen gesetzten Bedingungen auch bei längeren Praktika möglich sein, wie z.B. einem Praktikum über die Semesterferien. Kurzfristige Praktika, wie ein einwöchiges Schulpraktikum, sind von den sozialen Sicherungsrechten ausgeschlossen.
  5. Der Europäische Gesetzgeber soll eine dementsprechende Richtline vorlegen, die von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden muss. Fehlt dem europäischen Gesetzgeber die Kompetenz, so sollen die deutschen Gesetzgeber tätig werden.
Begründung:

Ein Praktikum stellt für junge Menschen eine niederschwellige und einfache Möglichkeit dar, um sich über die eigene zukünftige berufliche Orientierung klarer zu werden und einen ersten Einblick bzw. Überblick über bestimmte Tätigkeitsfelder zu bekommen. Zugleich kann ein erfolgreiches Praktikum auch einen ersten Schritt in die Arbeitswelt darstellen. Für die Arbeitgeber*innen sind Praktikant*innen von besonderem Interesse, weil diese mittel- oder langfristig die eigene Arbeitsbelastung reduzieren können und zugleich potenziellen Nachwuchs bilden.

Leider gibt es keinen gerechten und gleichwertiger Zugang zu Praktika für Alle. Das hängt damit zusammen, dass Praktika i.d.R. nicht oder nur (sehr) schlecht bezahlt sind. Dadurch können sich nur privilegierte junge Menschen, solche aus einkommensstärkeren Familien oder mit besonderer Förderung, ein Wunschpraktikum leisten. Das gilt insbesondere für solche Praktika, die eine längere Dauer haben und/oder im Ausland absolviert werden müssen. Die Entscheidung, ein Praktikum anzutreten, ist somit abhängig vom Geldbeutel. Es gibt eine mittelbare Benachteiligung einkommensschwächerer junger Menschen bei ihrer Integration und Partizipation in der Arbeitswelt. Unbezahlte Praktika können damit junge Menschen zurückhalten, einen ersten wichtigen Schritt in die Arbeitswelt zu machen.

Des Weiteren können junge Menschen es sich in der aktuellen Lage schlicht nicht leisten, unentgeltlich zu arbeiten. Die großen sozioökonomischen Herausforderungen der Gegenwart, die COVID-19-Pandemie, der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, werden von einer hohen Inflation, höheren Lebenshaltungskosten und einer zunehmenden Energiearmut begleitet, hinzutritt die anhaltende Wohnungs- und Klimakrise. Dem ist sich auch der Rat und die Europäische Kommission bewusst. In den Ratsschlussfolgerungen (RSF) zum Thema „Geschlechtergerechtigkeit unter beeinträchtigten ökonomischen Bedingungen: Fokus auf die junge Generation“ wird die besondere Betroffenheit junger Menschen von den aktuellen ökonomischen Entwicklungen skizziert, und das Problem der unbezahlten Praktika explizit angesprochen.

Indem viele Arbeitgeber*innen junge Menschen zwingen, umsonst oder sehr schlecht bezahlt zu arbeiten, wirken sich unbezahlte Praktika auf ihre psychische Gesundheit und finanzielle Sicherheit aus und führen dazu, dass sich Praktikant*innen ausgelaugt und ausgenutzt fühlen, wenn sie keine Anerkennung und Wertschätzung erhalten. Gleichzeitig wirkt sich die fehlende oder niedrige Bezahlung von Praktikanten*innen ebenfalls auf den übrigen Arbeitsmarkt aus. So werden neue und jüngere Mitarbeiter gerade deswegen schlechter bezahlt, ihnen wird eine ständige Ersetzbarkeit durch qualifizierte und billigere Praktikant*innen entgegengehalten.

Die bestehenden Leitlinien der Europäischen Kommission für Praktika („The Quality Framework on Traineeships“) enthalten Empfehlungen an die Regierungen der europäischen Mitgliedstaaten, wie Praktika durchgeführt werden können. Auch sie gehen jedoch nicht weit genug und stellen kein verbindliches Recht dar. Sie gewährleisten beispielsweise nicht den Zugang zu sozialen Rechten, wie Renten- und Arbeitslosenversicherung.

Wir stehen ein, für eine faire und angemessene Bezahlung, und zwar für alle, auch für Praktikant*innen!

Änderungsanträge
Status Kürzel Zeile AntragstellerInnen Text PDF
angenommen ÄA6-1 2 Jusos Oberpfalz Streiche in Zeile 2: eines speziellen Ersetzte durch: des
angenommen ÄA6-2 6 Jusos Oberpfalz Streiche Zeile 6: angemessenen Ersetze durch: , an die jeweilige Ausbildungsvergütung oder die Mindestausbildungsvergütung zu 100% angekoppelte
abgelehnt ÄA6-3 7 Jusos Unterfranken Ergänze Z.7 “, mindestens in Höhe des aktuell geltenden Mindestlohns,”
angenommen ÄA6-4 15 Jusos Oberbayern Z. 15 streichen(für Praktikant*innen möglich sein) und ersetzen mit bei längeren Praktika möglich sein, wie z.B. einem Praktikum über die Semesterferien. Kurzfristige Praktika, wie ein einwöchiges Schulpraktikum, sind von den sozialen Sicherungsrechten ausgeschlossen.