I5 Für Frieden, Abrüstung und das Ende von Russlands Angriffskrieg

Status:
geändert angenommen

Friedenspolitischer Grundsatzbeschluss zu unserem Internationalismusverständnis in den 2020er Jahren

Ergebnis des Solidaritätsprojekts Ukraine gemäß des Antrags “Gegen das Sondervermögen” von der Landeskonferenz im Mai 2022

Vorwort – Das Projekt

Auf der Landeskonferenz im Mai 2022 wurde ein Initiativantrag beschlossen, der den Landesvorstand beauftragt hat, ein Projekt einzurichten, um eine fundierte Antwort auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zu finden. Im Licht der von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufenen “Zeitenwende” nehmen wir wahr, dass gerade in der politischen Linken eine kontroverse Diskussion über die Zukunft unserer Friedenspolitik entbrannt ist. Gerade die Frage nach Waffenlieferungen an die Ukraine, um sich gegen russische Angriffe verteidigen zu können, hat Gräben zwischen Organisationen aufgerissen oder gar noch vertieft. Heute, ein Jahr nach Kriegsausbruch, sehen wir zudem noch eine Friedensbewegung auf den Straßen, die immer häufiger von Russlands Propaganda und einseitigen Aufforderungen an Ukrainer*innen, die Waffen niederzulegen, geprägt ist.

Unser Platz ist an der Seite derer, die sich gegen Gewalt, Verfolgung und Unterdrückung auflehnen. In einer Welt, in der sich nicht mehr zwei Großmächte und ihre Ideologien gegenüberstehen, sondern sich mehr und mehr autoritäre und imperialistische Machtzentren bilden, ist es nicht leicht, eine sozialistische Friedenspolitik für das 21. Jahrhundert zu formulieren. Dieser Antrag hat daher nicht das Ziel, eine endgültige Antwort zu finden. Vielmehr soll er uns helfen, durch diese unsicheren und bedrohlichen Zeiten navigieren zu können. Unseren Prinzipien treu bleiben zu können, indem wir sie in die Zukunft tragen und die uns zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um wieder für mehr Frieden, Demokratie und Gerechtigkeit zu sorgen.

Unser Verständnis von internationaler Solidarität ist geprägt vom Zuhören und von der Wahrnehmung unserer Genoss*innen, die vor Ort unter den unmittelbaren Folgen und Bedingungen des Kriegs leiden müssen. In diesem Geist wurde dieses Projekt durchgeführt, das alle unsere Haltungen in der internationalen Politik auf den Prüfstand gestellt hat. Dieser Antrag ist das schriftliche Ergebnis des Projekts.

I. Unsere Antwort an Putins Angriffskrieg

Deutschlands fehlgeschlagene Russlandpolitik

Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion entwickelte sich ein Europäisch-Russisches Verhältnis, das zunächst hoffnungsvoll begann. Ein demokratisches Russland, das eng mit den europäischen Ländern zusammenarbeitet, schien in greifbarer Nähe. Es kam anders. Insbesondere Deutschland nahm eine unrühmliche Rolle ein, in dem es autokratische Tendenzen hingenommen und aus unternehmerischen Abwägungen unterstützt hat, das Prinzip “Handel durch Wandel” als Vorwand genommen hat, um ein entstehendes autokratisches Regime zu stabilisieren.

Nicht einmal der Angriff auf Georgien, die Annektion der Krim 2014, die zunehmende Verfolgung von Menschenrechtler*innen, der LGBTIQA+ community oder von Journalist*innen haben gereicht, um einen Kurswechsel der deutschen Russlandspolitik herbeizuführen. Die Interessen von Kapital und Geschäft sowie ein Desinteresse in der Zivilgesellschaft an der demokratischen und sozialistischen Opposition in Russland haben gefehlt. Es blieb ein Land weit weg von Europa.

Zusätzlich belastet wird die Beziehung durch bestimmte Geschäftskontakte. Zum einen haben wir hier SPD-Altkanzler Gerhard Schröder. Nach seiner Amtszeit ist er in Russland u.a. bei Rosneft, Gazprom und dem Aufbau der Nord Stream Pipelines tätig geworden. Schröder ist seither Lobbyist für den Energiehandel zwischen Russland und Deutschland, trotz klar hörbarer Warnungen aus Mittel- und Osteuropa. Er gilt als Schlüsselfigur im unkritischen Kurs gegenüber dem Putin-Regime, er hat vieles erst möglich gemacht. Wir verurteilen dies aufs Schärfste und fordern unter anderem deswegen den Ausschluss von Gerhard Schröder aus der SPD.

Ebenfalls zu kritisieren ist Mecklenburg-Vorpommerns SPD-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig. Diese traf sich 2021 mit Oleg Eremenko. Nach Recherchen wurde bekannt, dass dieser früher für den Geheimdienst GRU tätig war. Allgemein ist davon auszugehen, dass sie sich aufgrund von Nord Stream 2 mit russischen Gas-Unternehmen häufiger getroffen hat als ursprünglich angenommen wurde. Auch ist ihr mangelnde Transparenz bei der von ihrem Bundesland eingerichteten “Klimaschutzstiftung” vorzuwerfen. Diese wurde hauptsächlich dazu erschaffen, um von den USA auferlegte Sanktionen bezüglich des Baus von Nord Stream 2 zu umgehen und die Pipeline schnellstmöglich fertigzustellen.

Deutschland und insbesondere die Sozialdemokratie müssen sich eingestehen, dass sie Russland nicht gut genug im Blick hatten. Es hätte angemessener auf die russischen Offensiven, die auf Transnistrien, Georgien, den Donbass und auch auf die ukrainische Halbinsel Krim durchgeführt wurden, reagiert werden müssen. Es gab genug Warnungen, doch keine wurde ernst genommen. Auch wir Jusos hätten lauter, deutlicher und klarer sein können. Heute fehlt das Netzwerk zur russischen Opposition, das so wichtig wäre im Kampf gegen Putin von innen heraus. Bei denjenigen, die uns jahrelang vor der politischen Lage in Russland gewarnt haben, bitten wir um Entschuldigung für die Nichtbeachtung, für das Wegwischen, für das Festhalten an einem Entgegenkommen gegenüber Putin. Das hätte nicht passieren dürfen.

Unsere Reaktion auf den Angriffskrieg

Was sich nach Berichten ausländischer Geheimdienste schon Wochen und Monate vor dem 24. Februar 2022 langsam abgezeichnet hatte, schockierte Europa und die Welt dennoch. Unsere unmittelbare Reaktion darauf war Solidarität und gleichzeitige Verurteilung des grausamen, vollumfänglichen Überfalls Russlands auf die Ukraine. Putins grenzenlose Aggression war der Welt nicht erst seit dem Überfall auf die Ukraine bekannt. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass der Krieg nicht der Krieg der russischen Zivilgesellschaft ist, sondern einzig und allein von einem Mann ausgeht. Unser oberstes Ziel lautete, lautet und wird lauten: Frieden.

Bei der Verfolgung dieses Ziels verabschiedete der Landesvorstand am 1. März 2022 jedoch ein Positionspapier, das für uns heute in einem wesentlichen Punkt nicht mehr tragbar ist. Wir stehen weiterhin zu den wirtschaftlichen Sanktionen, die von der Weltgemeinschaft auf Russland auferlegt wurden. Ein Punkt, zu dem wir heute jedoch nicht mehr stehen können, ist das Ablehnen von Waffenlieferungen an die Ukraine. Nach mehr als einem Jahr Krieg – und schon deutlich früher – wurde klar, dass die umfangreichen Waffenlieferungen des Westens an die Ukraine nicht nur notwendig, sondern auch unterstützenswert sind. An dieser Stelle ist für uns klar: Anders als es einige “pazifistische” Bewegungen, wie die von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer, behaupten, dienen diese Waffenlieferungen der Ukraine nicht zur Eskalation einer Konfliktspirale oder gar zu einem dritten Weltkrieg. Sie sind in jedem Fall notwendig, damit die ukrainische Bevölkerung ihre Souveränität, ihr Staatsgebiet, ihre Kultur und ihre Mitmenschen schützen und die Putinsche Aggression abwehren kann. Forderungen nach einem einseitigen Waffenstillstand oder einer Einstellung der westlichen Unterstützung sind hirnrissig und leugnen die wahren Gegebenheiten in diesem Konflikt: Die Aggression geht einzig und allein von Russland aus, und wenn die Ukraine diesen Aggressionen weicht, gibt es keine Ukraine mehr. Das einzige Friedensszenario ist ein Szenario, in dem die Ukraine ihr gesamtes Staatsgebiet inklusive der Krim wiedergewinnt. Auch wenn unklar ist, wann und auf welchem Wege das mit dem heutigen Russland möglich sein wird, ist ein Abrücken von diesem Ziel nicht vertretbar. Ein EU-Mitgliedschaft soll der Ukraine auch dann ermöglicht werden, wenn Teile des ukrainischen Territoriums besetzt sind. Für die daraus resultierenden Herausforderungen muss Europa eine Lösung finden, um dem Willen der Menschen in der Ukraine, Teil der EU zu werden, entgegenzukommen. Ein ähnliches Verfahren muss auch für Georgen möglich sein, solange es nicht zur Rückgabe von Abchasien und Südossetien kam.

Was außerdem klar ist: Bei Waffenlieferungen endet unsere Solidarität nicht. Vor und besonders seit Beginn des Krieges stehen wir im engen Austausch mit unseren Partner*innen- und Schwesterorganisationen in der Ukraine. Dazu gehört auch die SD Platform – am 16. Januar 2023 veröffentlichte diese eine Mitteilung zu aktuellen Raketenangriffen auf die Ukraine. Dort betont die Organisation, wie wichtig es ist, zu kommunizieren, dass einzig Russland für die aktuell hervortretende Krise in Europa zuständig ist. Sie stehen für eine “sozialdemokratische Agenda” mit internationaler Unterstützung und wir möchten sie und weitere uns nahestehende Gruppen dabei unterstützen.

Neben Waffenlieferungen und Partnerschaften in die Ukraine ist auch die humanitäre Hilfe ein essentieller Bestandteil der Bemühungen um einen Frieden. In der Ukraine wurde durch den russischen Angriffskrieg, durch Mord, Vergewaltigung und massiven Beschuss ziviler Infrastruktur eine humanitäre Krise von unvorstellbarem Ausmaß ausgelöst. Ganze Landstriche sind tagelang von der Strom-, Wasser- und Wärmeversorgung abgetrennt. Dadurch ist es wichtig, dass die Staaten auf diplomatischer Ebene die Ukraine nicht mit notwendigen Materialien und finanziellen Mitteln versorgen, die sie benötigt, um die russische Aggression zu überstehen. Auch müssen alle Menschen – ganz gleich, welcher Herkunft oder Ethnizität – die sich dazu entscheiden, nach Deutschland zu flüchten, sofort und bürokratisch aufgenommen werden können. Wir begrüßen die Anstrengungen der Kommunen und der Bundesregierung, die in diese Richtung bislang getroffen worden sind. Weitere Hilfen sind hier jedoch gefragt, um die Situation für die Menschen vor Ort und in Deutschland so weit zu verbessern wie möglich.

Unsere Partner*innen und was wir erreichen wollen

Internationale Solidarität lebt vom Zuhören, vom Verständnis und dem Bilden von Zusammenhalt jenseits staatlicher Diplomatie. Wir leiten unsere politischen Konsequenzen nicht aus einer Beobachtung aus der Ferne, sondern aus dem aktiven Dialog mit Gleichgesinnten in den Regionen ab. Damit übernehmen wir nicht unreflektiert Positionen anderer Organisationen, sondern betonen unseren Anspruch, Forderungen der internationalen Politik stets auf den Prüfstand der Realität vor Ort zu stellen.

Sozialistisch-demokratische, progressive und sozialdemokratische Kräfte haben es in der Ukraine nicht leicht, doch wie in jedem anderen Land der Welt gibt es selbstredend organisierte junge Menschen mit linken politischen Ansichten. Die Jugend der SD Platform in der Ukraine ist uns als Schwesterorganisation über YES und IUSY die erste Ansprechstelle. Auch andere sozialistische Organisationen, wie zum Beispiel Sotzialistij Ruch, können eine relevante Anlauf- und Informationsstelle für eine sozialistische Perspektive aus der Ukraine sein.

Mit dieser Herangehensweise positionieren wir uns unmissverständlich gegen vermeintliche Friedensaktivist*innen, die ungeachtet linker Bewegungen in der Ukraine einen sofortigen Waffenstillstand fordern. Wir verurteilen diese Aufrufe, die zu oft lediglich dem Erregen von Aufmerksam durch künstliche Kontroverse dienen, auf das allerschärfste. Im Einklang mit Sozialist*innen und progressiven Jugendbewegungen vor Ort stellen wir fest, dass in den aktuell durch Russland besetzten und annektierten Gebieten ethno-nationalistische Gewalt und Unterdrückung drohen. Die Kriegsverbrechen von Butscha sind ein mahnendes Beispiel für die Enthemmtheit von Putins Kriegsführung. Daraus lässt sich nicht schließen, dass ein Entgegenkommen die Lage der Menschen verbessern würde.

Wir erklären es daher zu unserem Ziel, die Möglichkeit der Selbstverteidigung der überfallenen Menschen in der Ukraine sicherzustellen, Fluchtwege offen zu halten sowie umfassende humanitäre Hilfe zu gewährleisten. Weder wir noch unsere Partner*innen möchten dabei einen Kriegseintritt von NATO-Staaten, um eine weitere Phantomdebatte aufzulösen. Die Annektierungen Russlands dürfen nicht anerkannt werden, ein Hinwirken auf die Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine bleibt das Ziel. Dabei ist uns klar, dass dieses Ziel nicht in kurzer Zeit zu erfüllen ist und wir die Aufmerksamkeit nicht abwenden dürfen. Ein Waffenstillstand ist nur dann denkbar, wenn dies der Wille der Bevölkerung in den Kriegsgebieten ist und darf nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg entschieden werden.

Auch nach dem Krieg dürfen wir die Ukraine nicht vergessen. Den Wiederaufbau von Demokratie, Sozialismus und die Stärkung feministischer sowie antifaschistischer Kräfte in der Ukraine werden wir tatkräftig unterstützen. Insbesondere die langfristigen Folgen eines Krieges, die angerichteten Traumata und die aufgezwungene Militarisierung einer ganzen Gesellschaft zählen zu den größten Herausforderungen. Der zivilgesellschaftliche Dialog und Austausch muss etabliert werden, die Ressourcen unseres Verbandes müssen genutzt werden.

II. Wir sind Internationalist*innen

Internationalismus heißt Antimilitarismus

Antimilitarismus in unserer Bewegungsgeschichte

Als sich 1907 die “Sozialistische Jugendinternationale” (heute: IUSY) in Stuttgart gegründet hat, sah sie sich mit einer Welt des zunehmenden Nationalismus und der Aufrüstung konfrontiert, die im Ersten Weltkrieg mündete. So ist es gekommen, dass Antimilitarismus und der Einsatz für Abrüstung und Frieden ein Grundpfeiler der sozialistischen Jugendarbeit wurden. Die Kriegstreiberei Deutschlands, die im Naziterror gipfelte, festigte diese Haltung in der Lösung: Nie wieder Krieg. Nie wieder Faschismus. Gerade die Flucht und Verfolgung von Sozialist*innen und Kommunist*innen, die von Nazi-Deutschland angerichteten Kriegsverbrechen, darunter die Shoa, der Überfall seiner Nachbarländer und das Anzetteln des Zweiten Weltkrieges, prägen unseren Kampf gegen Krieg, Waffen, Völkermord und Gewalt maßgeblich. Dass von Deutschland nie wieder Krieg ausgehen darf, weder als Beihilfe, noch als Aggressor, ist ein unverrückbarer Teil unserer Identität als Jungsozialist*innen und Antifaschist*innen.

Die antimilitaristische Jugend stand oft im Widerspruch zur Mehrheitssozialdemokratie: Die Zustimmung zu den Kriegskrediten, die Niederschlagung der Revolution von 1918 tauchen selbst heute noch häufig in der politischen Auseinandersetzung auf, sowie die schnelle Zustimmung der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik, der NATO-Doppelbeschluss, die atomare Teilhabe oder die ersten Kriegseinsätze des deutschen Militärs nach 1945.

Unser Militarismusbegriff ist demnach tief in der Geschichte unserer Bewegung verwurzelt und stellt sich der Frage: Warum gibt es Krieg? Die Definition der Zweiten Internationalen, der auch Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zuzuordnen sind, spricht vom Krieg als die staatliche Durchsetzung der Interessen von Kapitalist*innen. Die Erschließung neuer Märkte, notfalls mit Gewalt, eine boomende Waffenindustrie und Rendite aus Wiederaufbaumaßnahmen sind Beispiele, wie aus Krieg Profit gezogen werden kann. Die Konkurrenz nationaler Kapitalist*innen entlädt sich nach Luxemburg stets im Krieg. Daraus folgt: Wer antimilitaristisch ist, muss auch antikapitalistisch sein. Militarismus sei nach Liebknecht die Summe aller friedensstörender Tendenzen des Kapitalismus, sowohl durch einer Überpräsenz des Militärs nach innen, zum Beispiel durch Einsätze gegen die eigene Bevölkerung oder höherer Präsenz bewaffneter Soldat*innen im öffentlichen Raum, sowie nach außen durch Angriffskriege und Besatzung.

Eng mit dem Verständnis von Militarismus verknüpft ist der Imperialismusbegriff, der auch seit dem Angriffskrieg Russlands häufiger verwendet wird, jedoch anders als in der Zweiten Internationalen. Als Imperialismus beschreibt die Zweite Internationale den Prozess, in dem der militärisch-industrielle Komplex als Vernetzung von Politik, Kapital und Rüstungsindustrie für den eigenen Profit erst Aufrüstung, und damit unausweichlich Krieg herbeiführt. Dies ist beispielsweise im 19. Jahrhundert massenhaft durch den Überfall und die Kolonialisierung des afrikanischen Kontinents durch europäische Großmächte oder in Form des Wettrüstens im frühen 20. Jahrhunderts, das in den Ersten Weltkrieg führte, geschehen. Damit können kapitalistisch organisierte Staaten gar nicht antiimperialistisch handeln, da sie diesen Mechanismus nicht aushebeln. Daraus folgt die Position: Je mehr Waffen, je mehr Aufrüstung, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sie auch eingesetzt werden und dass es zu Krieg kommt. Auch wir teilen diese Überzeugung nach wie vor und sprechen uns daher gegen das Sondervermögen für die Bundeswehr, das 2%-Ziel der NATO sowie eine massive Aufrüstung in Europa aus. Insbesondere unterstützen wir den Atomwaffenverbotsvertrag sowie die unverzügliche Vernichtung aller ABC-Waffen auf der Welt durch Abrüstungsabkommen.

Was bedeutet der historische Hintergrund für uns heute angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine? Aus der Auseinandersetzung mit der Geschichte ziehen wir folgende Beobachtungen und Konsequenzen:

 

  • Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion kam es zu militärischen Interventionen, die von Russland ausgegangen sind. Insbesondere seit der ersten Amtszeit Putins wurde das Militär häufiger und hemmungsloser auch gegen Nachbarländer eingesetzt. Unter anderem durch die Besetzung von Transnistrien (Moldau), Abchasien und Südossetien (Georgien) sowie der Krim und Teilen des Donbass (Ukraine) wurde Russland ein zunehmend aggressiver Akteur auf der Weltbühne.
  • Auch im Inneren kam es beispielsweise zu den zwei Tschetschenienkriegen und, insbesondere seit Putins Machtantritt, zur Repression ethnischer Minderheiten, von Journalist*innen, Demokrat*innen, Menschenrechtler*innen, der LGBTIQA+ community und vielen weiteren Menschen, oft wenig beachtet von den Zivilgesellschaften im Westen.
  • Kapitalist*innen im Westen haben jahrzehntelang Geschäfte mit denen gemacht, die diese aggressive Expansion vorangetrieben haben und von diesen maßgeblich profitiert haben. Putin; das ist vor allem auch ein System. Bis zuletzt hielt man an Projekten wie beispielsweise Nord Stream 2 fest. Auch wir müssen selbstkritisch auf die letzten Jahrzehnte zurückblicken und erkennen, was wir nicht erkannt haben. Dieser Krieg wurde und wird durch kapitalistische Interessen möglich gemacht.
  • Durch den Kriegsbeginn sind die Aktienkurse von Waffenproduzenten angestiegen. Krieg ist und bleibt lukrativ und im Interesse des Kapitalismus. Dem muss entschieden entgegengewirkt werden, kurzfristig kann dies durch eine Verstaatlichung der Rüstungsindustrie und eine Begrenzung der Militärausgaben gelingen.
  • Die Opposition in Russland wird seit Kriegsausbruch noch stärker unterdrückt. Die staatliche Verfolgung insbesondere von feministischen, sozialistischen und progressiven Kräften erreichte einen neuen Höhepunkt, der Einsatz militärischer Mittel im Inland wurde verstärkt. Der Krieg hilft Putin und seinem Regime, ihre Diktatur zu festigen.
  • In Westeuropa beobachten wir eine Diskursveränderung, die massive Investitionen in Militär und Waffen, den Ausbau atomarer Arsenale und der Demonstration militärischer Macht zur Abschreckung mehr und mehr als alternativlos darstellen.
  • Die Frage, ob und wer auch im Rahmen kapitalistischer Staaten durch Waffenlieferungen unterstützt werden kann, um das Recht auf Selbstverteidigung durchzusetzen, spaltet die Friedensbewegung tief.
  • Westliche Staaten und Kapitalist*innen selbst verwenden immer häufiger “Imperialismus” als Begriff, jedoch ausschließlich auf Russland angewandt. Der russische Überfall auf die Ukraine wird immer häufiger benutzt, um in alte Gut-Böse, West-Ost-Binaritäten zurückzufallen.

Militarismus seit dem Kriegsausbruch

Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine tendiert der öffentliche und auch innerparteiliche Diskurs immer mehr in eine Richtung, die nicht nur beängstigend, sondern auch gefährlich ist. Die als “historisch” bezeichnete Zeitenwenden-Rede von Olaf Scholz vor dem Deutschen Bundestag am 27. Februar 2022 enthielt immerhin eine klare Positionierung der Bundesregierung und der SPD: Die Nachricht ist, dass wir an der Seite der Ukraine stehen und sie gegen die Aggression seitens Russlands unterstützen, wo immer es geht. Gleichzeitig müssen wir einige Abschnitte dieser Rede kritisieren, allem voran das damals angekündigte und einige Monate später beschlossene Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro. Selbst einige Mitglieder der Fraktion waren überrascht, als Olaf Scholz die Maßnahme vor dem deutschen Parlament verkündete, da sie nicht im Vorhinein abgesprochen war und ihr kein Fraktions- oder Regierungsbeschluss zugrunde lag. Warum wir dieses Sondervermögen für die Bundeswehr angesichts der anderen, nicht übersehbaren Missstände in der Ampel-Haushaltspolitik ablehnen, haben wir bereits im Initiativantrag INI01 auf der Landeskonferenz im Mai 2022 ausführlich festgehalten. Auch das NATO-konforme 2%-Ziel ist in diesem Zusammenhang zu kritisieren.

Eine noch abstrusere Debatte war beim Thema Wehrpflicht zu verfolgen. Besonders aus der schwarzen und braunen Opposition im Bundestag, aber auch aus Teilen der SPD wurden im letzten Jahr wiederholt Stimmen für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht laut. Junge Menschen müssten gezwungen werden, ihr Land im Ernstfall zu verteidigen, da die Bundeswehr sonst nicht arbeitsfähig sei, hieß es. Es würde den jungen Menschen gut tun, wieder einen Beitrag zur Gesellschaft leisten zu müssen, sagten sie. Diese Gedanken und Forderungen lehnen wir, passend zu unseren bisherigen und zu Bundesbeschlusslagen, weiterhin entschieden ab. Ebenso misslungen und gefährlich finden wir die Einschätzung des SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil, Deutschland müsse wieder eine “militärische Führungsmacht in Europa” werden. Und wenn Friedrich Merz bei Flucht von Menschen aus der Ukraine über eine “Einwanderung in die Sozialsysteme” spricht, ist das einfach nur widerlich. Solche menschenfeindlichen Äußerungen, wie sie eben nicht nur von der rechtsextremen AfD kommen, sondern auch bei der “bürgerlichen” CDU und CSU seit Monaten immer wieder zu hören sind, sind ein Schlag ins Gesicht aller Menschen, die in Deutschland auf ein besseres Leben hoffen und derer, die in der Ukraine für den Fortbestand ihres eigenen Landes kämpfen. Wir stehen solidarisch an der Seite aller Geflüchteten und unterstreichen unsere unmissverständliche Solidarität mit denen, die vor Krieg und Gewalt ihr Zuhause aufgeben müssen.

Unsere Leitlinien für antimilitaristische Politik heute

Dieser Verschiebung im aktuellen Diskurs möchten wir uns entschieden entgegenstellen und unsere antimilitaristischen Werte mit Nachdruck bekräftigen. Unsere Vision ist und bleibt eine Welt ohne Militär – Abrüstung muss der Kern militärischer Debatten sein. Das oberste Ziel in Konfliktfällen muss die gewaltfreie Lösung sein, sofern die Konflikte nicht bereits durch Präventivarbeit gar nicht aufkamen. Aus diesem Grund verurteilen wir die aktuelle Glorifizierung von Krieg, Tötung und Gewalt, wie sie sich beispielsweise in Memes (z.B. “NAFO”, “North Atlantic Fella Organization”) und durch das Verbreiten von Videos und Bildern aus dem Kriegsgebiet momentan äußert. Militarismus darf keinen solch ruhmreichen Platz in unserer Gesellschaft haben, denn eine solch positive Darstellung von Gewalt stiftet zu noch mehr Gewalt an, statt sie zu verhindern. Die Stellvertreterkriege zu Zeiten des Kalten Krieges haben uns gelehrt, dass Abschreckung durch Aufrüstung nicht ganzheitlich funktioniert. Mehr Waffen münden stets in mehr Gewalt.

Wir legen für unsere internationalistische Politik folgende Leitlinien fest:

  • Antimilitarismus bleibt einer der grundlegenden Werte für Jungsozialist*innen.
  • Wir lehnen die Wehrpflicht ab.
  • Wir lehnen Bundeswehreinsätze im Inneren ab. Der Katastrophenschutz muss aus zivilen Organisationen leistbar sein.
  • Wir lehnen Bundeswehreinsätze im Ausland ab. Diese sind nur in Einzelfällen und im Einvernehmen mit den Vereinten Nationen sowie den Betroffenen vor Ort vertretbar. Einsätze, die vordergründig der Sicherung kapitalistischer oder machtpolitischer Interessen dienen, lehnen wir klar ab.
  • Militärische Interventionen bei Völkermord, Kriegsverbrechen und Völkerrechtsverletzungen sind unter strengen Voraussetzungen möglich, müssen von Fall zu Fall jedoch individuell bewertet werden und sind nur im Einklang mit der internationalen Gemeinschaft denkbar.
  • Ausrüstung von Streitkräften darf nie zum Selbstzweck oder hypothetisch vorsorglich geschehen, sondern nur als Reaktion auf konkrete Bedrohung hin – damit lehnen wir die aktuellen Debatten über eine generelle Aufrüstung ab.
  • Es braucht eine stabile Friedensarchitektur inkl. der sogenannten Großmächte, aber ohne Sonderrechte für diese.
  • Die Bundeswehr muss zahlenmäßig begrenzt bleiben.
  • Die Bundeswehr hat an Schulen nichts verloren.
  • Wir fordern die Unterzeichnung und Umsetzung des Atomwaffenverbotsvertrags.
  • Wir stellen uns gegen Desinformation, Glorifizierung und Fälschung von und über Kriegsgeschehen.
  • Wir erklären uns solidarisch mit allen, die vor Kriegen fliehen und fordern die Schaffung von sicheren Fluchtwegen sowie von lebenswerten Unterkünften in Europa.
  • Es ist schnellstmöglich dafür zu sorgen, dass die Produktion und die Verbreitung von Waffen zu keinem Profit mehr führen kann. Dies ist nur durch eine Verstaatlichung und eine Verschärfung der Kontrolle der Ausfuhren möglich.

Gesellschaften sollen und dürfen nicht um ihr Militär herum aufgebaut sein. Friedliche und antimilitaristische Strukturen und Lösungen sind das erste Mittel der Wahl.

Internationalismus heißt Antikapitalismus

Kapitalismus lebt von Ausbeutung und Abhängigkeiten. Ausbeutung und wirtschaftliche und soziale Abhängigkeiten haben uns zu dem Punkt gebracht, in dem der wirtschaftliche Wohlstand weltweit ungleich verteilt ist.  Durch die protektionistische Handelspolitik der Länder des globalen Nordens wurden die wirtschaftliche Abhängigkeiten in den Ländern des globalen Südens erzwungen und dadurch große Disparitäten erschaffen. Weltweit beobachten wir große Ausbeutung, wie im Kongo, wo Kinder in Minen Kobalt für unsere Konsumzwecke abbauen, oder in Bangladesch, wo der Gebäudeeinsturz einer Fabrik zu über einem Tausend verlorener Menschenleben geführt hat. Es gibt Hunderte von Beispielen, die beweisen, dass die globale Ausbeutung eine für sehr viele Menschen furchtbare Realität und Alltag ist. Unser internationalistisches Ziel ist es, den Kapitalismus als das System zu überwinden, das auf Ausbeutung beruht.

Lieferketten in den Griff bekommen

Ein Weg, um gegen die kapitalistische Ausbeutung vorzugehen, ist ein starkes Lieferkettengesetz auf EU-Ebene zu verabschieden. Die aktuellen Maßnahmen sind lediglich kosmetisch und reichen lange nicht aus, um für Gerechtigkeit und Handel auf Augenhöhe zu sorgen. Viele Menschen und unsere Natur leiden unter unkontrollierten Wertschöpfungsketten westlicher Unternehmen. Wenn ein Lieferkettengesetz die Unternehmen nicht dazu verpflichtet, Verantwortung für die eigenen Prozesse zu übernehmen, Menschenrechte zu achten und Klima und Umweltstandards zu folgen, werden dieselben nicht eigenständig, und auf alle Fälle nicht in ausreichendem Maße Konsequenzen für das eigene Wirtschaften wahrnehmen. Die faktisch leeren Selbstverpflichtungen beweisen uns dies.

Mit der Corona-Pandemie und Russlands Krieg gegen die Ukraine kam es zu großen Beeinträchtigungen in den Lieferketten, die nochmals deutlich gemacht haben, dass wir ein EU-Lieferkettengesetz brauchen, das klare Klimapflichten in der Lieferkette definiert, das Geschädigten die Möglichkeit für eine Klage und Wiedergutmachung von Schäden zusichert und auch die gesamte Lieferkette der Unternehmen erfasst. Wir stehen klar gegen generelle Waffenexporte, aber in unserer aktuell noch von Waffen zersetzen Welt müssen auch jedwede Waffenexporte in einem solchen EU-Lieferkettengesetz miterfasst werden. Denn Kapitalismus und Waffengewalt sind lediglich zwei Seiten derselben Medaille: militärische Konflikte sind die höchste Stufe der imperialistischen Auseinandersetzungen in einer kapitalistischen Welt.

Die wirtschaftliche Ausbeutung ist aber nicht nur ein Phänomen auf der Nord-Süd Linie, sondern existiert auch innerhalb des europäischen Wirtschaftsrahmens. Ein Beispiel dafür sind die negativen Auswirkungen der Privatisierung vieler Sektoren in den ehemaligen Ostblock-Staaten. Die misslungene und intransparente Transition der Wirtschaft führte zur Plünderung der Sozialsysteme und des Industriekapitals dieser Länder. Wir sind der Überzeugung, dass die Einführung der kapitalistischen Wirtschaft mehr zur Ausbeutung durch übermächtige, westliche Investor*innen geführt hat, als zu dem von vielen erhofften Wohlstand. Mit Hinblick auf die möglichen Erweiterungsstaaten, die alle eine misslungene Transformation ihrer lokalen Wirtschaftskreisläufe hinter sich haben, ist eine Änderung des wirtschaftlichen Rahmens der EU dringend notwendig, damit die wirtschaftliche und soziale Sicherheit in allen Mitgliedstaaten erreicht wird.

Nur mit der Überwindung von neoliberaler Wirtschaftspolitik und ihrer kapitalistischen Auswüchse  können wir an den Punkt kommen, an dem kritische Abhängigkeiten aller Staaten – sei es in der Energieversorgung oder in Lieferketten – nicht mehr das Gewöhnliche sind oder als Notwendigkeit erachtet werden. Das wird nur gelingen, wenn nicht nur in einzelnen Staaten, sondern auf der ganzen Welt der Weg zu einer sozialistischen Wirtschaftsordnung hin geebnet wird und der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit aufgehoben werden kann. Bis dahin kämpfen wir für eine Wirtschaftspolitik, die Menschenrechtsbrüche und globale Ungleichheiten beseitigt.

Für einen echten wertebasierten Wirtschaftshandel statt Greenwashing!

Wirtschaftliche Abhängigkeiten sind jedoch nicht nur für geschwächte Staaten harte Realität. Auch wirtschaftlich starke Staaten geraten oder bringen sich selbst in solche Abhängigkeiten. Ein Beispiel hierfür ist Deutschlands gravierende Abhängigkeit von Energieimporten, bis vor Kurzem besonders von russischem Erdgas. Welche Konsequenzen diese deutsche Abhängigkeit hat, wurde in der aktuellen Lage des Angriffskrieges offenbart. Deutschland, in Sorge um seine auf russischem Gas basierte Energieversorgung, musste im Hinblick auf EU-Sanktionen gegen Russland zögern und zaudern, während andere Staaten gerne schneller und härter reagiert hätten – und konnten. Sie hatten sich nicht in kritischer Infrastruktur von Russland abhängig gemacht und sind deshalb in der Lage, freier und entsprechend(er) ihrer Werte zu agieren. Der erste Schritt zu wertebasiertem Handel ist folglich, sich in seiner Grundversorgung unabhängig zu machen, um als Land nicht bzw. deutlich weniger erpressbar zu sein in seinen politischen Aktivitäten und Entscheidungen. Deutschland stehen hierfür Mittel und Wege zur Verfügung, nicht nur in der Energieversorgung. Sie wurden aber die letzten Jahrzehnte vernachlässigt oder gar ausgebremst, statt zum eigenen Vorteil und damit zur eigenen Unabhängigkeit ausgebaut zu werden.

Innerhalb des Kapitalismus kann es nie zu einem vollständigen, ethisch vertretbaren Wirtschaften kommen. Und doch müssen wir heute die ersten Schritte gehen und Werte festlegen, die sich an sozialistischen und feministischen Standards messen lassen. Diese Werte, nach welchen wirtschaftlicher Handel betrieben werden soll, müssen sich von der aktuell hauptsächlich funktionalen Perspektive auf folgende verschieben:

  • Grundlage bilden freiheitlich-sozialistische Werte, die das menschliche Wohlergehen und gute Arbeit in den Mittelpunkt stellen.
  • Menschenrechte werden bedingungslos eingehalten.
  • Arbeiter*innen und das Gemeinwohl stehen im Vordergrund, keinesfalls der Profit.
  • Kampf gegen Ausbeutung: Handel nur auf Augenhöhe und wenn alle Seiten profitieren, dabei müssen insbesondere Verteilungsungerechtigkeiten innerhalb der beteiligten Länder berücksichtigt werden.

Wir fordern, dass Deutschland seine Handelspartner*innen in drei Kategorien einteilt, die sich an demokratischen und sozialistischen Standards messen. Länder, die alle Kriterien erfüllen, eignen sich auch in dieser Weltordnung als Handelspartner*innen auf Augenhöhe. Länder, die diese nur teilweise erfüllen oder bereits als autoritär definiert werden können, sollen nur noch sehr eingeschränkt als Handelspartner*innen in Frage kommen. Die drei Kategorien sollen lauten:

  1. Bevorzugte Parter*innen.
  2. Enge Partner*innen.
  3. Funktionale Partner*innen.

Langfristiges Ziel soll sein, alle Handelsbeziehungen nur noch mit Partner*innen der Gruppe 1 zu tätigen; nur wo dies im kritischen Einzelfall nicht möglich ist, auch mit Gruppe 2. Beziehungen mit Partner*innen der Gruppe 3 sollen kurzfristig vollständig eingestellt werden.

Bevorzugte Partner*innen sind demokratisch organisiert. Die Rechte von Individuen, insbesondere von Angehörigen von Minderheiten und marginalisierten Gruppen, sind effektiv einklagbar. Es gibt eine sozialstaatliche Verfassung und von dem Staat gehen keine friedensstörenden Aktivitäten aus. Diese, und weitere noch genauer zu definierende Kriterien, sollen unmissverständlich erfüllt werden.

Enge Partner*innen erfüllen diese Kriterien nach wie vor, jedoch kann es bei einzelnen Kategorien zur Diskussion stehen, ob demokratische und soziale Standards vollständig eingehalten werden. Hier muss insbesondere darauf geachtet werden, ob es zu einer Verbesserung oder zu einer Verschlechterung der Lage kommt.

Funktionale Partner*innen sind gelenkte Demokratien, Autokratien und Diktaturen sowie Staaten, in denen Menschen oder Menschengruppen eingeschränkt sind, grundlegende Rechte auch gegen Unternehmen oder Kapitalinteresse einzuklagen. Ebenso fallen in diese Kategorie Staaten, die aktiv den Weltfrieden stören oder manipulieren. Mit diesen Ländern darf kein Handel mehr betrieben werden und Sanktionen, gerichtet auf die wirtschaftliche Elite sowie das Regime, müssen in Kraft gesetzt werden. Auch präventive Sanktionen sind möglich.

Globaler Arbeiter*innenkampf

Einer unserer oben genannten Werte ist der Kampf gegen die Ausbeutung von Arbeiter*nnen. Diesen Wert haben wir Sozialist*innen seit jeher global verstanden – vor allem in einer globalisierten Welt kann er auch nicht auf Arbeiter*innen in Deutschland beschränkt sein. Wir verfolgen den Kampf gegen Ausbeutung international. Aus diesem Grund fordern wir zum einen eine radikale Verschärfung des beschriebenen EU-Lieferkettengesetzes in einer Form, die tatsächlich zu Konsequenzen für ausbeuterische Unternehmen führt. Zum Anderen fordern wir die Unterstützung von und Ausrichtung an globalen Gewerkschaftskämpfen. Arbeitskämpfe kennen keine nationalen Grenzen und internationale Zusammenarbeit muss es als seine Kernaufgabe begriffen, Arbeiter*innen Plattformen zur grenzüberschreitenden Organisation zu bieten und Arbeitskämpfe zusammenzuführen. Wir unterstützen globale gewerkschaftliche Zusammenschlüsse ausdrücklich und hoffen auf eine stärkere weltweite Organisation.  Denn außer an einigen wenigen Hauptknotenpunkten des globalen Handels haben nationale Arbeiter*innenkämpfe kaum die Schlagkraft der Vergangenheit – Unternehmen haben heute viel mehr weltweite Ausweichmöglichkeiten. Es ist also essentiell, internationale Arbeitskämpfe zu unterstützen sowie auch zu initiieren. Da weltweiter Handel auf einem funktionierenden Transport- und Logistikwesen fußt, sehen wir hier ein besonders effektives Potential für Arbeitskämpfe mit massivem Einfluss, der tatsächlich große Verbesserungen für die Arbeiter*innen schaffen könnte.

Welchen Preis sind wir bereit zu zahlen – und für was überhaupt?

Klar ist, dass wertebasierter Handel sowie weltweit tatsächlich faire Arbeitsbedingungen für alle Konsumgüter die aktuellen Dumping-Preise erhöhen werden, auf ihren echten Wert. Diese Punkte und damit das, was die Betriebswirtschaft “Externalitäten” (Kosten, die sich nicht auf den Verursachenden, sondern auf unbeteiligte Personen auswirken, z.B. Umweltschäden) nennt, würden endlich in den Preis miteinfließen. Doch viele Menschen, auch in unseren westlichen Gesellschaften, sind auf niedrige Preise angewiesen.

Internationalismus heißt Kampf dem Patriarchat

Unser jungsozialistischer erweiterter Sicherheitsbegriff umfasst in einer globalisierten Welt mehr als nur militärische und politische Sicherheit. Es geht nicht um den Schutz von Individuen und von Gewalt besonders betroffenen, vulnerablen Gruppen, sondern auch um den Kampf für Ernährungssicherheit und gegen Armut. Ebenso wichtig ist die Bekämpfung des Klimawandels, welcher gerade im Globalen Süden Lebensgrundlagen gefährdet. Auch muss durch globale Solidarität eine starke und demokratische Zivilgesellschaft gefördert werden, um diese in den jeweiligen Staaten mehr in die Entscheidungsfindung einzubeziehen und militärischen Konflikten präventiv entgegenzuwirken.

Bisher spielt die Frage von internationaler Geschlechtergerechtigkeit und dem Streben nach dem Abbau von patriarchalen Strukturen eine viel zu geringe Rolle. Außen- und Sicherheitspolitik sind eng miteinander verbunden und haben für alle Staaten eine hohe Bedeutung. Die traditionelle Sicherheitspolitik wurde oft durch Dominanz und Repression, einschließlich militärischer Gewalt, geprägt, um nationale Interessen zu verteidigen. Feministische Außenpolitik hingegen legt den Fokus auf die menschliche Sicherheit, Geschlechtergerechtigkeit und den Abbau von patriarchalen Strukturen als zentrales Element für Frieden. Das Verständnis von Sicherheit geht über die staatliche Sicherheit hinaus und beinhaltet medizinische Versorgungssicherheit und Klimagerechtigkeit. Eine resilientere Gesellschaft ist eine sicherere Gesellschaft, und soziale Absicherung, wissenschaftlicher und technologischer Fortschritt sowie eine starke Daseinsvorsorge sind notwendig.

Eine feministische Außenpolitik ist dringend notwendig – angesichts der Auswirkungen von Covid-19, der Klimakatastrophe, des Backlashes im Bereich des legalen Zugangs zu Schwangerschaftsabbrüchen und sexualisierter Kriegsverbrechen an Frauen und Kindern.

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass nachhaltiger Frieden eher gelingt, wenn auch Frauen an den Verhandlungen beteiligt sind. Frauen sollten stärker in Friedensverhandlungen einbezogen werden, da sie aufgrund ihrer Erfahrungen mit Diskriminierung im Patriarchat wichtige Perspektiven einbringen. Friedensprozesse, an denen Frauen beteiligt sind, rücken nicht nur militärische, sondern auch zivile Sicherheit und wirtschaftliche Erholung in den Fokus und können Radikalisierung entgegenwirken. Es ist jedoch immer noch unzureichende Finanzierung und Unterstützung für die Beteiligung von Frauen an Friedensverhandlungen vorhanden, wie das Beispiel Afghanistan zeigt.

Deshalb fordern wir:

  • Internationale Verbände feministisch aufstellen und mit zusätzlichen finanziellen Mitteln aus bundesweiten und internationale Fördertöpfen unterfüttern
  • Frauen auch in Internationalen Organisationen wie beispielsweise der UN stärken, um auch hier eine feministische Perspektive einfließen zu lassen
  • Feministische Organisationen stärker finanziell unterstützen, insbesondere NGOs, die sich für Gleichberechtigung und Teilhabe einsetzen
  • NGOs keinen Stempel des Globalen Nordens aufdrücken und keine euro- und westzentristischen Maßstäbe anlegen, hierfür ist insbesondere auf die Repräsentation der betroffenen Ländern in den INGOs zu achten
  • Gewalt an Frauen und Kindern, insbesondere Vergewaltigung als Kriegswaffe härter ahnden, Bewusstsein schaffen
  • Friedensverhandlungen dürfen keine elitäre Veranstaltung sein, eine Einbeziehung von zivilen Akteur*innen ist unbedingt notwendig
  • Frauen und andere marginalisierte Gruppen müssen ähnlich ihres Anteils an der Bevölkerung repräsentiert sein
  • Projekte vor Ort müssen auch immer die Stärkung der Frauenrechte und die Unterstützung von Frauen als Teil ihres Mandats definieren
  • Zwangsprostitution und Menschenhandel bekämpfen

Globale Feministische Gesundheitspolitik:

Die WHO definiert Gesundheit als einen Zustand von vollständigem körperlichem, seelischem und sozialem Wohlbefinden, der über das bloße Freisein von Krankheit oder Gebrechen hinausgeht. Der Zugang zu erschwinglicher, qualitativ hochwertiger Gesundheitsversorgung ist ein Menschenrecht, das eng mit anderen Menschenrechten verbunden ist. Der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist jedoch weltweit nicht gesichert, insbesondere für arme, marginalisierte und diskriminierte Bevölkerungsgruppen. Insbesondere FLINTA*s haben aufgrund geschlechtsbezogener Datenlücken und Vorurteile bei der Diagnose und Behandlung von Krankheiten mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen. Koloniale Verhältnisse und Rassismus prägen weiterhin die Gesundheitsversorgung, insbesondere bei der Verteilung von Medikamenten und Impfstoffen. So wird traditionelle Medizin selbst bei nachweislicher Wirkung nicht anerkannt, zahlreiche Erkrankungen zu den sogenannten neglected tropical diseases (NTDs; vernachlässigte tropische Krankheiten) gezählt und obwohl fast jeder Fünfte in der Welt unter ihnen leidet, sind sie für die Erforschung und Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen dennoch nicht von Bedeutung. Eine ungleiche Verteilung weltweit von Medikamenten und Impfstoffen wurde auch während der Covid-19-Pandemie sichtbar. Die WHO ist in ihrer Arbeit dem entgegenzutreten durch unzureichende finanzielle Mittel eingeschränkt.

Ziel einer globalen feministischen Gesundheitspolitik ist:

  • Keine Person darf negative Folgen bezüglich ihrer Gesundheit erleben, weil sie aufgrund von Faktoren wie Geschlecht, Hautfarbe, sexueller Orientierung, Klasse oder Herkunft diskriminiert oder schlechter behandelt wird.
  • Der Ansatz globaler Gesundheitspolitik muss antirassistisch, feministisch und intersektional sein und bei allen Bestrebungen die Dekolonialisierung vorantreiben.

Deshalb fordern wir:

  • Die echte Anerkennung und Sicherstellung des Menschenrechts auf Gesundheit der internationalen Staatengemeinschaft.
  • Die Gewährleistung einer ausreichenden Finanzierung von Gesundheitsleistungen weltweit.
  • Stärkung und bessere finanzielle Ausstattung der WHO sowie Entkopplung der Gelder von einzelnen Projekten oder Themen, damit sie ihre Hauptaufgabe – die Bekämpfung von Erkrankungen und Förderung der allgemeinen Gesundheit aller Menschen – weltweit erfüllen kann.
  • Berücksichtigung von Gender und Feminismus in der globalen Gesundheitspolitik.
  • Die Freigabe von Patenten im Gesundheitswesen.

Hierzu zählt:

  • Dekolonialisierung der globalen Gesundheitspolitik
  • Die Versorgung und der reale Zugang zu Leistungen der reproduktiven Gesundheit muss gewährleistet sein, sodass eine adäquate Betreuung während der Schwangerschaft vorliegt und Schwangerschaftsabbrüche weltweit sicher und legal sind. Schwangerschaftsabbrüche müssen entkriminalisiert werden und als Menschenrecht gelten.
  • Behebung der geschlechtsbezogenen Datenlücke in der Erforschung von Krankheiten sowie in der Entwicklung von Medikamenten als auch in der Aufklärung über diese (Symptome)

Klimagerechtigkeit & Feminismus:

Bei einer feministischen Betrachtungsweise von Sicherheits- und Außenpolitik darf das Feld der Klimagerechtigkeit nicht fehlen. Der Begriff Klimagerechtigkeit beschreibt dabei die gemeinsame internationale Verantwortung, insbesondere der Hauptverursacher*innen von Klimaschäden, sich für Klimaschutz einzusetzen, durch ihr Handeln entstandene Schäden wiedergutzumachen und neue Schäden zu verhindern. Aus unserer internationalistischen, (jung)sozialistischen und feministischen Grundüberzeugung heraus ist es deshalb unsere Pflicht, Klimagerechtigkeit als intersektionalen Ansatz zu begreifen und als eine der Maximen unserer Außen- und Sicherheitspolitik zu bekräftigen. Bei unserem Kampf für mehr Klimagerechtigkeit liegt, genauso wie im Kampf gegen patriarchale und kapitalistische Strukturen, insbesondere ökonomische Ausbeutung, Unterdrückung und Zerstörung zugrunde.

Es ist Aufgabe von uns Jungsozialist*innen, die Abhängigkeiten und das auf den Nutzen und Verwendungszweck ausgerichtete System zu erkennen und Strategien zu dessen Überwindung zu entwickeln. Öl- und Energiekonzerne haben ihre Verantwortung für eine bessere Öko- und CO2-Bilanz auf Endverbraucher*innen verschoben, während Klimaleugner*innen und Misogynen oft dieselben sind. Die Auswirkungen der Klimakatastrophe treffen Frauen im globalen Süden besonders hart. 80% der Vertriebenen durch die Klimakatastrophe sind Frauen und sind auf ihrer Flucht geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt. Der Schutz von Frauen, die vor der Klimakatastrophe fliehen, ist nicht von der Genfer Konvention abgedeckt.

Eine nachhaltige Perspektive auf feministische Außenpolitik sollte nicht nur die Klimakatastrophe, sondern auch Fragen der energetischen Unabhängigkeit und autokratischer Regime berücksichtigen. Internationale Standards sollten als Kriterien für die Wahl von wirtschaftlichen Partner*innen etabliert werden, um das patriarchale, kapitalistische System von Abhängigkeiten zu überwinden. Der aktuelle russische Angriffskrieg auf die Ukraine zeigt, dass die energetische Abhängigkeit von nicht-demokratisch geführten Staaten gefährlich ist und die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik einschränkt. Es sollte keine neuen unbefristeten Verträge für fossile Energieträger mit autokratisch geführten Staaten geben, sondern eine wirkliche Perspektive zur Gewährleistung der energetischen Unabhängigkeit der Bundesrepublik.

Deshalb fordern wir:

  • Die Aufnahme der “Klimakrise” in den Katalog für Fluchtursachen der Genfer Konvention, damit insbesondere auch geschlechtsspezifische Gewalt auf der Flucht vor der Klimakrise anerkannt wird.
  • Weltweit geschlechtergerechte Bevölkerungs- und Katastrophenschutzpläne.
  • Die Internationale Zusammenarbeit sowohl an ökologische, feministische sowie Menschenrechtsstandards koppeln – Gerechtigkeit als klare Voraussetzung für ein friedliches, nachhaltiges weltweites Miteinander (gerade kritisch nach Gasverträgen mit Katar).
  • Eine wirtschaftliche Unabhängigkeit von autokratisch regierten Staaten – Frieden und Sicherheit hängen weltweit vom Ende der Zerstörung und Ausbeutung des Planeten ab (nicht zuletzt die Abhängigkeit von Russland als mahnendes Beispiel).
  • Die kontinuierliche Neubewertung von internationalen Bündnis- & Wirtschaftspartner*innen auf der Grundlage von feministischen, ökologischen und menschenrechtlichen Maßstäben – eine Zusammenarbeit mit autokratischen Staaten lehnen wir grundsätzlich ab (z. B. Katar, Aserbaidschan und Saudi-Arabien).
  • Verbindliche internationale Agenda feministischer Sicherheit bei Auswirkungen des Klimawandels (individuelle Sicherheit muss mit staatlicher und zwischenstaatlicher Sicherheit zusammengedacht werden, damit Machtdynamiken verstanden und hin zu mehr Gerechtigkeit verändert werden können.
  • Mehr Forschung im Bereich der (internationalen) Politik mit Schwerpunkten auf feministische Sicherheit, Frieden und Gerechtigkeit im Zusammenhang mit der Klimakatastrophe.
  • Lieferkettengesetze zur Stärkung von Arbeits-, Menschen- Umwelt und Frauenrechten.

Die Rechte von FLINTA*s sind Menschenrechte! Wir stehen solidarisch an der Seite der Protestierenden im Iran und verurteilen die Gewalt des Mullah-Regimes aufs Schärfste. Wir fordern:

  • Einen dauerhaften Abschiebestopp in den Iran.
  • Sichere Fluchtrouten und besseren Schutz für Exil-Iraner*innen.
  • Die Revolutionsgarde, die für die Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist, auf die EU-Terrorliste zu setzen.
  • Die Freilassung der politischen Gefangenen.
  • Verurteilung und Dokumentation der Verbrechen an der Menschlichkeit.
  • Das Ende der Diskriminierung von FLINTA*s im Iran.
  • Umfassende Sanktionen gegen den Iran und den Abbruch sämtlicher Kooperationen.
  • Eine aktive Unterstützung der Proteste.

Internationalismus heißt globale Solidarität

Hier “entwickelt” sich nichts mehr

Wir betreiben keine “Entwicklungshilfe”. Wir prangern die Macht des Globalen Nordens an, der noch immer vom Kolonialzeitalter profitiert. Mehr noch: das Kolonialzeitalter ist nie zu Ende gegangen. Die Interessen von Kapitalist*innen wiegen noch immer stärker als intakte Ökosysteme, das Verbot von Menschenhandel und Kinderarbeit oder die hemmungslose Ausbeutung wertvoller Ressourcen auf kosten lokaler Bevölkerungen. Antikolonialismus gibt es seit dem ersten Tag, an dem Europäer*innen Machtansprüche auf fremde Gebiete gestellt haben, Zeit, dass sich auch der europäische Sozialismus an die Seite antikolonialer Bewegungen stellt.

Wir verwenden den Begriff der Internationalen Zusammenarbeit (IZ). Zu einer IZ unter sozialistischen und feministischen Vorzeichen gehört das beharrliche Einfordern der Aufhebung des globalen Machtgefälles zu Gunsten der globalen Zentren. Es bedeutet, Eurozentrismus in den internationalen Institutionen sowie unseren Gesellschaften zu bekämpfen. Das umfasst wirtschaftliche sowie kulturelle Fragen.

Wir streben nach Solidarität mit den Menschen, die sich von der globalen Ungerechtigkeit befreien wollen. Wir müssen die Stimmen der Sozialist*innen und Feminist*innen, die sich gegen Kolonialismus organisieren, hörbar machen. Die Geschichte Europas wird oft aufgehübscht, doch sie ist vor allem auch Sklaverei, Völkermord, Besatzung, die Entmenschlichung der Bevölkerung ganzer Kontinente, Kulturraub, und unzählige weitere Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Können Staaten im Kapitalismus gut zusammenarbeiten?

Die kurze und einfache Antwort lautet: Nein. Machtpolitische Interessen prägen das Geschehen und sind nicht auf eine solidarische Zusammenarbeit ausgerichtet, sondern den andauernden kapitalistischen Zwängen unterworfen. So stehen niedere Beweggründe wie Prestige für einzelne Länder, gutes Marketing und PR meist im Vordergrund. Das Ziel der Staaten im globalen Norden ist es, die Staaten im globalen Süden systemisch auszubeuten. Zwar fließen durch die sogenannte Entwicklungshilfe jährlich fast 170 Milliarden Euro von den reichen Ländern an strukturell schlechter gestellte Staaten, ca. 27 Milliarden kommen aus Deutschland [Zahlen aus 2020; ODA von privaten und staatlichen Träger*innen]. Dabei ist das Ziel jedoch nicht die Bekämpfung der Ursachen von Ungleichheit und Armut in den einzelnen Ländern, sondern erneut stehen kapitalistische Interessen im Mittelpunkt. Die Länder sollen so weit gestärkt werden, dass ein Handel mit den Ländern des globalen Norden möglich und lukrativ ist, das Leid wird oft nur auf das für westliche Gesellschaften erträgliche Maß reduziert.

Ein relevantes Beispiel hierfür ist die Corona-Pandemie seit 2020. Um die Herstellung des Impfstoffes weltweit voranzutreiben und die Folgen der Pandemie so einzudämmen, hatten die Entwickler*innen der verschiedenen Impfstoffe die Möglichkeit diese Patente freizugeben. Länder des globalen Südens hätten davon stark profitiert. Die Patente wurden aber nicht freigegeben, da sie mit Gewinneinbußen einhergegangen wären. Hinzu kam die fehlende Unterstützung zum Aufbau von Kapazitäten, Impfstoffe zu produzieren und Impfungen durchzuführen. Man entschied sich dazu, die Pandemie auf dem Rücken derer ausgetragen, die nicht nur unter Pandemie selbst, sondern beispielsweise auch unter den Folgen des Klimawandels am meisten zu leiden haben: Die Menschen im globalen Süden und insbesondere die Sicherheit von marginalisierten Gruppen sowie FLINTA*s.

Solidarität mit den indigenen Völkern dieser Welt!

Kolonialmächte plündern und zerstören das Hab und Gut indigener Bevölkerungen seit spätestens dem 14. Jahrhundert hemmungslos. Gerade das Industriezeitalter und Europas Machtposition in der Welt haben dazu geführt, dass kaum ein Quadratmeter nicht von einem Imperium kontrolliert wurde. Die ökologischen Grundlagen indigener Menschen wurden zerstört, Krankheiten eingeführt und Völkermorde begangen. Die Zerstörungswut ist weder vorbei, noch aufgearbeitet, noch ist eine Befreiung heute in Sicht. Wir Jusos bekennen uns daher zur Verantwortung, zu lernen, globale Solidarität aus der Perspektive indigener Völker leben zu können. Dabei betonen wir ausdrücklich die Vielfalt der mehr als 1.900 indigenen Völker und ihren gut 175 Millionen Angehörigen an und wissen, dass es meistens nicht eine Politik oder eine passende Solidaritätsform für alle geben kann.

Die Gier nach billigen Ressourcen zur Weiterverarbeitung in Europa treibt bis heute die Zerstörung der Lebensgrundlage von Menschen auf der ganzen Welt voran. Hier ein paar Beispiele:

  • Die Abholzung von Regenwäldern ist eine andauernde Bedrohung für seine Bewohner*innen. So führt zum Beispiel die Zerstörung des Peruanischen Regenwalds im Interesse kapitalistischer Ausbeutung, dass die ca. 350.000 Menschen in 1.786 “indigenen Dorfgemeinschaften” keinen Zugang mehr zu Nahrungs- und Heilmittel, Baumaterial und Schutzräumen haben.
  • Der Abbau von Gold, Uran, seltenen Erden, Eisen und weiteren für Industriegesellschaften relevanten Metallen und Mineralien geht oft mit Menschenhandel, Landraub und der Störung von Ökosystemen einher, die für indigene und isolierte Bevölkerungen überlebenswichtig sind.
  • Große Infrastrukturprojekte werden oft ungeachtet indigener Gebiete durchgeführt. Die demokratischen Rechte der lokalen Bevölkerung werden dabei übergangen.

 

Diese Beispiele zeigen, dass für Angehörige indigener Völker kein gleichberechtigtes Mitspracherecht zur Gestaltung ihrer eigenen Umwelt vorherrscht. Es sind die Interessen kapitalistischer Staaten und von Großunternehmen, die global operieren und billigend den millionenfachen Menschenrechtsbruch in Kauf nehmen, den sie durch ihre unternehmerischen Tätigkeiten begehen. Die zahlreichen Konventionen für die Rechte indigener Menschen, u.a. von den UN, der EU oder der ILO, bleiben überschaubar in ihrer Wirkung. Individualistische Aufrufe, durch das Kaufen und Nicht-Kaufen bestimmter Waren zur Förderung indigener Rechte beizutragen, betrachten wir als weitestgehend wirkungslose Augenwischerei.

Die Stimmen von indigenen Völkern, als Jugendverband insbesondere auch junger Stimmen, müssen daher mehr Raum in unserer internationalen Arbeit einnehmen. Gerade in Europa wirken diese Stimmen weit weg, doch sie sind es nicht, denn europäische Politik bestimmt deren Lebensgrundlagen. Wir können keine glaubwürdige und solidarische Politik der internationalen Zusammenarbeit führen, wenn unsere Handelspolitik darauf ausgerichtet ist, durch protektionistische Methoden die Lebensgrundlagen der Länder des globalen Südens zu zerstören. Wir stehen für eine Neuverhandlung der Verträge im Hinblick auf unsere feministischen und ökologischen Grundwerte.

Daher sind wir der festen Überzeugung, dass diejenigen, die in einer Region leben, auch maßgeblich darüber bestimmen müssen, was mit ihrer Umwelt geschieht. Kurzfristig fordern wir, dass Ressourcenabbau nur im Einvernehmen mit der betroffenen Bevölkerung geschieht, Lieferkettengesetze unternehmerische Tätigkeiten, die indigene Rechte unterwandern, schonungslos verbieten und dort, wo Abbau zugelassen wird, die lokale Bevölkerung maßgeblich davon profitieren kann. Langfristig darf globaler Handel kein Spiel von Profitinteressen sein, sondern von einem Austausch auf Augenhöhe zur Mehrung des Wohlstands aller Menschen auf der Welt.

Auch müssen wir dafür sorgen, dass auch für alle Völkerrechtsbrüche durch die Institutionen (nationalen oder supranationalen) für Gerechtigkeit gesorgt wird – in Form von Rückzahlungen bzw. Annullierung der illegalen Konzessionen von Grundstücken. Unsere Aufgabe muss es sein, die Indigenenverbände in dem rechtlichen Kampf solidarisch zu unterstützen, damit es endlich zur Gerechtigkeit durch die Institutionen kommt.

In Zukunft möchten wir uns insbesondere auch mit der Situation der europäischen indigenen Bevölkerungen auseinandersetzen. Hier sind insbesondere die Sami im Norden Norwegens, Schwedens, Finnlands sowie Russlands zu nennen. Das Gebiet Sápmi ist auf vier Staaten mit unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen aufgeteilt. Gemein haben alle die fehlende wirksame politische Repräsentation sowie die Bedrohung der für die Rentierjagd wichtigen Ökosysteme durch die Ausweitung des Abbaus von Eisen und ggf. bald seltener Erden sowie durch Tourismus.

Kolonialgeschichte aufarbeiten – Europa dekolonialisieren – Reparationen leisten

Bis heute ist es kaum im öffentlichen Bewusstsein etabliert, dass das Deutsche Kaiserreich zwischen 1873 und 1918 eine Kolonialmacht war. Bereits in den frühen Anfängen der Kolonialzeit im 14. Jahrhundert waren es oft Akteur*innen aus den deutschsprachigen Ländern, die von Kolonialisierung, Sklaverei und der Etablieren von Überseegebieten profitierten. Deutsche siedelten auf indigenem Land, Händler*innen machten Geschäfte mit Ausbeutung lange vor der Gründung eines deutschen Zentralstaates. Kleinere deutsche Staaten versuchten öfter, wenn auch oft erfolglos, eigene Territorien für sich zu beanspruchen. Nachfolgestaaten des deutschen Kolonialreiches sind heute in großen Teilen Togo, Kamerun, Namibia, Tansania, Ruanda, Benin, Papua-Neuguinea, Westsamoa, Mikronesien sowie zu kleineren Teilen die VR China (Qingdao) und Ghana.

Deutschland und Europa müssen ihre Kolonialverbrechen aufarbeiten. Der Völkermord an den Herero und Nama im heutigen Namibia sind immer häufiger in der Öffentlichkeit Diskussionsthema, doch das kann nur der erste Schritt sein. Erinnerungskultur, das muss auch heißen, diesen Teil der deutschen Geschichte zu betrachten: Von den Anfängen bis zu den noch heute bestehenden Netzwerken und Profiteur*innen. Die Dekolonialisierung findet in den Schulen, Verbänden und Vereinen, in den Medien sowie in Politik und Zivilgesellschaft statt. Die Leben und Geschichten deutscher BIPoC [Black and Indigenous People of Color] müssen sichtbar gemacht werden, der alltägliche Rassismus in Kultur und Öffentlichkeit muss offensiv adressiert werden. Es muss ein Ruck durch den ganzen Kontinent gehen, dieses Erbe imperialistischen Schaffens abzuwerfen.

Doch das alles wird nicht reichen, die globale Ungerechtigkeit tatsächlich aufzubrechen. Wir fordern Reparationszahlungen, die diejenigen möglichst direkt erreichen müssen, die noch heute von den negativen Folgen von Kolonialisierung betroffen sind. Wir wissen heute nicht, wie diese Reparationen aussehen können, wer die Entscheidungsmacht über die Verwendung der materiellen Ressourcen innehaben wird oder wie der Prozess ausgestaltet werden kann. Doch wir bekennen uns klar zur Bereitschaft, den globalen Wohlstand fair aufzuteilen auf Grundlage der Überzeugung, dass die wahren Grenzen dieser Welt zwischen Arm und Reich verlaufen und genug für das gute Leben für alle da ist!

III. Eine Welt ohne Waffen schaffen

Jede Politik muss zur Abrüstung führen

Wir wollen in einer Welt leben, in der Abrüstung durch gewaltfreie Konfliktlösung ermöglicht wird. Eine Welt, in der bilaterale Verträge wie der Atomwaffensperrvertrag, das New Start Abkommen oder der Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa gemeinsam Sicherheit schaffen. Russlands Austritt aus letzteren beiden zeigt uns, dass bis dahin noch ein weiter Weg vor uns liegt. Unser Ziel bleibt eine Welt ohne Waffen, Armeen und Militärbündnisse mit einer globalen Friedensarchitektur. Gerade in Zeiten eines weiteren, brutalen Angriffskrieges bleibt unsere Forderung nach Abrüstung Kern unserer internationalen Politik.

Wir verurteilen, dass Deutschland einer der weltweit größten Waffenexporteure ist. Waffenlieferungen an Staaten, die Angriffskriege führen oder unterstützen, lehnen wir kategorisch ab. Staaten, die Menschenrechte mit Füßen treten und missachten, sind inakzeptabel. Das gilt insbesondere für die anhaltenden Waffenlieferungen an die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien und Ägypten mit ihrer Beteiligung am Krieg gegen den Jemen.

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine ist ein weiterer Einschnitt im Versuch, auf dem ganzen europäischen Kontinent Frieden zu bewahren. Für uns ist klar: Diejenigen, die sich gegen Angriffskriege wehren und drohen, das Ziel von Kriegsverbrechen zu werden, haben ein Recht auf Selbstverteidigung. Dieses kann nicht immer unbewaffnet durchgesetzt werden. Wir können pauschale Ablehnungen jeder Art der Lieferung von Waffen zu Verteidigungszwecken nicht nachvollziehen und halten es für falsch, in der momentanen Welt ein kategorisches Nein dieser Art auszusprechen. Konflikte sind komplex und verdienen jeweils eine eigene Abwägung, insbesondere unter Berücksichtigung der progressiven und sozialistischen Stimmen unter den Betroffenen. Unsere Ablehnung kapitalistischer Staaten und unsere Opposition zu Waffenexporten steht nicht im Widerspruch zu dieser Haltung, denn unser Ziel bleibt erhalten. Doch es sind nicht diejenigen, die angegriffen und verfolgt werden, die für dieses Ziel entwaffnet werden dürfen, sondern diejenigen, die Angriffskriege anzetteln.

Wir bekennen uns daher sowohl zum obersten Politikziel, Abrüstung herbeizuführen, wie auch zur Ausstattung der Menschen, die sich heute in der Ukraine gegen die russische Invasion verteidigen, mit Waffen, Munition und Rüstung zu Verteidigungszwecken. Wir evaluieren die Situation regelmäßig und bestehen darauf, dass der Dienst an der Waffe abgelehnt werden kann und Fluchtwege offengehalten werden. Niemand darf zum Kriegsdienst gezwungen werden, auch nicht in Kriegssituationen.

Die Unterscheidung von Waffenexporten und Waffenlieferungen beziehen wir auf monetäre Gegenleistungen bzw. deren Ausbleiben. Waffenlieferungen erfolgen als Unterstützung gegen Angriffe oder Bedrohungssituationen, Waffenexporte erwarten finanzielle Gegenleistungen und werden in der heutigen Zeit auch an kriegführende Staaten und Diktaturen geleistet, davon profitieren Einzelpersonen und Unternehmen. Diese Waffenexporte lehnen wir entschieden ab. Rüstungsindustrien müssen verstaatlicht und unter strenger Kontrolle gestellt werden. Kein Mensch darf finanziell von der Herstellung und der Verteilung von Waffen, Munition oder Rüstung profitieren, niemals und nirgendwo.

Wir Jusos stellen uns hinter die Bemühungen der internationalen Staatengemeinschaft, die Frieden sichern, Konflikte entschärfen und zur Abrüstung beitragen. Besonders hervorzuheben ist hierbei die NPT Konvention, welche die Proliferation von Nuklearwaffen unterbindet, sowie das Programme of Action to Prevent, Combat and Eradicate the Illicit Trade in Small Arms and Light Weapons in All Its Aspects (PoA), welche den Verkauf von Waffen an terroristische und verbrecherische Gruppierungen erschweren soll. Wir sprechen uns entschieden für die Einhaltung der Genfer Konvention aus, und fordern alle Staaten auf, diese einzuhalten. Dies gilt vor allem für den Schutz der Zivilbevölkerung in aktiven Kriegsgebieten, welche für uns allerdings nicht mit der Einstellung der Kampfhandlung enden. So zeigt die Gefahr durch Landminen, dass die Bevölkerung noch Jahre nach den Kriegen durch diese bedroht ist. Wir fordern daher alle Staaten auf, der Ottawa-Konvention beizutreten, sehen dies aber nur als ersten Schritt in der Sicherstellung lebenswerter und menschengerechter Zustände in ehemaligen Kriegsgebieten.

Waffenlieferungen

Wir sehen Waffenlieferungen immer als letztes Mittel an und setzen uns für eine friedliche Lösung von Konflikten ein. Waffenlieferungen sind wie schon beschrieben nicht kommerziell und werden meist an Bündnispartner*innen oder nahestehenden Nationen geleistet, wie im Beispiel des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine.

Befinden sich Bündnispartner*innen in einer bedrohlichen Lage, dann ist es die Aufgabe von Deutschland Waffenlieferungen für einen Kriegszustand zuzusichern, sollte ein Krieg ausbrechen und unsere Partner*innen auf diese Waffen angewiesen sein. Mit einer Zusicherung ist noch keine Lieferung verbunden. Diese erfolgt erst nach dem Kriegsausbruch. Hierbei müssen Wege geschaffen werden, zugesicherte Waffen schnell an die Partner*innen liefern zu können.

Werden Staaten angegriffen, die nicht im direkten Bündnisbeziehungen stehen, müssen ebenfalls unterstützende Lieferungen möglich sein, allerdings ebenfalls strenge Kriterien angewandt werden.

Wir fordern, dass nur Staaten Waffenlieferungen erhalten, die sich einem unrechtmäßigen Angriffskrieg eines anderen Staates ausgesetzt sehen. Durch die gelieferten Waffen darf nur die Landesverteidigung unterstützt werden, keine Gegenangriffe auf gegensätzliche oder dritte Staatsgebiete. Des Weiteren sollen nur Staaten beliefert werden, die stabile demokratische Strukturen und Rechtsstaatlichkeit aufweisen. Die Bewertung soll anhand transparenter Richtlinien und einer konkreten Einzelfallbewertung erstellt werden. Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass die Waffen nicht unkontrolliert an Dritte weitergegeben werden, sondern stattdessen durch Verträge sichergestellt werden, dass die Waffen im Anschluss an die Beilegung des Konflikts zurückgegeben werden.

Präventive Waffenlieferungen bevor der Krieg ausbricht, lehnen wir ab. Würde Deutschland Waffen in alle Länder liefern, in denen ein Krieg droht, würde man so nur militärische Bestrebungen zur Lösung des Konflikts unterstützen. Außerdem kann nicht gesichert werden, dass die Waffen nicht in die falschen Hände geraten, sollte der Krieg nicht wie erwartet ausbrechen. Durch präventive Waffenlieferungen kann das oberste Ziel, die friedliche Lösung der Konflikte und die Vermeidung von Waffenlieferungen nicht erreicht werden.

Non-state actors sind in diese Kriterien explizit miteinbezogen. Verfasste Gruppen, die sich klar definieren lassen, aber keine anerkannten staatlichen Merkmale aufweisen, können Unterstützung gegen Angriffe und Repressionen erhalten. Auch müssen demokratische und rechtsstaatliche Kriterien angelegt werden und von Fall zu Fall unterschieden werden.

Wir beobachten weiterhin die Lage in Taiwan und erkennen an, dass wir uns unter Umständen im Kriegsfall einer Diskussion über Waffenlieferungen stellen müssen.

Waffenexporte

Innerhalb von Bündnissen sollen Waffenexporte an verbündete Staaten möglich sein, um eine Bündnisverteidigung zu ermöglichen. Auch wenn künftige Bündnisse an Kriterien wie Demokratie und Rechtsstaat ausgerichtet werden sollen, fordern wir, dass bei künftigen Exporten von Waffen die einzelnen Situationen betrachtet werden, um zu verhindern, dass verbündete Staaten bei völkerrechtswidrigen bewaffneten Aktionen unterstützt werden.

Zukünftig wollen wir Bündnisstrukturen, innerhalb derer nicht einzelne Staaten Waffen, Panzer und Flugzeuge herstellen und am Verkauf an andere Staaten, die selbst nicht herstellen, monetär profitieren. Stattdessen sollen gemeinsame Strukturen aufgebaut werden, die eine gemeinsame Finanzierung, Herstellung und Verteilung von Rüstungsgütern innerhalb des Bündnisses koordinieren. Diese Strukturen sollen Waffenexporte innerhalb des Bündnisses obsolet machen. Exporte an Staaten außerhalb des Bündnisses lehnen wir ab, sofern keine Assoziierung an das künftige Verteidigungsbündnis besteht. In diesem Fall muss eine Bedrohungslage vorliegen und es sollen dieselben Kriterien wie bei Waffenlieferungen gelten, diese aber noch strenger ausgelegt werden. Exporte in Kriegsgebiete lehnen wir ab.

Wir setzen uns dennoch dafür ein, dass langfristig eine globale Abrüstung stattfindet, um Konflikte auf friedliche Art und Weise lösen zu können. Wir glauben, dass die Welt sicherer und stabiler wird, wenn weniger Waffen vorhanden sind und stattdessen auf Verhandlungen, Diplomatie und internationale Zusammenarbeit gesetzt wird. Daher ist es unser Ziel, Waffenlieferungen und Exporte auf ein Minimum zu beschränken und langfristig eine friedliche Welt ohne militärische Konflikte zu erreichen.

Leider ist Deutschland ein großer Waffenexporteur in instabile Regionen und stützt damit autoritäre Regime zum Leid anderer und für den Profit der eigenen Rüstungsindustrie. Für uns bleibt aber klar, dass mit Waffen, militärischem Equipment und der Ausstattung für Sicherheitsbehörden keine Profite gemacht werden dürfen. Dazu muss die Rüstungsindustrie verstaatlicht und klare Regeln für ausländische Unternehmen mit Fertigung in Deutschland geschaffen werden. Diese müssen unter parlamentarische Kontrolle gestellt werden und für sie müssen dieselben Kriterien wie für die deutsche Industrie gelten.

Wir kritisieren, dass besonders sensible Entscheidungen über Rüstungsexporte nur der Bundessicherheitsrat, dessen Sitzungen geheim stattfinden, trifft. Der Export sowie die Lieferung von Waffen muss vielmehr von dem Willen der Bürger*innen legitimiert sein und bedarf somit der Genehmigung des Parlaments.

Unsere Forderungen für eine Welt ohne Waffen:

  • langfristiges Ziel: eine Welt ohne Waffen, Armeen und Militärbündnisse mit einer globalen Friedensarchitektur
  • Es soll nur Staaten Waffenlieferungen erhalten, die sich einem unrechtmäßigen Angriffskrieg eines anderen Staates ausgesetzt sehen
  • Waffenlieferungen und Exporte nur als letztes Mittel
  • Keine Profite mit Waffen! Rüstungsindustrie verstaatlichen
  • Keine präventiven Waffenlieferungen
  • Lieferung von Waffen bedarf legitimierung durch das Parlament

IV. Europa & Militärallianzen

Die NATO auflösen – niemals auf Kosten Ost- & Mitteleuropas!

Aktuell stehen wir vor einer Welt, in der einzelne Staaten ihre Interessen mit Waffengewalt durchsetzen wollen und Autokraten durch imperiales Großmachtstreben andere Staaten von der Landkarte tilgen wollen. Damit einher gehen massive Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung, Mord und Verschleppung und nukleare Bedrohung.

Der globale Kapitalismus ergibt in seiner Natur eine Gefahr für den Frieden und großes Potential, wenn nicht Zwang zum bewaffneten Krieg und militärische Auseinandersetzungen. Der sich immer weiter radikalisierende Markt jagt um den Globus, immer auf der Suche nach neuen Märkten, auf der Suche nach neuem “Potential” und auf der Suche nach Systemen, die er zerstören kann, die er von sich abhängig machen kann. Dieser Drang des Kapitalismus wird immer Leid und Elend, immer Ungleichheit und immer Perspektivlosigkeit erzeugen und somit immer zu bewaffneten Konflikten führen.

Imperiales Großmachtstreben ist zudem in weit mehr Köpfen verhaftet, als wir uns das eingestehen wollen. Nationalismus ist der letzte Schlupfwinkel, in den die politische Rechte immer flüchten werden und ihre größte Motivation für Hass auf andere Nationen und Völker. Im 21. Jahrhundert berufen sich Staatschefs in Russland, Ungarn, China und weitere Autokratien auf ihrer Meinung nach unberechtigte Teilungen aus den Anfängen des letzten Jahrhunderts und vermeintlichen Berechtigungen aus noch weiter vergangen Tagen. Der Imperialismus feiert in Zeiten der erstarkenden extremen Rechten ein Comeback.

Ausufernder Kapitalismus und erstarkender Imperialismus üben immense Gefahren für Staaten aus, die sich den kapitalistischen Zwängen des weltweiten Kapitals oder imperialen Bestrebungen ihrer Nachbarn nicht beugen wollen. Russlands brutaler Krieg gegen die Zivilbevölkerung der Ukraine zeigt das einmal mehr.

In solchen Zeiten müssen souveräne Staaten sich und ihre freiheitliche Grundordnung verteidigen können. Eine demilitarisierte Welt, die immer unsere Vision war und auch bleiben muss, ist damit ein Stück weiter in die Ferne gerückt. Verteidigungsfähigkeit ist wichtig und im Sinne einer antimilitaristischen Sichtweise ist es essentiell, militärischer Gewalt nicht schutzlos entgegenzutreten, sondern immens wichtig sich und freiheitliche Werte zu verteidigen.

Damit dabei das Recht des Stärkeren nicht siegt, sind Militärbündnisse leider notwendig. Auch wenn es paradox anmutet: Antimilitarismus bedingt in Zeiten eines erstarkenden Imperialismus die Notwendigkeit für Militärbündnisse.

Es bleibt allerdings dabei: Die NATO in ihrer heutigen Form lehnen wir ab. Wir lehnen die aktuellen Strukturen, die undurchsichtig und wenig demokratisch sind, ab. Sie wurde als kollektives Verteidigungsbündnis begründet und sollte eine Vereinigung demokratischer, marktwirtschaftlich organisierter Systeme sein. Die Scheinheiligkeit hinter dieser Aussage vor allem im Bezug auf die türkische NATO-Politik ergibt für uns eine klare Ablehnung der Nato in ihrer jetzigen Form.

Autokratisch geführte Staaten sollten nicht Teil eines Bündnisses sein, das für die freiheitliche Grundordnung und Demokratie eintreten soll. Die Türkei befindet sich seit 2005 im freien Fall in Bezug auf Menschenrechte, Pressefreiheit und Frauenrechte, zusätzlich schränkt die Erdoğan Regierung die politische Opposition massiv ein. Trotzdem ist die Türkei immer noch Teil der NATO und blockiert den Beitritt Schwedens und Finnlands, die Sicherheit vor Russland suchen. Er erpresst die westliche Welt, um Unterstützung für ihren völkerrechtswidrigen Kampf gegen Kurdinnen in der Türkei und der Autonomieregion Rojava in Nordsyrien und dem Nordirak zu erhalten. Dabei wurde in den syrischen Bürgerkrieg eingegriffen und kurdische Truppen angegriffen, die als Verbündete der NATO gegen den sogenannten Islamischen Staat kämpften. Kurdinnen werden in der Türkei beständig unterdrückt und ihre Gebiete brutal bombardiert. Die Türkei versucht auch, politisch geflüchtete Kurd*innen aus NATO-Staaten auszuliefern. Zudem versucht Erdoğan beständig, geopolitische Vorteile durch Waffengewalt durchzusetzen. Gerade durch die massiven Drohungen gegen Griechenland und die De-facto Besetzung Nordzyperns versucht die Türkei beständig geopolitische Vorteile durch Waffengewalt durchzusetzen. Dies ist als illegitim anzusehen und könnte einen Bündnisfall auslösen. Solch aggressives Verhalten, wie das des türkischen Diktators Erdogan ist nachweislich deutlich öfter von autokratischen Regimen zu beobachten. Demokratien führen deutlich seltener Kriege und noch seltener lösen sie Kriege durch eigenes Handeln aus. Kein Staat, der bewaffneten Kampf als legitimes Mittel ansieht, darf ein vollwertiges Nato-Mitglied sein. Deswegen muss klar gelten: Autokratien dürfen nicht Teil von freiheitlichen Verteidigungsbündnissen werden.

Doch nicht nur im Umgang mit Autokratien handelt die NATO entgegen ihrer eigenen Werte, in der 2022 beschlossenen Madrid Summit Declaration werden weitere Punkte deutlich, bei der die Beschlüsse weit weg von der Realität des Militärbündnisses liegen.  Hier gilt vor allem der eigene Anspruch an den Umgang mit der Klimakrise. Es wird festgehalten, dass zwar die CO2-Emissionen gesenkt und die Energieeffizienz gesteigert werden soll, jedoch mit Beibehaltung der Abschreckungspolitik. In Zusammenhang mit Armeen als großen Emittenten und ohne Erfassung der CO2-Emissionen scheint dieses Ziel aber nichts weiter als Greenwashing.

Ein weiterer Punkt, den wir in der momentanen Sicherheitsstruktur ablehnen, ist die Polarisierung und Viktimisierung von Geflüchteten als Sicherheitsrisiko für die alliierten Staaten. Militäreinsätze allein zum Schutz von Grenzlinien lehnen wir mit aller Härte ab. Vor allem dann, wenn Menschenleben vorsätzlich gefährdet werden, um die eigenen Interessen der Abschottungspolitik zu verfestigen, stellen wir uns klar gegen die Doppelmoral hinter diesen NATO Beschlüssen.

Die generelle Struktur der NATO, die auf undemokratischen Beschlüssen hinter verschlossenen Türen stattfindet, lehnen wir ab. Wenn es um das elementarste Bedürfnis nach Sicherheit geht, dürfen Einzelstaaten die Bühne des Militärbündnisses nicht für ihre eigenen machtpolitischen Interessen nutzen, wie es momentan der Fall ist. In diesem Zusammenhang lehnen wir vor allem das Vetorecht einzelner Mitglieder und die Entscheidungsfindung in nicht-gewählten, rein von Regierungsvertreter*innen besetzten Gremien ab.

Aus dieser Analyse leiten wir Forderungen ab, die wir im folgenden Teil in kurzfristige, mittelfristige und langfristige Ziele einordnen und dementsprechend zunehmend weniger realpolitisch formuliert sind.

Unsere kurzfristige Bündnispolitik hier & jetzt

Kurzfristig fordern wir, dass die Machtpolitik innerhalb der NATO keine übergeordnete Rolle spielen darf. Uns sind die Zusammenhänge der momentanen Weltordnung und realpolitischen Zwängen bekannt, fordern aber dennoch, dass die Sicherheit der vielen über strategische und machtpolitische Spiele von einzelnen Akteur*innen gestellt wird.

Zudem fordern wir eine Demokratisierung der NATO-Strukturen auf allen Ebenen. Ein solcher Demokratisierungsprozess muss umgehend eingesetzt werden und kann nur im Einklang mit einer breiten Sicherheitsdefinition und entgegen nationalen oder eurozentristischen Sicherheitsinteressen erfolgen.

In diesem Zusammenhang fordern wir auch einen konsequenten Umgang mit Autokratien innerhalb des Bündnisses ein. Konsequenzen können hier unter anderem eine Übergangsregelung mit Ansprüchen lediglich Mindestmaß an Schutz und Kooperation bedeuten, hin zu einem permanenten Ausschluss aus der NATO.  Im Fall der Türkei fordern wir deshalb: Die Bundesregierung und die Nato-Partner müssen alle militärischen Unterstützungen an die Türkei einfrieren, mittels Sanktionen erreichen, dass die türkischen Angriffe auf Kurdistan gestoppt werden und die Türkei muss bis zu einem Einlenken und einer Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit und friedlicher Außenpolitik in einen Schwebezustand versetzt werden, der sie von Abstimmungen ausschließt und ihnen nicht die Unterstützung-Zusicherungen einer vollwertigen Mitgliedschaft ermöglicht.

Kurzfristig, das heißt während des aktiven Kriegs Russlands gegen die Ukraine, wollen wir die Aufnahme von weiteren Staaten nicht ausschließen. Die Ausnahmesituation hat reelle Folgen für das Sicherheitsbedürfnis der Menschen vor allem in den Nachbarländern Russlands. Ihnen den Schutz zu verwehren, sehen wir als nicht gerechtfertigt an, betonen aber weiterhin, dass dies lediglich eine kurzfristige Maßnahme im Sinne der dramatischen Umstände ist und darüber hinaus nicht angewandt werden darf.

Wir streben zudem umgehend eine Reform des UN-Sicherheitsrates an. Wie auch innerhalb der NATO sprechen wir uns gegen ein Vetorecht aus und fordern eine Abkehr von der momentanen, zwei-klassen Mitgliederstruktur, da diese die Effektivität des Rates einschränkt und damit auch einen negativen Effekt auf die Seriosität der UN hat.

Mittelfristig zu einer echten, demokratischen Verteidigungsallianz

Wir fordern daher, dass die Nato mittelfristig durch ein Verteidigungsbündnis abgelöst wird, innerhalb dessen sich liberale und rechtsstaatlich organisierte Demokratien zusammenschließen, abgelöst werden soll. Das Bündnis soll die Verteidigung der Mitgliedstaaten sicherstellen und sich für die Herstellung einer globalen Friedens-Architektur und (atomare) Abrüstung einsetzen.

Das Bündnis soll demokratisch organisiert werden und demokratische Beschlüsse nicht durch Vetorechte eingeschränkt werden. Die demokratische Verfasstheit und Zustände der Mitgliedstaaten sollen durch die Organisation gemonitort werden. Staaten, die Autokratisierungstendenzen zeigen, sollen in einen Schwebezustand versetzt und bei anhaltender Entwicklung auch ausgeschlossen werden.

Das Bündnis soll Verteidigungsfähigkeit sicherstellen und gemeinsam die angemessene Versorgung von Rüstungsgütern organisieren. Dazu braucht es gemeinsame Herstellung und Konzeptionierung der Rüstungsgüter statt Waffenexporte verschiedener Systeme untereinander. Zahlreiche unzureichend ausgestattete nationale Armeen sind nicht nur wenig sinnvoll – sie sind auch zu teuer. Es sollte auf redundante Waffen- und Ausrüstungssysteme verzichtet, Technik besser aufeinander abgestimmt und Ressourcen und Fähigkeiten besser koordiniert und gebündelt werden.

Staaten, die Mitglieder werden wollen, müssen demokratische und rechtsstaatliche Kriterien erfüllen. Dazu zählen freie Wahlen, umfassende Rechte für LGBTIQ+ Personen, keine systematische Unterdrückung von Frauen, Möglichkeit zum demokratischen Machtwechsel, freie Presse- und Meinungsfreiheit und Korruptionsbekämpfung.

Staaten können bei unzureichender Erfüllung der Kriterien Assoziierungsmitglieder werden, müssen damit einhergehend Fortschritte in den verletzten Kriterien vorweisen und können eingeschränkten Schutz erhalten. Dieser kann beinhalten, dass das Bündnis sich entscheidet, im Angriffsfall unterstützend einzugreifen oder Waffen zur Unterstützung zu liefern, jedoch keinen pauschalen Bündnisfall auslöst.

Das Bündnis muss klare und enge Grenzen ihrer Befugnisse haben. Entsprechend lehnen wir jegliche Art der Angriffskriege oder sonstigen Aggressionen gegenüber Drittstaaten ab. Eine territoriale Ausweitung der Mitgliedstaaten lehnen wir ebenso ab.

Im Fall einer Bedrohungslage sollen betroffene Staaten durch Waffenlieferungen und Truppenstationierungen gestärkt werden und im Falle eines Angriffs soll ein verpflichtender Bündnisfall greifen, um die Staaten bestmöglich zu verteidigen. In Folge von Angriffen sollen humanitäre Hilfen für die Zivilbevölkerung organisiert werden und im Hinblick auf eine feministische Außenpolitik ein besonderer Fokus auf den Schutz von Frauen und Inter-Personen gelegt werden. Gerade in der aktuellen Zeit, in der, wie u.a. durch den russischen Angriffskrieg sichtbar, sexuelle Gewalt zur Demoralisierung der Gegner eingesetzt wird, bedürfen Frauen und Inter-Personen besonderen Schutz. Die Verteidigungspolitik des Bündnis muss deshalb feministisch gedacht werden. Nach einer bewaffneten Auseinandersetzung muss das Bündnis den Wiederaufbau unterstützen.

Friedensmissionen, humanitäre Missionen sollen nur im engen Rahmen und nach strengen Kriterien bei Genozid, ethnischer Säuberung, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschheit, erfolgen. Da die humanitäre Intervention aus den Gräueltaten des Holocaust hervorging, sehen wir die Legitimität im momentanen Staatensystem zum Schutz der Bevölkerung gegen die Interessen der Herrschenden zumindest teilweise begründet, sehen aber auch die ständige Gefahr der eurozentristischen und hypokritischen Anwendung gegeben. Die bisherige Anwendung von humanitären Interventionen, die immer auch im Zusammenspiel mit westlichen ökonomischen oder machtpolitischen Interessen einhergingen, lehnen wir ab.

Non-state-actors können keine vollwertigen Mitglieder werden, aber als Assoziierungsmitglieder Schutz und Garantien erhalten. Dazu müssen sie ebenso Kriterien wie Rechtsstaatlichkeit und Demokratie erfüllen. Non-state-actors, die Staatlichkeit anstreben, befinden sich in den meisten Fällen in Konflikten mit den Staaten, die Ansprüche auf ihr Gebiet erheben. Eine direkte Einbeziehung der Akteure nach strengen Kriterien, wie an Staaten, ist deshalb kaum möglich und würde Konfliktlinien öffnen. Allerdings sollen non-state-actors als assoziierte Partner an das Bündnis gebunden werden, um ihre Bestrebungen zu unterstützen und ihrer Bevölkerung Schutz zu gewähren. Beispiel für eine solche Mitgliedschaft wäre die kurdische Autonomieregion Rojava, die beispielsweise zu Recht auch schon bei noch nicht ausreichender Erfüllung der Kriterien der Staatlichkeit gegen den IS und den syrischen Diktator Assad unterstützt wurde, auch ohne Teil der Nato zu sein. Das Bündnis sollte künftig in solchen Fällen allerdings zügiger autonomiebestrebten Regionen, die eigene Staatlichkeit schaffen, anerkennen und sie als vollwertige Mitglieder behandeln. Mittlerweile erfüllt beispielsweise Rojava einige Kriterien der Staatlichkeit und sollte durch Deutschland als Staat anerkannt werden.

Innerhalb des Bündnisses fordern wir die Schaffung eines appellativen Gerichtshofs. Dieser soll Konflikte zwischen den Staaten lösen, Verstöße gegen die Grundsätze innerhalb von Bündnisstaaten verurteilen und globale Verstöße anprangern.

Trotz allem: Wir kämpfen für die globale Friedensarchitektur

Unserer langfristiger Entwurf einer globalen Friedensarchitektur steht im Widerspruch zur momentan allgegenwärtigen Abschreckungspolitik. Eine solche Weltordnung kann nur von der globalen arbeitenden Klasse erfolgen, muss feministischen Grundsätzen folgen und darf nicht von Staaten diktiert werden oder von Grenzen und nationalistischen Ressentiments eingeschränkt werden. Eine Abkehr vom Kapitalismus und dem damit einhergehenden Imperialismus betrachten wir hierfür genauso notwendig, als das Ziel einer weltweiten totalen (atomaren) Abrüstung. Dazu braucht es eine globale Organisation für Frieden und Verständigung, die demokratisch organisiert bei Konflikten einschreitet und den Frieden sicherstellen kann. Auch ein kurzfristig notwendiges und optimiertes oder mittelfristig notwendiges und neu aufgebautes Bündnis müssen dann in einer globalen Ordnung aufgehen und von einer nachhaltigen Friedens-Architektur abgelöst werden. Wie genau wir uns dies vorstellen, soll im nächsten Schritt erarbeitet werden. Fest steht: unsere Utopie bleibt eine Welt ohne Waffen, Armeen und Militärbündnisse!

Keine EU-Integration über eine Armee

Grundsätzlich setzen wir uns für eine stärkere EU Integration ein, sehen aber in einer europäischen Armee, die zu dieser beitragen soll, einen klaren Widerspruch zu unserer antimilitaristischen Grundhaltung. Denn eine europäische Integration mit einer gemeinsamen Armee zu fordern würde eine Naturalisierung und Legitimation auch auf dieser Ebene bedeuten. Die EU als sog. Friedensprojekt durch die Forderung einer europäischen Armee einen militärischen Unterbau zu verleihen, ist konträr zu unserem Verständnis von Friedenspolitik. Wenn eine europäische Integration gelingen soll, muss diese über verbindende und inklusive Werte erfolgen und darf nicht auf Waffengewalt begründet sein. Wir setzen uns weiterhin für ein Europa der Regionen und den Aufbau föderaler Strukturen innerhalb der EU ein.

Auch im Hinblick auf eine feministische Außenpolitik müssen wir statt einer weiteren militärischen Ebene, egal wie diese ausgestaltet werden würde, eine grundsätzliche Neuorientierung der Außenpolitik schaffen. Armeen und dahingehend auch militärische Konflikte sind die höchste Stufe der imperialistischen Auseinandersetzungen in einer kapitalistischen Welt. Sehen wir also den Kapitalismus als Folge des Patriarchats, können wir unsere feministische Außenpolitik nicht mit Waffengewalt begründen. Die EU – besonders im Hinblick auf ihre unrühmliche und menschenverachtende Politik an ihren Außengrenzen durch Frontex und die Billigung tausender Toter durch unterlassene Hilfeleistung auf dem Mittelmeer – muss sich zuallererst auf gemeinsame liberale Werte einigen und verpflichten, bevor sie überhaupt glaubwürdig sicherheitspolitisch tätig werden kann, geschweige denn militärisch koordiniert agieren sollte.

Darüber hinaus ist die Bildung einer europäischen Armee nicht in einem notwendigen Zeitrahmen, der ein solches Vorhaben rechtfertigen würde, umsetzbar und langfristig läuft sie der Zielsetzung “EU als Friedensprojekt” entgegen.

Kurzfristig ist die Umsetzung nicht stemmbar. Zu viele verschiedene Standards, Organisationsweisen und nationale Interessen würden eine Zusammenarbeit und einen Zusammenschluss auf Jahre verzögern. Die EU ist aktuell gespalten wie nie, Großbritannien ausgetreten, Polen und Ungarn verstoßen gegen Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, der Verwaltungsapparat in Brüssel arbeitet ineffizient und die politischen Entscheidungsträger*innen werden weniger durch Europawahlen als durch Machtspiele zwischen Paris und Berlin geregelt. Der EU fehlt jede Legitimität, um ein Verteidigungsbündnis zu bilden, schon gar nicht um eine gemeinsame Armee zu organisieren: Wir bekennen uns zur demokratischen Kontrolle der Bundeswehr durch den Bundestag. Eine europäische Armee müsste diesem Verständnis nach auch durch ein europäisches Parlament kontrolliert werden. Wie aber kann das gelingen, wenn das Parlament in wichtigen Fragen unmündig ist, die Regierungsstrukturen undemokratisch und mit Polen und Ungarn zumindest zwei Staaten enthalten sind, die mindestens starke Autokratisierung zeigen, wenn nicht schon in Teilen stabile Autokratien sind. Zuerst muss eine europäische Einheit hergestellt werden, bevor Überlegungen nach einer gemeinsamen Armee angestrengt werden sollten. Diese Einigkeit ist aktuell noch weit entfernt!

Den russischen Aggressionen kann darüber hinaus nur ein Bündnis unter Beteiligung der USA und in Verständigung mit außereuropäischen Partner*innen etwas entgegensetzt werden. Die NATO ist dabei allerdings wie gezeigt reformbedürftig – darauf müssen die Anstrengungen verwendet werden, um europäische Sicherheit zu erreichen.

Mittelfristig, in einer Zeit, in der Bündnisse notwendig bleiben, gibt es keine Rechtfertigung, warum sich die europäischen Staaten nur eurozentristisch untereinander schützen sollten und mit Autokraten vor der eigenen Haustüre lieber zusammenarbeiten sollten, als mit weiter entfernt liegenden, aber dafür politisch deutlich näher stehenden liberalen Demokratien. Mittelfristig streben wir ein Bündnis der Demokratien an, das nationale Armeen weniger bedeutend werden lassen soll. Innerhalb dieser Strukturen kann sich die EU stark beteiligen, sollte aber in keinem Fall eine Konkurrenz dazu aufbauen.

Langfristig streben wir eine globale Architektur des Friedens an, die Verteidigungsbündnisse obsolet machen soll. So auch eine potentielle europäische Armee, wie auch die nationalen Armeen.

Änderungsanträge
Status Kürzel Zeile AntragstellerInnen Text PDF
angenommen ÄI5-11 78 Oberbayern   Ersetze Zeile 78 “sind hirnrissig” durch “werden der Situation bei Weitem nicht gerecht”
angenommen ÄI5-10 79 Obb Streiche Z. 79. Halbsatz ab “, und”. Grund: zu definitiv für die Zukunft an Nationalstaat festhaltend. Es geht nicht um die Ukraine als Nationalstaat.
angenommen ÄI5-9 80 Oberbayern Ersetze Zeile 80 “das einzige” bis “wiedergewinnt” durch: Die Grundlage für ein Friedensszenario kann nur die ukrainische Bevölkerung, vertreten durch ihre demokratisch gewählte Regierung, festlegen. Nur, wenn eine Friedensvereinbarung den Rückhalt in der Bevölkerung hat, kann der Frieden nachhaltig sein.
angenommen ÄI5-1 82 Jusos Oberpfalz Ersetze Z.82/83 durch: Eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine soll auch dann nicht ausgeschlossen werden, wenn Teile des ukrainischen Territoriums besetzt sind.  
angenommen ÄI5-3 98 Jusos Mittelfranken ergänze “nur” zwischen “nicht” und “mit”.
angenommen ÄI5-4 101 Jusos Mittelfranken ersetze “bürokratisch” durch “unbürokratisch”
angenommen ÄI5-8 130 Oberbayern Ergänze nach Z. 130: Trotzdem, und obwohl eine diplomatische Lösung des Konflikts mit dem russischen Regime unter Putin unmöglich erscheint, darf die Praxis der Diplomatie nie ganz abreißen. Parallel zu immer stärkerer werdenden wirtschaftlichen Sanktionen, Waffenlieferungen und aller anderer Unterstützung der Ukraine braucht es auch weiterhin Bestrebungen nach diplomatischer Kommunikation mit Russland. Im letzten Schritt wird dieser Krieg nur mit Verhandlungen, hoffentlich mit einer demokratischen Nachfolgeregierung des Putin-Regimes, beendet werden können. Wir wünschen uns daher, dass auch in der deutschen Debatte die Praxis der Diplomatie nicht grundsätzlich delegitimiert oder diskreditiert wird, nur weil derzeit ein Friedensvertrag der Ukraine mit Russland unmöglich scheint, der nicht zulasten der Mehrheitsmeinung in der Ukraine, unserer ukrainischen Genoss*innen und der staatlichen Integrität der Ukraine geht.
angenommen ÄI5-7 138 Obb   Ergänze nach Zeile 138: Viele Organisationen haben zum Zeitpunkt der russischen Invasion in die Ukraine 2022 ihre Kontakte zu russischen Partner*innen eingestellt. Dies führt zu einer Isolation auch der progressiven Kräfte innerhalb Russlands, die dort in der Opposition gegen das Regime und seine Kriegspolitik arbeiten. Deshalb wollen wir dazu beitragen, Kommunikationskanäle zu progressiven Partner*innen in Russland wieder zu eröffnen und wo möglich, diese in ihrer Arbeit unterstützen.
angenommen ÄI5-5 228 Oberbayern Ergänze vor Zeile 228: Die Diskursverschiebung hin zu technischen und militärischen Fragen betrachtet die Opfer des Krieges viel zu wenig. Das gilt für beide Seiten: Die oft jungen Menschen, die sowohl auf ukrainischer als auch auf russischer Seite sterben, sind die Opfer der Auseinandersetzung. Dabei lässt sich auch ein Klassenunterschied beobachten: Während zum Beispiel Studierende von der Mobilisierung für den Kriegsdienst ausgenommen sind, sind es die Arbeiter*innen, die zuerst an die Front geschickt werden.   Die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag fotografiert sich mit Leoparden-Outfit und fordert „free the leopards“, die Süddeutsche Zeitung und der Spiegel veröffentlichen eine Beschreibung von Kampfpanzern im Stil eines „Trumpf-Quartetts“. Selbstverständlich verdient das Opfer, das die Menschen in der Ukraine bringen, um ihre Freiheit zu verteidigen, Anerkennung und Wertschätzung. Aber gleichzeitig ist das Töten von Menschen – aus egal welchem Grund – nie mutig oder bewundernswert, auch die völkerrechtskonforme Verteidigung von Grenzen hat nichts heroisches an sich. Krieg ist immer grausam, zerstörend und schrecklich.
angenommen ÄI5-6 228 Obb In Zeile 228, ersetze “besonders aus der schwarzen und braunen Opposition im Bundestag” durch: “besonders aus der rechten bis rechtsradikalen Opposition im Bundestag.”
angenommen ÄI5-2 265 Jusos Oberpfalz Ersetze Z.265/266 durch: Ausrüstung von Streitkräften darf nie zum bloßen Rüstungszweck geschehen und nicht im Zeichen des Militarismus stehen, sondern nur – wider unsere Vision in der derzeitigen Weltlage erforderlich – im Zeichen einer konkreten Bedrohung zu Verteidigungszwecken geschehen.