Polymere sind faszinierend vielseitige Stoffe. Durch Anlagerung chemischer Gruppen können ihre Eigenschaften bis ins kleinste Detail angepasst werden. Für unzählige Anwendungen kann somit genau jenes Material geschaffen werden, welches benötigt wird. Diese Vielseitigkeit führte aber auch dazu, dass für unzählige Zwecke massenhaft Verwendung fand und viele Arten an
Kunststoffen durch die industrielle Produktion spottbillig geworden sind. Beispielsweise kann für nahezu kein Geld jede Ware in Schichten von Verpackungsmaterial aus Kunststoffen gewickelt werden. Diese günstige Verfügbarkeit der Plastik führt jedoch dazu, dass es keine Marktanreize gibt, damit ressourcenschonend umzugehen. Die wahren Kosten des Plastikverbrauchs – die enorme Umweltverschmutzung – werden eh nicht von den industriellen Akteuren getragen.
Plastikverschmutzung stellt neben der Emission von Treibhausgasen und der großflächigen
Entwaldung den größten menschengemachten Eingriff in die Umwelt dar. Im Gegensatz zum Klimawandel als Konsequenz der CO2-Emission sieht die Menschheit sich aber nur mittelbar mit den Folgen der Plastikverschmutzung konfrontiert. Oft wird es auf einen ästhetischen Makel reduziert – zwar wird bedauert, dass ein Waldstück oder ein Strandabschnitt verdreckt ist, aber die Natur scheint sich dennoch damit zu arrangieren. So generiert die Klimafrage und Schutz von Wäldern, welche eng verzahnt miteinander sind, weit mehr Momentum, als es die Plastikfrage noch tut. So stieg der Plastikmüll die letzten Jahre weiterhin – in Deutschland zuletzt auf 227 Kilo pro Kopf und Jahr.
Es wird geschätzt, dass 2010 1,5% bis 4,5% der weltweiten Produktion an Plastik – und damit 4 bis
12 Millionen Tonnen – im Meer gelandet sind. Des Weiteren wird erwartet, dass diese jährliche Menge noch bis auf das Doppelte ansteigen wird. Dabei sind 99% des jemals in die Meere entsorgten Plastikmülls nicht mehr aufzufinden. Einiges davon ist im arktischen Eis gefangen und dürfte dank Klimaerwärmung ein baldiges Comeback haben. Der größte Anteil davon ist vermutlich aber entweder von Fischen und anderen Meereslebewesen gefressen worden oder wurde unter Sonneneinstrahlung und Wellengang zu kleineren Stücken, sog. Mikroplastik zerrieben. Trotz der unmittelbaren Bedeutung für maritime Ökosysteme und damit auch die Ernährung der Menschheit sind dessen Auswirkungen nur unzureichend erforscht. Die lückenhaften Ergebnisse bisher geben dennoch Grund zu Besorgnis. So wird Plastikverschmutzung u.a. mit der Erkrankung von Korallen, Unfruchtbarkeit und dem Tod von Millionen Tieren jedes Jahr in Verbindung gebracht. Außerdem gibt es auch direkte Folgen auf die Gesundheit von
Menschen. Manche Weichmacher in Plastikprodukten können bei Kindern Molaren-InzisivenHypomineralisation (MIH), sogenannte Kreidezähne, hervorrufen.
Für viele der weithin verwendeten Kunststoffarten gibt es Alternativen. Durch weitere Arbeit von
Forscher:innen und Umweltschützer:innen wächst der Pool an Ersatzprodukten, wie etwa
Zuckerrohr, Pilze, Milchproteine, Maisstärke, Algen, Hanf und Schalentieren. Für beispielsweise Sportkleidung oder Laufschuhe wird mit künstlicher Spinnenseide experimentiert. Da die Ersatzstoffe aber stets teurer sind, scheitern sie an den bestehenden Marktmechanismen.
Außerdem suchen Forscher:innen in Hafenbecken und neben Mülldeponie nach Bakterien und
Enzyme zu dem Zersetzen von Plastik. Es besteht somit auch Aussicht auf Technologie zur
Beseitigung der bereits geleisteten Umweltschäden. Aber es liegt nicht in der Natur der Marktwirtschaft, dass dies von den Verursacher:innen freiwillig finanziert wird. Da der Markt hier klar versagt, braucht es staatliche Akteure.
Die weltweite Plastikverschmutzung bedarf einer internationalen Lösung. Bessere nationale und supranationale Standards, wie etwa auf EU-Ebene, sind demgegenüber förderlich. Bisher ist die
Regulierung von Plastik nur mäßig etabliert. Regulierung erfolgt zwar aus dem
Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ), dem Internationalen Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (MARPOL) und der Londoner Konvention, allerdings gibt es kein Übereinkommen, welches einzig das Problem der Plastikverschmutzung adressiert und regelt.
Die EU zeigte sich in den letzten Jahren sehr aktiv und präsentiert erste Ansätze zur
Plastikeindämmung. Es benötigt ein Vorgehen, das dem Beispiel des Montreal-Protokolls 1989 zum Verbot und der erfolgreichen Einschränkung von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) führte. Die sozialistische und sozialdemokratische Parteienfamilie und die Europäische Union sollten dies vorantreiben.
Bestimme Plastikarten als Giftmüll klassifizieren
Wir fordern die Klassifizierung von Plastik, welche entweder sich als schädlich erweisen und/oder schlechte Recycling-Quoten aufweisen als Gefahrenstoffe. Damit geht man über die Materialien hinaus, welche z.B. durch Weichmacher direkt giftige Auswirkungen zeigen und bezieht die Gefahr für die Umwelt durch Verschmutzung mit ein.
Insbesondere betrifft das die vier Plastikarten PVC, Polystyrene, Polyurethane und Polycarbonate, die zusammen genommen bereits 30% der Produktion ausmachen. Diese erweisen sich als besonders schwierig zu recyceln und enthalten potenziell giftige Bestandteile.
Verbot nach Anwendungsbereich
Ergänzend zur Klassifizierung spezifischer Materialien als Giftmüll soll Plastik in den
Anwendungsbereichen mehr und mehr verboten werden, in denen es sich vor allem durch den geringen Preis behauptet und Ersatzstoffe für vertretbare Mehrkosten verfügbar sind. Bestehende Gesetzeslagen zum Verbot von Einwegplastik, wie bald gültig in der EU, werden begrüßt.
Ambitionierter, aber durchaus realistisch ist die Zielsetzung, in den 2020er Jahren
Verpackungsplastik so weit zurückzufahren, dass bis 2030 jegliche Verpackungen kunststofffrei sind.
Auch in anderen Bereichen, wie etwa Bau, Kleidung, etc., müssen Anwendungen von
Kunststoffmaterialien zunehmend unter Rechtfertigungsdruck kommen und Verbote ausgeweitet werden. Ausgenommen von alledem sind weiterhin hochspezialisierte Anwendungen, z.B. im medizinischen Bereich und in der Materialforschung.
Recyclingsystem verbessern
Für alle Polymerstoffe, die für die großindustrielle Verwendung weiterhin zugelassen werden, wird eine entsprechend hohe Recyclingquote vorausgesetzt. Dazu bedarf es zunächst mal, dass die Berechnung der Quote auf ein ehrliches Fundament gestellt wird. In Deutschland kann man die offiziellen Zahlen als bestenfalls “schöngerechnet” bezeichnen. So sprechen die offiziellen Angaben von einer Recyclingquote von 80%, welches aber lediglich die Menge beziffert, welche Recyclinganlagen erreichen. Schätzungsweise mehr als die Hälfte kann aber in der Anlage nicht verarbeitet werden. Selbst wenn, dann kann der Stoff nur selten erneut in die ursprüngliche Anwendung zurück überführt werden. Durch bessere Sortieranlagen und Förderbandsysteme kann diese Quote tatsächlich erreicht werden, allerdings sollte der aktuelle Stand sich auch in der Statistik widerspiegeln.
Zur Wahrung der Recyclingstandards gehört auch, dass Müll nicht durch Export aus der Enthebung entfällt. Es ist leider gängige Praxis, dass Abfall, darunter auch Plastikmüll, in Entwicklungsländer exportiert wird, und dabei unter großen sozialen und ökologischen Schäden verwertet wird. Internationale Kooperationen in der Wertschöpfungskette von Plastikmüll darf es nur geben, wenn die gleichen oder höhere Standards gewahrt werden. Durch Modernisierung muss die Kreislaufwirtschaft von Kunststoffen stetig besser werden. Insbesondere braucht es auch gesicherte Ketten für Kunststoffe abseits des Verpackungsplastiks. Bleibt die Recyclingquote einzelner Polymermaterialien zurück, so muss eine Klassifizierung als Giftmüll wie zuvor vorgeschlagen in Erwägung gezogen werden. Um auch Plastik zu erfassen, welches nicht in Verpackungen verwendet findet, zu erfassen und zu recyclen sollen bundesweit Wertstofftonnen das duale System ersetzen. Ein Bundesprogramm soll den Kommunen bei der Verbesserung ihrer Sortiersysteme helfen und neuartige, KI-gestützte Recycling-Anlagen ermöglichen.
Verpflichtung der Industrie
Eine flexible Plastik-Steuer soll das “duale System” in der Abfallwirtschaft, wonach nach dem Verpackungsgesetz jeder Produzent zur Rücknahme des Verpackungsmülls verpflichtet ist, ablösen und die gesamte Plastik produzierende Industrie für den Verbleib des Materials in die Verantwortung nehmen. Wichtig ist dabei, diese nicht als Verbraucher*innensteuer zu gestalten, sondern bei den produzierenden Unternehmen anzusetzen. Die Steuer soll für jedes
Unternehmen anhand von Kriterien wie Menge, Art und recycling-freundliches Design des Plastiks berechnet werden. Ein “Plastik-TÜV”, welcher die Steuerhöhe festlegt, setzt somit Anreize dafür, Kunststoffe nachhaltig zu nutzen. Mit der Plastiksteuer wird die Wertstofftonne anteilig finanziert, was mindestens dem Wert der aktuellen Zahlungen zum “Gelben Sack” entspricht.
Des Weiteren schlagen wir die Gründung von Kunststoff-Fonds auf nationaler Ebene vor, welcher sich ebenfalls aus der Plastiksteuer finanziert. Die Höhe des Fonds sollte mindestens den geschätzten Schäden zur Plastikverschmutzung für die Allgemeinheit entsprechen. Dies soll von einer unabhängigen Stelle wissenschaftlich untersucht und geschätzt werden.
Aus diesem Fond sollen Projekte finanziert werden, die die ökologischen und sozialen Folgen der
Plastikverschmutzung eindämmen. Etwa soll dadurch die Forschung an der Zersetzung von Kunststoffverschmutzung in den Ozeanen durch Bakterien gefördert werden. Der Fond soll von einem unabhängigen Gremium aus NGO-Vertreter*innen, Wissenschaftler*innen und Expert*innen bestehen.
Am Beispiel von Kunststoffen zeigt sich, dass der Markt allein nicht zu einem effizienten Umgang mit Rohstoffen in der Lage ist. Durch zunehmende Regulierung basierend auf dem Rat von
Expert*innen und Wissenschaftler*innen wird es möglich sein, die Vorteile der
Polymermaterialien weiterhin dort einzusetzen, wo sie Innovationen ermöglichen, und jene Anwendungen auszuschließen, die nur aufgrund eines Marktpreises, welcher die externen Kosten in der Umwelt nicht beachtet, Sinn ergeben.