B3 Schulen sollen stärken

Status:
geändert angenommen

“Die Schulen sollen nicht nur Wissen und Können vermitteln, sondern auch Herz und Charakter bilden” – so steht es seit 74 Jahren in Artikel 131 der Bayerischen Verfassung, doch von der Erfüllung dieses Versprechens sind wir insbesondere in Corona–Zeiten weit entfernt. Immer noch wird zu viel Wert gelegt auf reine Faktenvermittlung, deren lebensweltlicher Bezug oftmals fragwürdig ist.

Über dem Lernen als Wert an sich wird immer wieder die Abprüfbarkeit des Lernstoffes gestellt. Die Diskussion um Öffnung und Schließung von Schulen drehte sich zu oft um Fragen der (Abschluss–)Prüfungen, aber zu selten um pädagogische Fragen. Zusätzlich zu den Belastungen während der Pandemie sollen die Schüler*innen vor allem Leistungen erbringen – aus diesem Grund wurden sogar die Faschingsferien in Bayern gestrichen. In der aktuellen Zeit der großen Belastung, in der psychische Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen massiv ansteigen, aber auch für die Zeit nach der Pandemie ist es wichtig, die psychische Stärkung der Lernenden endlich in den Fokus der Bildung zu lenken.

Die psychische Gesundheit der Schüler*innen leidet unter dem Leistungs–und Selektionsdruck unseres Schulsystems. Für uns ist klar, dass Leistungsdruck und gegliedertes Schulsystem fallen müssen, um Stress und massive Belastung wirksam aus den Schulen zu vertreiben. Aber auch im aktuellen Bildungssystem wollen wir den Fokus so verschieben, dass die Stärkung der psychischen Gesundheit der Kinder und ihr allgemeines Wohlbefinden einen höheren Stellenwert erhalten. Uns ist dabei wichtig, dass unsere Überlegungen für alle Schulformen gültig sind und wir insbesondere weg wollen von der Überbetonung von Gymnasium und Abitur, um auch anderen Schulformen zur Aufmerksamkeit zu verhelfen, die sie verdienen.

Keine Entscheidung ohne Schüler*innen

Die momentanen Zeiten sind für alle eine Herausforderung. Auch die Schüler*innen leiden massiv darunter, dass keine Planbarkeit möglich ist. Sie haben keine Möglichkeit, mitzubestimmen und müssen den Verordnungen folgen, die vom Kultusministerium diktiert werden. Das Erlernen demokratischer Verfahren und die Erfahrung der eigenen Selbstwirksamkeit in der Gemeinschaft gehören zu den wichtigsten Bildungszielen. Allerdings stehen sie faktisch in der Schule oft im Hintergrund. Ministerium, Schulträger*innen, Direktorat und Lehrer*innenschaft entscheiden oft über die Köpfe der Schüler*innen hinweg. In der “Schulfamilie” bestimmen also nach wie vor meist Patriarchen über scheinbar unmündige Kinder.

Deshalb fordern wir:

  • Die Schüler*innen müssen bei Entscheidungen über das Lernen Mitspracherecht bekommen. Unser Ziel ist eine Schule, in der individuelles Lernen möglich ist und Schüler*innen ihre Lernziele selbst wählen. Im aktuellen System sind Schwerpunktsetzungen bzw.
  • Wahlmöglichkeiten für Einzelne und Klassen ermöglichen. In Zeiten von Distanz– und Wechselunterricht sollte es Klassen und einzelnen Schüler*innen möglich sein, selbst zu wählen, ob sie in der Schule oder Online am Unterricht teilnehmen wollen. Die Präsenzpflicht ist auszusetzen.
  • Im Unterricht muss eine Feedbackkultur eingeführt werden, in der es den Schüler*innen ohne Angst vor “Rache” durch die Lehrkraft in Form von schlechten Zensuren möglich ist, den Unterricht zu kritisieren und mit ihren Vorschlägen zu verbessern.
  • In Bayern muss die Erlaubnis für die Einrichtung Demokratischer Schulen gegeben werden. Diese Schulform übt nicht nur demokratische Verhaltensformen von Anfang ein, sie ermöglicht auch freies Lernen: die Schüler*innen lernen wann wo wie und was sie wollen. Die Erfahrungen der Demokratischen Schulen müssen für die Schulentwicklung auch und insbesondere der Regelschulen fruchtbar gemacht werden. Langfristig soll die Demokratische Schule die Regelschule werden.

Zeit für Schüler*innen –Zeit für Lehrkräfte –Zeit für Klassen

Die Kontaktbeschränkungen, der Distanzunterricht und der fehlende soziale Austausch mit Mitmenschen zerrt enorm an der psychischen Gesundheit der Schüler*innen. Aber auch sonst fehlt in Schulen häufig die Zeit, sich mit dem eigenen Befinden und dem anderer auseinanderzusetzen, da der Fokus auf dem Lernen von Fakten und der Leistungsmessung liegt.

Wir wollen für Schüler*innen, Lehrkräfte, Klassen und Beratungsfachkräfte Zeiten schaffen.

Deshalb fordern wir:

  • Austausch zwischen Lehrkräften und Schüler*innen über Lernen und Leben muss zum Alltag gehören. Regelmäßige Feedback– und Beratungsgespräche müssen Raum und Zeit bekommen – das bedeutet, dass sowohl zur Beratung geeignete Räumlichkeiten als auch fest vorgesehene
  • Zeiten für Einzelgespräche zwischen Schüler*innen und Lehrkräften geschaffen werden müssen. Es ist Aufgabe des Kultusministeriums, eine Möglichkeit zu schaffen, wie diese Gespräche – insbesondere in Zeiten des Distanzlernens – auch online geführt werden können, ohne dass es Probleme mit dem Datenschutz gibt.
  • Bewährt haben sich auch “Zeit für uns”–Stunden (ZfU), in denen Schüler*innen frei selbst bestimmen, was thematisiert werden soll. Hier haben die Schüler*innen die Möglichkeit, sich in ihrer Klasse auszutauschen. Das Spektrum der Themen reicht von Planung und Mitgestaltung von schulinternen Projekten und Veranstaltungen, über Probleme in der Klasse, bis zu Ideen für soziales und politisches Engagement. Die ZfU–Stunden müssen für alle Schulen in einem sinnvollen Umfang vorgeschrieben werden. Lehrkräfte müssen mit dem Konzept vertraut gemacht werden. Es ist wichtig, dass sie lernen, sich in diesen Stunden zurückzunehmen.
  • An allen Schulen muss ausreichend Personal für die Beratung von Schüler*innen angestellt sein. Für die Vernetzung der multiprofessionellen Teams muss Arbeitszeit eingeplant werden.

Soziales und selbstständiges Lernen

Im Berufsleben bekommen Menschen Aufgaben, doch wie sie diese Aufgaben lösen, ist ihnen überlassen. Zusammenarbeit, kreative Lösungsfindung und Selbststrukturierung sind Fähigkeiten, die dann gebraucht werden. Doch der aktuelle Unterricht ist häufig das Gegenteil von Zusammenarbeit und Eigenständigkeit. Mit Blick auf die Zukunft sind viele junge Menschen verunsichert, weil sie das Gefühl haben, relevanteKompetenzen im Unterricht nicht erlernt zu haben. Unser Ziel ist klar: Unterricht muss viel schüler*innenzentrierter sein und statt reiner Fakten Kompetenzen vermitteln, die ein Leben lang helfen. Solche Kompetenzen können kaum im herkömmlichen Unterricht vermittelt werden. Lediglich bei Aufenthalten in Schullandheimen oder Wandertagen liegen solche Lernformen derzeit vor, denn auch in diesen offenen Situationen können die Schüler*innen viel voneinander und miteinander lernen. Weitere offene Lehr– Lernsituationen sind Planspiele, bei denen die Schüler*innen durch Unterstützung der Lehrkraft das politische Geschehen beispielsweise in Bayern oder Deutschland direkt erfahren. Durch diese direkte Erfahrung lernen die Schüler*innen den Stoff deutlich intensiver.

Deshalb fordern wir:

  • Ausbau und aktive Förderung offener Lernkonzepte und Teamarbeiten im regulären Schulunterricht und in Prüfungssituationen.
  • Verpflichtende Schullandheimaufenthalte und Wandertage mit Übernahme aller Kosten.

Gleiche Chancen für alle –Materielle Nachteile ausgleichen, Lernen fördern

Schüler*innen, die weniger Geld als andere haben, haben in der Schule schlechtere Bedingungen. Dies wurde auch während der Pandemie mehr als deutlich. Viele Schüler*innen haben nicht die nötigen Endgeräte, um am digitalen Unterricht teilnehmen zu können. Dies setzt die jungen Menschen zusätzlich unter hohen Druck. Noch problematischer wird es, wenn Schüler*innen keinen geeigneten Raum haben, um in Ruhe lernen zu können, zum Beispiel weil ihre Eltern im gleichen Raum im Homeoffice arbeiten oder sie sich mit ihren Geschwistern den Computer teilen müssen. Ein weiterer Punkt, der in den Fokus genommen werden muss, sind die unterschiedlichen Startbedingungen beim Thema Lernen. Schüler*innen aus Akademiker*innenfamilien bekommen häufig von ihren Eltern vorgelebt, wie man konzentriert lernt, weil die Eltern in ähnlicher Weise arbeiten. In Familien, in denen die Eltern einem Beruf nachgehen, der vor allem körperliche Arbeit erfordert, haben die Kinder dieses Vorbild nicht. Es ist Aufgabe der Schule, Kindern die Möglichkeit zu geben, konzentriertes Lernen zu erlernen. Der Vergleich mit anderen belastet junge Menschen zusätzlich, vor allem dann, wenn sie nicht auf der Seite der Wohlhabenden stehen.

Deshalb fordern wir:

  • Lernmittelfreiheit beinhaltet aktuell nur die Schulbücher (– und dies auch nur teilweise, da verlorengegangene Schulbücher ersetzt werden müssen.) Wir fordern eine Ausweitung der Lernmittelfreiheit auf den gesamten Schulbedarf, also zum Beispiel Hefte, Stifte und auch digitale Ausstattung wie zum Beispiel ein Laptop. Gleichzeitig müssen schnelle und stabile Internetverbindungen sichergestellt werden.
  • Lernen lernen muss zentraler Bestandteil der Schule und des Unterrichts sein. Dabei ist es notwendig, die individuellen Vorausssetzungen der einzelnen Schüler*innen in den Fokus zu nehmen und nicht mit dem Gießkannenprinzip allen Schüler*innen die gleiche Förderung zukommen zu lassen.

Psychische Gesundheit zum Thema machen –Stigmatisierung von psychischen Erkrankungen beenden

Um psychischen Krankheiten aktiv entgegenzuwirken, ist es nicht nur wichtig, dass Stress und Belastungen insgesamt reduziert werden, sondern auch, dass junge Menschen erfahren, wie sie mit individuellen Belastungen umgehen können. Gleichzeitig müssen psychische Erkrankungen in der Gesellschaft den gleichen Stellenwert wie körperliche Erkrankungen erhalten und mit derselben Rücksichtnahme auf Betroffene einhergehen. Dazu ist es notwendig, dass Schüler*innen ein breites Wissen über psychische Erkrankungen erlangen.

Deshalb fordern wir:

  • Psychische Erkrankungen sollen als Querschnittsthema in allen Fächern behandelt werden. Dies beinhaltet nicht zwangsläufig die ausführliche Darstellung des Störungsbildes, sondern soll auch in Erwähnungen in allen Fachbereichen, der Literatur und sonstigen Aufgaben vorkommen.
  • Schulen sollen Informationsabende und Ausstellungen zu psychischen Erkrankungen und Möglichkeiten von Hilfe und Unterstützung anbieten.
  • Die Ansprechpartner*innen innerhalb der Schulfamilie für psychisch belastete Schüler*innen sowie Freund*innen und Familienmitglieder psychisch belasteter Personen müssen klar kommuniziert und ihre Kontaktdaten in der Schule an prominenter Stelle dauerhaft ausgehangen werden.
Änderungsanträge
Status Kürzel Zeile AntragstellerInnen Text PDF
angenommen ÄB3-1 118 Jusos Schwaben Ergänzung ab Zeile 118: Probleme ernst nehmen – Jugendsozialarbeit an Schulen ausbauen Nicht erst seit Corona kämpfen viele Schüler*innen mit diversen Problemen. Unser auf Leistung ausgelegtes Schulsystem fördert Stress und Druck, private Probleme haben an Schulen kaum Platz. Daneben müssen Schulen immer mehr Erziehungsaufgaben übernehmen, für die meist Lehrkräfte neben dem Unterricht Zeit und Engagement aufbringen müssen. Um hier einen Ausgleich zu schaffen, ergibt sich aus dem Achten Sozialgesetzbuch (SGB VIII) unter §13 (Jugendhilfe) das Aufgabengebiet der Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS), aktuell meist als kommunale Leistung. Der Freistaat leistet hier nur eine teilweise Co-Finanzierung, deren Summe pro Stelle seit 2003 nicht gestiegen ist. Darüber hinaus wird JaS bisher meist nur an Mittelschulen, in Einzelfällen auch an Realschulen geleistet. Weiterer Standortfaktor ist die Migrationsquote in der jeweiligen Sozialregion, in der sich die Schule befindet. Deshalb fordern wir: • Die tatsächlichen Kosten der jeweiligen Stellen werden vollständig vom Freistaat übernommen, um die kommunale Jugendarbeit zu entlasten. Die Bezahlung erfolgt weiterhin analog den Tätigkeitsmerkmalen des TVöD SuE. • Weder Schulart, Schulgröße noch der (zu geringe) Anteil der Schüler*innen mit Migrationsbiografie sind Ausschlussgründe für die Förderung. Grundsätzlich sind alle Schulen unabhängig von der Trägerschaft förderfähig, auch private Schulen. • Ab 200 Schüler*innen ist eine halbe JaS-Stelle verpflichtend, ab 400 eine Vollzeitstelle. Pro weiterer 400 Schüler*innen ist eine weitere Kraft verpflichtend. • Besteht an Schulen höherer Bedarf an JaS-Kräften, der über der mit der Schulgröße korrespondierenden Anzahl an JaS-Kräften liegt, so wird bedarfsabhängig mindestens eine weitere halbe JaS-Stelle bewilligt. • Bereits bestehende, zusätzlich kommunal eingerichtete Stellen, werden in die staatliche Förderung übernommen.
Text des Beschlusses:

“Die Schulen sollen nicht nur Wissen und Können vermitteln, sondern auch Herz und Charakter bilden” – so steht es seit 74 Jahren in Artikel 131 der Bayerischen Verfassung, doch von der Erfüllung dieses Versprechens sind wir insbesondere in Corona–Zeiten weit entfernt. Immer noch wird zu viel Wert gelegt auf reine Faktenvermittlung, deren lebensweltlicher Bezug oftmals fragwürdig ist.

Über dem Lernen als Wert an sich wird immer wieder die Abprüfbarkeit des Lernstoffes gestellt. Die Diskussion um Öffnung und Schließung von Schulen drehte sich zu oft um Fragen der (Abschluss–)Prüfungen, aber zu selten um pädagogische Fragen. Zusätzlich zu den Belastungen während der Pandemie sollen die Schüler*innen vor allem Leistungen erbringen – aus diesem Grund wurden sogar die Faschingsferien in Bayern gestrichen. In der aktuellen Zeit der großen Belastung, in der psychische Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen massiv ansteigen, aber auch für die Zeit nach der Pandemie ist es wichtig, die psychische Stärkung der Lernenden endlich in den Fokus der Bildung zu lenken.

Die psychische Gesundheit der Schüler*innen leidet unter dem Leistungs–und Selektionsdruck unseres Schulsystems. Für uns ist klar, dass Leistungsdruck und gegliedertes Schulsystem fallen müssen, um Stress und massive Belastung wirksam aus den Schulen zu vertreiben. Aber auch im aktuellen Bildungssystem wollen wir den Fokus so verschieben, dass die Stärkung der psychischen Gesundheit der Kinder und ihr allgemeines Wohlbefinden einen höheren Stellenwert erhalten. Uns ist dabei wichtig, dass unsere Überlegungen für alle Schulformen gültig sind und wir insbesondere weg wollen von der Überbetonung von Gymnasium und Abitur, um auch anderen Schulformen zur Aufmerksamkeit zu verhelfen, die sie verdienen.

Keine Entscheidung ohne Schüler*innen

Die momentanen Zeiten sind für alle eine Herausforderung. Auch die Schüler*innen leiden massiv darunter, dass keine Planbarkeit möglich ist. Sie haben keine Möglichkeit, mitzubestimmen und müssen den Verordnungen folgen, die vom Kultusministerium diktiert werden. Das Erlernen demokratischer Verfahren und die Erfahrung der eigenen Selbstwirksamkeit in der Gemeinschaft gehören zu den wichtigsten Bildungszielen. Allerdings stehen sie faktisch in der Schule oft im Hintergrund. Ministerium, Schulträger*innen, Direktorat und Lehrer*innenschaft entscheiden oft über die Köpfe der Schüler*innen hinweg. In der “Schulfamilie” bestimmen also nach wie vor meist Patriarchen über scheinbar unmündige Kinder.

Deshalb fordern wir:

  • Die Schüler*innen müssen bei Entscheidungen über das Lernen Mitspracherecht bekommen. Unser Ziel ist eine Schule, in der individuelles Lernen möglich ist und Schüler*innen ihre Lernziele selbst wählen. Im aktuellen System sind Schwerpunktsetzungen bzw.
  • Wahlmöglichkeiten für Einzelne und Klassen ermöglichen. In Zeiten von Distanz– und Wechselunterricht sollte es Klassen und einzelnen Schüler*innen möglich sein, selbst zu wählen, ob sie in der Schule oder Online am Unterricht teilnehmen wollen. Die Präsenzpflicht ist auszusetzen.
  • Im Unterricht muss eine Feedbackkultur eingeführt werden, in der es den Schüler*innen ohne Angst vor “Rache” durch die Lehrkraft in Form von schlechten Zensuren möglich ist, den Unterricht zu kritisieren und mit ihren Vorschlägen zu verbessern.
  • In Bayern muss die Erlaubnis für die Einrichtung Demokratischer Schulen gegeben werden. Diese Schulform übt nicht nur demokratische Verhaltensformen von Anfang ein, sie ermöglicht auch freies Lernen: die Schüler*innen lernen wann wo wie und was sie wollen. Die Erfahrungen der Demokratischen Schulen müssen für die Schulentwicklung auch und insbesondere der Regelschulen fruchtbar gemacht werden. Langfristig soll die Demokratische Schule die Regelschule werden.

Zeit für Schüler*innen –Zeit für Lehrkräfte –Zeit für Klassen

Die Kontaktbeschränkungen, der Distanzunterricht und der fehlende soziale Austausch mit Mitmenschen zerrt enorm an der psychischen Gesundheit der Schüler*innen. Aber auch sonst fehlt in Schulen häufig die Zeit, sich mit dem eigenen Befinden und dem anderer auseinanderzusetzen, da der Fokus auf dem Lernen von Fakten und der Leistungsmessung liegt.

Wir wollen für Schüler*innen, Lehrkräfte, Klassen und Beratungsfachkräfte Zeiten schaffen.

Deshalb fordern wir:

  • Austausch zwischen Lehrkräften und Schüler*innen über Lernen und Leben muss zum Alltag gehören. Regelmäßige Feedback– und Beratungsgespräche müssen Raum und Zeit bekommen – das bedeutet, dass sowohl zur Beratung geeignete Räumlichkeiten als auch fest vorgesehene
  • Zeiten für Einzelgespräche zwischen Schüler*innen und Lehrkräften geschaffen werden müssen. Es ist Aufgabe des Kultusministeriums, eine Möglichkeit zu schaffen, wie diese Gespräche – insbesondere in Zeiten des Distanzlernens – auch online geführt werden können, ohne dass es Probleme mit dem Datenschutz gibt.
  • Bewährt haben sich auch “Zeit für uns”–Stunden (ZfU), in denen Schüler*innen frei selbst bestimmen, was thematisiert werden soll. Hier haben die Schüler*innen die Möglichkeit, sich in ihrer Klasse auszutauschen. Das Spektrum der Themen reicht von Planung und Mitgestaltung von schulinternen Projekten und Veranstaltungen, über Probleme in der Klasse, bis zu Ideen für soziales und politisches Engagement. Die ZfU–Stunden müssen für alle Schulen in einem sinnvollen Umfang vorgeschrieben werden. Lehrkräfte müssen mit dem Konzept vertraut gemacht werden. Es ist wichtig, dass sie lernen, sich in diesen Stunden zurückzunehmen.
  • An allen Schulen muss ausreichend Personal für die Beratung von Schüler*innen angestellt sein. Für die Vernetzung der multiprofessionellen Teams muss Arbeitszeit eingeplant werden.

Soziales und selbstständiges Lernen

Im Berufsleben bekommen Menschen Aufgaben, doch wie sie diese Aufgaben lösen, ist ihnen überlassen. Zusammenarbeit, kreative Lösungsfindung und Selbststrukturierung sind Fähigkeiten, die dann gebraucht werden. Doch der aktuelle Unterricht ist häufig das Gegenteil von Zusammenarbeit und Eigenständigkeit. Mit Blick auf die Zukunft sind viele junge Menschen verunsichert, weil sie das Gefühl haben, relevanteKompetenzen im Unterricht nicht erlernt zu haben. Unser Ziel ist klar: Unterricht muss viel schüler*innenzentrierter sein und statt reiner Fakten Kompetenzen vermitteln, die ein Leben lang helfen. Solche Kompetenzen können kaum im herkömmlichen Unterricht vermittelt werden. Lediglich bei Aufenthalten in Schullandheimen oder Wandertagen liegen solche Lernformen derzeit vor, denn auch in diesen offenen Situationen können die Schüler*innen viel voneinander und miteinander lernen. Weitere offene Lehr– Lernsituationen sind Planspiele, bei denen die Schüler*innen durch Unterstützung der Lehrkraft das politische Geschehen beispielsweise in Bayern oder Deutschland direkt erfahren. Durch diese direkte Erfahrung lernen die Schüler*innen den Stoff deutlich intensiver.

Deshalb fordern wir:

  • Ausbau und aktive Förderung offener Lernkonzepte und Teamarbeiten im regulären Schulunterricht und in Prüfungssituationen.
  • Verpflichtende Schullandheimaufenthalte und Wandertage mit Übernahme aller Kosten.

Gleiche Chancen für alle –Materielle Nachteile ausgleichen, Lernen fördern

Schüler*innen, die weniger Geld als andere haben, haben in der Schule schlechtere Bedingungen. Dies wurde auch während der Pandemie mehr als deutlich. Viele Schüler*innen haben nicht die nötigen Endgeräte, um am digitalen Unterricht teilnehmen zu können. Dies setzt die jungen Menschen zusätzlich unter hohen Druck. Noch problematischer wird es, wenn Schüler*innen keinen geeigneten Raum haben, um in Ruhe lernen zu können, zum Beispiel weil ihre Eltern im gleichen Raum im Homeoffice arbeiten oder sie sich mit ihren Geschwistern den Computer teilen müssen. Ein weiterer Punkt, der in den Fokus genommen werden muss, sind die unterschiedlichen Startbedingungen beim Thema Lernen. Schüler*innen aus Akademiker*innenfamilien bekommen häufig von ihren Eltern vorgelebt, wie man konzentriert lernt, weil die Eltern in ähnlicher Weise arbeiten. In Familien, in denen die Eltern einem Beruf nachgehen, der vor allem körperliche Arbeit erfordert, haben die Kinder dieses Vorbild nicht. Es ist Aufgabe der Schule, Kindern die Möglichkeit zu geben, konzentriertes Lernen zu erlernen. Der Vergleich mit anderen belastet junge Menschen zusätzlich, vor allem dann, wenn sie nicht auf der Seite der Wohlhabenden stehen.

Deshalb fordern wir:

  • Lernmittelfreiheit beinhaltet aktuell nur die Schulbücher (– und dies auch nur teilweise, da verlorengegangene Schulbücher ersetzt werden müssen.) Wir fordern eine Ausweitung der Lernmittelfreiheit auf den gesamten Schulbedarf, also zum Beispiel Hefte, Stifte und auch digitale Ausstattung wie zum Beispiel ein Laptop. Gleichzeitig müssen schnelle und stabile Internetverbindungen sichergestellt werden.
  • Lernen lernen muss zentraler Bestandteil der Schule und des Unterrichts sein. Dabei ist es notwendig, die individuellen Vorausssetzungen der einzelnen Schüler*innen in den Fokus zu nehmen und nicht mit dem Gießkannenprinzip allen Schüler*innen die gleiche Förderung zukommen zu lassen.

Psychische Gesundheit zum Thema machen –Stigmatisierung von psychischen Erkrankungen beenden

Um psychischen Krankheiten aktiv entgegenzuwirken, ist es nicht nur wichtig, dass Stress und Belastungen insgesamt reduziert werden, sondern auch, dass junge Menschen erfahren, wie sie mit individuellen Belastungen umgehen können. Gleichzeitig müssen psychische Erkrankungen in der Gesellschaft den gleichen Stellenwert wie körperliche Erkrankungen erhalten und mit derselben Rücksichtnahme auf Betroffene einhergehen. Dazu ist es notwendig, dass Schüler*innen ein breites Wissen über psychische Erkrankungen erlangen.

Deshalb fordern wir:

  • Psychische Erkrankungen sollen als Querschnittsthema in allen Fächern behandelt werden. Dies beinhaltet nicht zwangsläufig die ausführliche Darstellung des Störungsbildes, sondern soll auch in Erwähnungen in allen Fachbereichen, der Literatur und sonstigen Aufgaben vorkommen.
  • Schulen sollen Informationsabende und Ausstellungen zu psychischen Erkrankungen und Möglichkeiten von Hilfe und Unterstützung anbieten.
  • Die Ansprechpartner*innen innerhalb der Schulfamilie für psychisch belastete Schüler*innen sowie Freund*innen und Familienmitglieder psychisch belasteter Personen müssen klar kommuniziert und ihre Kontaktdaten in der Schule an prominenter Stelle dauerhaft ausgehangen werden.
  • Probleme ernst nehmen – Jugendsozialarbeit an Schulen ausbauen
    Nicht erst seit Corona kämpfen viele Schüler*innen mit diversen Problemen. Unser auf Leistung ausgelegtes Schulsystem fördert Stress und Druck, private Probleme haben an Schulen kaum Platz. Daneben müssen Schulen immer mehr Erziehungsaufgaben übernehmen, für die meist Lehrkräfte neben dem Unterricht Zeit und Engagement aufbringen müssen. Um hier einen Ausgleich zu schaffen, ergibt sich aus dem Achten Sozialgesetzbuch (SGB VIII) unter §13 (Jugendhilfe) das Aufgabengebiet der Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS), aktuell meist als kommunale Leistung. Der Freistaat leistet hier nur eine teilweise Co-Finanzierung, deren Summe pro Stelle seit 2003 nicht gestiegen ist. Darüber hinaus wird JaS bisher meist nur an Mittelschulen, in Einzelfällen auch an Realschulen geleistet. Weiterer Standortfaktor ist die Migrationsquote in der jeweiligen Sozialregion, in der sich die Schule befindet.
    Deshalb fordern wir:
    • Die tatsächlichen Kosten der jeweiligen Stellen werden vollständig vom Freistaat übernommen, um die kommunale Jugendarbeit zu entlasten. Die Bezahlung erfolgt weiterhin analog den Tätigkeitsmerkmalen des TVöD SuE.
    • Weder Schulart, Schulgröße noch der (zu geringe) Anteil der Schüler*innen mit Migrationsbiografie sind Ausschlussgründe für die Förderung. Grundsätzlich sind alle Schulen unabhängig von der Trägerschaft förderfähig, auch private Schulen.
    • Ab 200 Schüler*innen ist eine halbe JaS-Stelle verpflichtend, ab 400 eine Vollzeitstelle. Pro weiterer 400 Schüler*innen ist eine weitere Kraft verpflichtend.
    • Besteht an Schulen höherer Bedarf an JaS-Kräften, der über der mit der Schulgröße korrespondierenden Anzahl an JaS-Kräften liegt, so wird bedarfsabhängig mindestens eine weitere halbe JaS-Stelle bewilligt.
    • Bereits bestehende, zusätzlich kommunal eingerichtete Stellen, werden in die staatliche Förderung übernommen.
Beschluss-PDF: