I1 „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!“

 

Analyse:
Wo tauchten deutsche Waffen auf?
In den vergangenen Jahren haben sich Fälle gehäuft, in denen deutsche Waffen in Krisen- und Kriegsgebieten entdeckt wurden, wo sie eigentlich nicht hätten sein dürfen. Käufer:innen deutscher Waffen hatten sie weitergegeben, ohne Deutschland zu informieren. Entdeckungen, die für die Bundesregierung meist peinlich waren. In Georgien tauchten während des Kaukasuskriegs 2008 Sturmgewehre des Typs G-36 auf, die nie aus Deutschland dorthin geliefert worden waren. Wer sie Georgien gab, war angeblich nicht mehr festzustellen.

In Libyen wurden 2011 G36-Gewehre entdeckt, die das Gaddhafi-Regime nicht in Deutschland gekauft hatte, aber gegen die Opposition einsetzen konnte. Sie kamen nach Erkenntnisse des Herstellers „Heckler & Koch“, aus Ägypten. Kairo hatte geliefert, ohne Berlin zu fragen.

Auch in Mexiko gab es Probleme: Mexiko hatte G-36-Gewehre für die Polizei einiger Bundesstaaten bestellt. Die Lieferung wurde genehmigt, weil vier besonders problematische Bundesstaaten in der mexikanischen Endverbleibserklärung nicht genannt wurden. Genau dort aber fand sich anschließend fast die Hälfte der Lieferung von mehr als 10.000 Gewehren wieder. Äußerst brisant hierbei, dass die 43 Studierenden die 2014 in Iguala entführt und später erschossen wurden offenbar durch deutsche G36er starben. Die mexikanische Endverbleibserklärung hatte die Absicht, die Gewehre auch in den vier problematischen Bundesstaaten an die Polizei zu verteilen, schlicht verschwiegen. Konsequenzen hieraus: keine.

Auch im Jemen tauchten jüngst G3-Gewehre auf, die Saudi-Arabien in Lizenz produziert und ohne Zustimmung der Bundesregierung weitergegeben hatte. Das G3, muss dazu gesagt werden, ist nach der Kalaschnikow das erfolgreichste Sturmgewehr der Welt, da es oft durch „Heckler & Koch“ lizensiert im Ausland produziert wird.

Wo und was wird geprüft?
Einzelfall nach Einzelfall. Zum wiederholten Verdruss der Bundesregierung wurden sie öffentlich. Deutlich wurde: Die Endverbleibsregelungen für deutsche Rüstungsexporte gleichen bisher dem sprichwörtlichen Schweizer Käse: Es gibt mehr Löcher als Käse. Dass das so ist, liegt auch daran, dass die Bundesregierung den Endverbleib bislang nie kontrollieren wollte. Hier hat sie auf Druck der Opposition mittlerweile nachgebessert, Kontrollen der Endverbleibserklärungen werden durchgeführt allerdings nur stichprobenhaft und nur in den sogenannten Drittstaaten. NATO und EU-Partner sowie Partnerstaaten in UN-Missionen und die NATO-gleichgestellten Länder (Japan, Israel, Australien etc.) zählen nicht zu den Ländern die bei Endverbleibserklärungen überprüft werden sollen. So hatte im Jahr 2011 der deutsche Gewehrproduzent „Sig-Sauer“ tausende Kleinwaffen in die USA verkauft, auch hier war der deklarierte Endverbleib eine Behörde der US-Armee. Das Problem dabei war nur, dass die Waffen einige Wochen später in Kolumbien wiederauftauchten wo zu 
dieser Zeit noch ein Bürgerkrieg zwischen der Regierung und verschiedenen Guerilla Gruppen stattfand. Mittlerweile hat sich rausgestellt, dass „Sig-Sauer“ von dem wirklichen Endverbleib wusste und die Bundesregierung schlichtweg nicht informierte. Das Unternehmen hat seine Produktion in die USA ausgesiedelt, nachdem sie in Deutschland deswegen verklagt wurden. Ähnliche Fälle sind auch aus der Türkei bekannt, die in einigen Krisenherden im Nahen Osten einer der „Big-Player“ ist.

Ein weiteres Problem ist, dass die Bundesregierung die eingeführten „Post-Shipment- Kontrollen“ nur bei Kleinwaffen durchführt. Sobald es um Teile von Raketenträgersystemen, Geschütztürme für Panzer oder Brennstoffzellen für U-Boote geht, wird überhaupt nicht mehr nachgefragt. Die Bundesregierung schrieb hierzu in einem Statement: „Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie und die Rüstungszusammenarbeit mit Drittländern dürfen durch das System der Post- Shipment-Kontrollen nicht gefährdet werden.“ Offener kann eine Regierung kaum zugeben, dass ihr wirtschaftlicher Erfolg wichtiger als Menschenleben und –rechte ist.

Warum brauchen wir Endverbleibskontrollen?
Wir Jusos bekennen uns zur friedlichen Konfliktlösung. Dies gilt für jeden Konflikt weltweit. Wir erkennen dennoch ob der aktuellen sicherheitspolitischen Lage und unserer Schutzverantwortung als Teil der Gemeinschaft aller Menschen an, dass in bestimmten Situationen der Einsatz bewaffneter Streitkräfte notwendig sein kann. Wenn in einem solchen Fall die Vereinten Nationen eine humanitäre Intervention beginnen und dabei bewaffnete Blauhelme zum Einsatz kommen, müssen diese möglichst gut ausgerüstet sein, um ihr eigenes Leben sowie das Leben der Zivilist:innen im Land zu schützen. Die beste Ausrüstung für Soldat:innen, vor allem die Kriegswaffen können auch aus Deutschland kommen.

So lang die Rüstungskonzerne in Deutschland nicht verstaatlicht sind und dem Druck des Marktes unterliegen, müssen zum einen die Wettbewerbsfähigkeit und zum anderen die Arbeitsplätze des Unternehmens gesichert werden. Dies kann aber in keinem Fall auf Kosten von Menschenleben gehen, indem Waffen in Krisengebiete, wenn auch über Umwege, geliefert werden, um Konflikte anzuheizen (s. Türkei in Syrien). Außerdem darf es nicht auf Kosten der Menschenrechte gehen, die von Regimen mit deutschen Waffen verletzt werden (s. Gaddhafi und die Opposition). Um sicherzustellen, dass keine deutschen Waffen über Umwege in Krisengebiete geliefert werden, müssen wirksame, flächendeckende Endverbleibskontrollen eingeführt werden. Diese müssen über die Größe von Stichproben hinausgehen um sicherzustellen, dass ein Land nicht eine Lieferung ordnungsgemäß behält und aufbewahrt und eine andere Lieferung weiterschickt.

Warum auch bei Bündnispartner:innen Kontrolle besser als Vertrauen ist. Endverbleibskontrollen müssen bei allen Partner:innen stattfinden. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass die Waffen, welche in Drittstaaten exportiert werden, meist auch in diesen verbleiben. Die Waffen jedoch, welche in Staaten exportiert werden, welche Bündnispartner:innen Deutschlands sind, egal ob über NATO, UN oder EU diejenigen Staaten sind, welche die Waffen dann im Sinne der Rüstungskonzerne weiterverkaufen. Oder im schlimmsten Fall sogar im Sinne des jeweiligen Staates an an dritte Akteure weitergeben.

Wer soll die Kontrollen durchführen?
Die momentanen Endverbleibskontrollen werden durch das Auswärtige Amt und das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle übernommen. Diese Aufgabenteilung zwischen Außenministerium und Wirtschaftsministerium schafft eine weitere 
gegenseitige Kontrolle, da das Auswärtige Amt in Deutschland traditionell durch den:die Junior-Koalitionspartner:innen besetzt ist. Im Fall der letzten GroKo gibt das der SPD die Möglichkeit die Waffenexporte die im Bundessicherheitsrat vor allem durch eine Unions-Mehrheit beschlossen wurden, zu überprüfen.

In der aktuellen Situation sind hauptsächlich Diplomat:innen mit den „Post-Shipment-Kontrollen“ befasst. Dies muss sich ändern. Auf der Diplomat:innenenschule wird weder gelehrt wie Kriegswaffen aufbewahrt werden, noch wie sie logistisch „verbucht“ werden.

Wir fordern, dass diese Aufgabe von geschultem Personal durch das Auswärtige Amt oder Außenwirtschaftsministerium durchgeführt wird. Eine andere Möglichkeit stellt die Weiterbildung des momentan zuständigen Personals dar.

Kein Arbeitsplatz wird bedroht.
Das Argument der letzten Bundesregierung, das durch diese „Post-Shipment- Kontrollen“ der wirtschaftliche Erfolg der Rüstungskonzerne bedroht wäre ist sehr fadenscheinig. Gerade weil Deutschland weltweit einige der besten Panzer und U- Boote herstellt, wird die wirtschaftliche Situation der Rüstungskonzerne nicht bedroht. Dies ist auch an den vollen Auftragsbüchern sichtbar, so will Norwegen im nächsten Jahr 4 U-Boote von „Thyssen-Krupp-Marine-Systems“ im Wert von 4,33 Milliarden Euro kaufen. Griechenland hat im Jahr 2014 trotz Schuldenkrise Leopard-Panzer von „KMW“ für rund 1,7 Milliarden Euro gekauft. Die Union fordert in den aktuellen Sondierungen eine Erhöhung des Wehretats um die Bundeswehr neu auszustatten, ein weiterer Auftrag für die deutschen Rüstungskonzerne der Milliarden einspielen sollte. Alles in allem spricht nichts dagegen, Endverbleibskontrollen wirksam und flächendeckend umzusetzen um aktuelle Situationen wie im Jemen zu verhindern, wo Saudische Bomber deutsche Bomben auf Rebellen abwerfen die sich auch mit deutschem Gerät verteidigen.

Deswegen fordern wir:
Die SPD setzt sich für wirksame und flächendeckende Kriegswaffen-Endverbleibs- Kontrollen auch bei militärischen Bündnispartner:innen ein.

Diese Aufgabe muss von geschultem Personal durch das Auswärtige Amt oder Außenwirtschaftsministerium durchgeführt werden. Eine andere Möglichkeit stellt die Weiterbildung des momentan zuständigen Personals dar

Beschluss: Überwiesen an Themenwerkstatt Internationales
Beschluss-PDF: