Die Arbeitswelt befindet sich im Wandel. Wir Jusos wollen die weitreichenden Veränderungen nicht denen überlassen, deren Hauptinteresse die Vermehrung von Kapital ist.
Uns aus dem Elend zu erlösen können wir nur selber tun.
Die Demokratisierung aller Lebensbereiche ist eine Kernüberzeugung der Sozialdemokratie. Diese wollen wir voranbringen. Die betriebliche Mitbestimmung muss endlich ausgeweitet werden auf unternehmerische Fragen, die entscheidend sind für die Fortentwicklung der Arbeitswelt. Denn wer hat größeres Interesse an einer nachhaltigen, innovativen und zukunftsfähigen Industrie als die Arbeitenden selbst?
Mehr Mitbestimmung
Die Arbeitswelt befindet sich im Wandel. Der digitale Wandel ist in vollem Gange und auch die Arbeitsfelder verändern sich. Die Wirtschaft befindet sich in einem Transformationsprozess, in dem die Bedeutung des Dienstleistungssektors beständig wächst und der Anteil des produzierenden Gewerbes schrumpft. Mit Blick auf die globale Herausforderung des Klimawandels müssen wir uns gleichzeitig die Frage stellen, unter welchen Bedingungen wir arbeiten und wie wir produzieren wollen. Angesichts dieser Herausforderungen stellen wir fest, dass eine Wirtschaftsweise, in der Entscheidungen in Unternehmen zuerst unter dem Kriterium (kurzfristigen) Profits getroffen werden, diese Fragen nicht wird beantworten können und teilweise sogar im Widerspruch steht. Die Lösung dieser Probleme ist nur bedingt in staatlichen Vorgaben und Eingriffen zu suchen. Damit die sozial–ökologische Transformation, gute Arbeitsbedingungen und Innovationen möglich sind, sind die Arbeitenden selbst gefragt. Es ist an der Zeit, die betriebliche Mitbestimmung weiterzuentwickeln. Die Arbeitenden sind dazu in der Lage, sich an der unternehmerischen Verantwortung zu beteiligen und auch über Maßnahmen der Berufsbildung mitzubestimmen.
Zu Beginn des vergangen Jahrhunderts war völlig klar, dass Kapitalist*innen nicht nur die Produktionsmittel stellten und Arbeitskraft einkauften, sondern auch die Verantwortung trugen, Sparsamkeit, Effizienz und Marktorientierung auszubalancieren. Die Produktivkraft hat sich jedoch in den vergangen Jahren in hohem Maße entwickelt. In vielen Arbeitsfeldern ist es heute selbstverständlich, dass Arbeiten nicht nur auf Anweisung ganz nach dem Top–Down-Prinzip verrichtet werden, sondern die Arbeitenden selbst nicht nur ihre Arbeit verrichten, sondern auch ihre eigene Arbeit „bearbeiten“, sie setzten sich also mit ihrer eigenen Arbeitstätigkeit auseinander. Menschen sind dazu in der Lage, ihre eigene Arbeit und Zusammenarbeit zu verbessern. Prozesse zu optimieren, im Team Lösungen und Innovationen zu entwickeln – die Unternehmenskultur hat sich verändert und die Arbeitenden selbst haben daran großen Anteil. Deshalb fordern wir, die Mitbestimmung und Mitwirkung der Arbeitnehmer*innen auszuweiten:
- Arbeitgeber*innen und Betriebsrat legen gemeinsam Unternehmensziele fest
- Ein Wirtschaftsausschuss ist in Unternehmen mit mindestens 10 ständig beschäftigten Arbeinehmer*innen zu bilden
- Der Wirtschaftsausschuss wird in alle unternehmerischen Entscheidungen einbezogen und erhält ein echtes Mitbestimmungsrecht
- Betriebs– und Teilbetriebsänderungen müssen im Einvernehmen mit dem Betriebsrat beschlossen werden
- Wann immer ein Aufsichtsrat vorhanden ist, muss dieser paritätisch mit Vertreter*innen von Arbeitnehmer*innen– und Arbeitgeber*innenseite besetzt sein, das doppelte Stimmrecht des*der Aufsichtsratvorsitzenden wird abgeschafft, in Pattsituationen wird eine Betriebsabstimmung durchgeführt oder eine Vermittlungstelle angerufen
- Betriebsrat und Arbeitgeber einigen sich gemeinsam auf Maßnahmen der Berufsbildung
Mehr Vielfalt
Viel zu oft werden auch Betriebsräte von denjenigen Gruppen dominiert, die in unserer Gesellschaft dominieren. Auch beim Empowerment neuer Betriebsrät*innen werden – wenn auch häufig unterbewusst – diejenigen gefördert, die den amtierenden Räten ähnlich sind. Dies erschwert es Minderheiten im Betrieb, eine Stimme zu erlangen. Wir sehen es als Aufgabe des Betriebsrates, dass er die Arbeitenden nicht nur vertritt, sondern sie auch in ihrer Vielfalt repräsentiert. Es ist längst bewiesen, dass Diversität erfolgreiche Zusammenarbeit wahrscheinlicher macht.
Deshalb fordern wir:
- Nachbesserung bei der Quotenregelung von Frauen: In jedem Betriebsrat sollen prozentual mindestens so viele Frauen vertreten sein, wie dies unter den Arbeitenden der Fall ist. Das bedeutet, dass die Anzahl der Frauen, die zu vertreten sind, immer auf die nächsthöhere ganze Zahl aufgerundet werden müssen
- Der Betriebsrat soll divers sein – das heißt auch, dass Personen aus unterrepräsentierten Gruppen, zum Beispiel Migrant*innen und BPoC, besonders zur Mitarbeit im Betriebsrat ermutigt werden sollen.
Mehr Rechtssicherheit
Allzu oft wird die Gründung von Betriebsräten von den Arbeitgeber*innen sabotiert, genauso wie Betriebsratswahlen oder auch die tägliche Arbeit der Betriebsräte. Dies ist zu Recht strafbar.
Dennoch werden Arbeitgeber*innen deswegen selten verurteilt. Der Grund: Die Straftat muss nach § 119 Abs.2 BetrVG erst angezeigt werden und das darf auch nicht jede*r. Es besteht also eine gesetzliche Hemmschwelle, die aufgrund von Einschüchterungen oder der mangelnden Verbindung zu einer Gewerkschaft schwer zu überschreiten ist.
Daher fordern wir:
- die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften zu Arbeits–und Betriebsratsrecht
- Die Streichung von § 119 Abs.2 BetrVG, damit die Staatsanwaltschaft bereits bei eigenständiger Kenntnis Ermittlungen einleiten muss.
Gründung vereinfachen und mehr Empowerment und Werbung
Das Betriebsverfassungsgesetz gibt vor, dass in Betrieben mit mindestens fünf wahlberechtigten Arbeitnehmer*innen, von denen mindestens drei wählbar sind, ein Betriebsrat gewählt wird (BetrVG §1). Es handelt sich hierbei somit um keine Kann– oder Soll–Bestimmung. Deshalb muss hier mehr darauf geachtet werden, dass in diesen Betrieben Betriebsräte gegründet werden. Wir als Jusos kämpfen für eine Demokratisierung aller Lebensbereiche. Da die Arbeit einen wesentlichen Teil der Lebenszeit der Menschen einnimmt, ist für uns klar, dass gerade hier mehr getan werden muss. Eine demokratische Gesellschaft, in der einer der größten Bereiche des Lebens nicht demokratisch organisiert ist, scheitert an ihren eigenen Ansprüchen. Deshalb ist für uns klar, dass die Mitbestimmung in den Betrieben ein wesentliches Element hin zu einer besseren, weil demokratischeren Gesellschaft ist. Die Betriebe tragen eine Verantwortung für die ökologische und soziale Zukunft. Ein Denken, in dem lediglich die Profitmaximierung an erster Stelle steht, und alles andere nachrangig behandelt wird, ist angesichts der gesellschaftlichen Umbrüche und der Bedrohung durch den Klimawandel nicht tragbar. Die gesamte Gesellschaft ist hierbei gefragt, diese Probleme zu lösen und wir sind überzeugt davon, dass mehr Mitbestimmung
in den Betrieben hierfür notwendig ist. Im aktuellen Referent*innenentwurf des Bundesarbeitsministeriums ist bereits vorgesehen, dass das vereinfachte Wahlverfahren ausgeweitet werden soll. Das ist gut, jedoch nicht annähernd ausreichend, um das Ziel der weiteren Verbreitung von Betriebsräten zu erreichen.
Deshalb fordern wir:
- Wahlrecht für alle, unabhängig vom Alter (bislang nur Personen über 18 Jahre wahlberechtigt)
- Verbandsklagerecht
- Kündigungsschutz ausweiten: gilt auch schon vor Einsetzung eines Wahlvorstandes;
- Arbeitsverhältnis gilt als bestehend und Zugang zum Betrieb bleibt bestehen bis Arbeitsgericht
- Kündigung bestätigt
- keine öffentliche Aufträge für Betriebe ohne Betriebsrat
Die geringe Verbreitung von Betriebsräten in den Unternehmen hängt aber nicht nur von der Verweigerung der Unternehmen ab: Gerade in jungen Firmen und kleinen Betrieben und Start–Ups ist das Bewusstsein der Notwendigkeit von Betriebsräten oft nicht vorhanden. Viele Beschäftigte sehen darin keine Vorteile für sich, sondern schwerfällige, bürokratische Institutionen, die aus der Zeit gefallen sind (ein Image, an dem teilweise auch die Außenwirkung mancher Betriebsräte schuld ist). Zugleich ist zu beobachten, dass Betriebsräte in Ostdeutschland sogar noch weniger verankert sind. Dies liegt an dem völligen wirtschaftlichen Bruch und der Deindustrialiserung, die mit der Wende und dem Wirken der Treuhand–Anstalt kamen. Während es in den alten Bundesländern immer noch viele alteingesessene Großbetriebe gibt, deren Belegschaft stark gewerkschaftlich gebunden ist und die seit Jahrzehnten Betriebsräte fest verankert haben, gilt dies für die oft jungen und kleinen Betriebe in Ostdeutschland nicht. Außerdem herrscht durch die Erfahrungen des technokratischen Realsozialismus der DDR in Ostdeutschland ein größeres Misstrauen gegen Organisationen, die vorgeben, das Interesse der Arbeitenden zu vertreten und für sie zu sprechen.
Daher fordern wir, dass:
es eine Informations– und Werbekampagne gibt, um die Beschäftigten vom Nutzen von Betriebsräten zu überzeugen und deren Neugründung zu fördern; der Fokus der Kampagne soll auf kleinen Betrieben und Start–Ups liegen; und besonders die Situation in den neuen Bundesländern in den Fokus nehmen.