G1 Gute Ausbildung im Gesundheitswesen – Heilberufegesetz

Status:
geändert angenommen

Heute sind viele Heilberufe (OTA, MTA, Pflegefachmann / Pflegefachfrau, Physiotherapie, Geburtspfleger:innen, Notfallsanitäter:innen,…) in jeweils eigenen Berufszulassungsgesetzen geregelt. Diese Gesetze sind teilweise seit Jahrzehnten nicht mehr novelliert worden. Dort, wo es Novellierungen gab, konnten keine Fortschritte für eine bessere Ausbildung erreicht werden (siehe Pflegeberufegesetz). Zusammen mit den Kolleg:innen von ver.di fordern wird die Novellierung dieser Berufszulassungsgesetze mit dem Ziel, dass das Berufsbildungsgesetz (BBiG) Anwendung für die Heilberufe findet. Alternativ wäre mindestens die Schaffung eines gemeinsamen Gesetzes für alle Heilberufe (BBHG), in dem einheitliche Standards für die Heilberufe nach dem Vorbild des BBiG festgelegt werden könnten, sinnvoll. Es ist hierbei jedoch sicherzustellen, dass zumindest die Schutzparagrafen des BBiG (z.B. eine angemessene Ausbildungsvergütung) für alle Ausbildungen in den Heilberufen gelten. Die ausdrückliche Nichtanwendung des BBiG muss ausgeschlossen werden, damit BBiG- Vorschriften zumindest in den Regelungsbereichen zur Geltung kommen, die im Berufszulassungsgesetz nicht oder nicht abweichend geregelt werden. Somit fordern wir ein gemeinsames Ausbildungsgesetz für die Heilberufe, mit einheitlich geregelten Rahmenbedingungen und im Detail im Rahmen der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung zu regelnden Berufsspezifika.

Ausbildung muss zur eigenverantwortlichen und selbständigen Berufsausübung befähigen. Es sind für alle Gesundheitsberufe gemeinsame und berufsspezifische Kompetenzen festzulegen. Ausbildungsberufsbilder sollen sowohl zu einer Profilschärfung der jeweiligen berufsspezifischen Kompetenzen beitragen als auch die interprofessionelle Zusammenarbeit fördern. Die während der Ausbildung zu entwickelnden Kompetenzen sind dabei am Ausbildungsberufsbild auszurichten (Ausbildungsziele). Daher sollen die Ausbildungsziele entsprechend dem allgemein anerkannten Stand wissenschaftlicher, medizinischer und weitere bezugswissenschaftlicher Erkenntnisse fachliche, personale, soziale und methodische Kompetenzen beinhalten. Maßgebend für die Formulierung der Ausbildungsziele sollen nicht nur die derzeitigen, sondern auch absehbare, künftige berufliche Anforderungsprofile sein, die sich, soweit möglich, an den qualifikatorischen Erfordernissen des 21. Jahrhunderts orientieren. Kompetenzbeschreibungen, die sich allein an derzeitiger Praxis orientieren, werden dem Anliegen nicht gerecht. Im Rahmen dieses Gesetzes sollten Ausbildungsziele für jeden Beruf kompetenzorientiert beschrieben sein. Die vorbehaltenen Tätigkeiten der einzelnen Heilberufe müssen konkret definiert werden. Für eine gute Ausbildung im Gesundheitswesen sind bundeseinheitliche Standards notwendig, welche einen Rahmen definieren. Die Jusos setzten sich zusammen mit Vertreter:innen von ver.di auf politischer Ebene dafür ein, dass folgende Standards geschaffen werden. Die Reihenfolge der nachfolgenden Punkte stellt keine inhaltliche Priorisierung dar.

  1. Während der praktischen Ausbildung entwickeln die Auszubildenden die für ihren zukünftigen Beruf notwendigen Kompetenzen. Ein Ziel ist daher, die Qualität der praktischen Ausbildung in besonderem Maße zu fördern. Es braucht klare ausbildungsvertragliche Strukturen. Ausbildungsverträge sind ausschließlich mit dem Betrieb zu schließen. Dieser muss Träger der gesamten Ausbildung sein. Verträge über Praktikant:innenverhältnisse lehnen wir in diesem Kontext, sowohl bei der beruflichen als auch bei der hochschulischen Ausbildung, ab. Durch eine eindeutige Vertragslage wird die Mitbestimmung abgesichert bzw. kann erst ihre Wirkungsmacht entfalten. Um auch hier bundeseinheitliche Standards zu erreichen, sind das Bundespersonalvertretungsgesetz, die Landespersonalvertretungsgesetze und die kirchlichen Regelungen zur Mitarbeitervertretung dem Inhalt des § 98 Betriebsverfassungsgesetz anzupassen.
  2. Auszubildende haben das Recht auf eine angemessene Praxisbegleitung und Praxisanleitung. Diese sind gesetzlich zu verankern. Mindestens 20% der tatsächlichen praktischen Ausbildungszeit müssen in Form von strukturierter und geplanter Praxisanleitung erfolgen. Die Verantwortung zur Dokumentation dieser obliegt dem Arbeitgeber. Darüber hinaus ist zusätzliche Praxisanleitung sicherzustellen, die sich am individuellen Bedarf der Auszubildenden orientiert. Die Praxisanleitung erfolgt durch Ausbilder:innen (in ihrer Rolle wie bisher Praxisanleiter:innen). Diese verfügen über eine berufspädagogische Zusatzqualifikation im Umfang von mind. 720 Stunden. Für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben sowie für Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen sind die Ausbilder:innen von ihren übrigen Tätigkeiten unter Fortzahlung ihrer Bezüge freizustellen. Die Finanzierung der Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen ist Aufgabe des Arbeitgebers und muss von diesem getragen werden. Es sollen sowohl bereichsbezogene als auch vollfreigestellte Ausbilder:innen in der Ausbildung eingesetzt werden.
  3. Das quantitative Verhältnis von praktischer und theoretischer Ausbildung ist berufsspezifisch festzulegen. Hierbei muss die praktische Ausbildung überwiegen.
  4. Die theoretische Ausbildung ist mit den praktischen Ausbildungsinhalten im Betrieb inhaltlich aufeinander aufbauend abzustimmen. Der Betrieb ist in seiner Ausbildungsverantwortung zu stärken. Die Koordination der Ausbildung liegt beim Betrieb. Dafür ist durch den Betrieb ein Ausbildungsplan zu erstellen.
  5. Die für die berufsbildenden Schulen geltenden Standards sollen auch für die Schulen für Gesundheitsberufe gelten. Die Qualifikation von Lehrenden an Schulen für Gesundheitsberufe soll einheitlich geregelt werden. Sie orientiert sich an den Qualifikationsanforderungen von Lehrenden an berufsbildenden Schulen und soll sowohl eine 3-jährige Ausbildung im zu unterrichtenden Beruf, ebenso wie ein pädagogisches Hochschulstudium mit einem wissenschaftlichen Hochschulabschluss umfassen. Darüber hinaus ist eine Fortbildungsverpflichtung für die Lehrenden gesetzlich zu regeln, welche sowohl in Bezug auf das theoretische Wissen als auch die praktische Tätigkeit im entsprechenden Gesundheitsberuf vollumfänglich durch den Arbeitgeber zu finanzieren ist. Den Lehrenden muss die Teilnahme unter Fortzahlung der Bezüge ermöglicht werden.
  6. Bei der Anzahl von Lehrkräften ist EU Recht (europäisches Übereinkommen des Europarates von 1967) in nationales Recht zu übersetzen und damit die empfohlene Quote von 1 Lehrkraft zu 15 Auszubildenden zu erfüllen. Eine Kursgröße von höchstens 15 Auszubildenden darf nicht überschritten werden.
  7. Ein verbindlicher bundeseinheitlicher Ausbildungsrahmenplan für die praktische Ausbildung und ein Rahmenlehrplan für die theoretische Ausbildung sind zu schaffen. Fachspezifika der Ausbildungsstandorte, wie z.B. psychiatrische Einrichtungen, müssen in dem Ausbildungsrahmenplan gewährleistet sein. Diese sind durch ein Gremium auf Bundesebene aufzustellen und regelmäßig zu evaluieren. Dieses Gremium besteht zu 50% aus im Beruf tätigen Expert:innen. Diese sind für ihre Mitarbeit im Gremium unter Fortzahlung der Vergütung durch den Arbeitgeber freizustellen. Für die Umsetzung des Ausbildungsrahmenplans ist die Mitbestimmung der gesetzlichen Interessenvertretung zu fördern.
  8. Es ist ein Kontrollorgan für die Qualität der theoretischen Ausbildung zu schaffen, welches auf Bundesebene angesiedelt ist, beispielsweise durch einen Länder-Staatsvertrag. Alternativ wäre die Ansiedelung eines bundeseinheitlichen Kontrollorgans auf Landesebene. Das Kontrollorgan kontrolliert jährlich rück- und vorausblickend und ist in der Lage Sanktionen zu verhängen. (Kriterien sind u.a. Zustand und Umfang der Räumlichkeiten, Qualifikation der Lehrkräfte, technische Ausstattung, Lernmaterialien).
  9. Die Fehlzeitenregelung in den Gesundheitsberufen muss abgeschafft werden. Etwa 320 auf Grundlage des Berufsbildungsgesetzes geregelte Ausbildungsberufe kommen ohne eine solche starre, gesetzliche Fehlzeitenregelung aus. Entscheidend ist nicht die Anwesenheit gemessen in Stunden, sondern das Bestehen der abschließenden Prüfung, da hierdurch die Berufsfähigkeit nachgewiesen wird.
  10. Analog dem BBiG soll es eine Probezeit von höchstens vier Monaten geben. Darüber hinaus ist das Ausbildungsende auf das erfolgreiche Bestehen der Abschlussprüfung festzulegen, nicht auf die Ausbildungsdauer. Durch bisherige Regelungen kommt es zu einer Ausbeutung von Auszubildenden, da diese nach bereits bestandener Abschlussprüfung bis zum Ende der formalen Ausbildungsdauer zu Ausbildungskonditionen, als examinierte Vollkräfte in der Praxis eingesetzt werden. ver.di widersetzt sich dem mit Nachdruck.
  11. An dem gewerkschaftlichen Grundsatz, „keine Berufsausbildung unterhalb des Niveaus einer 3-jährigen Ausbildung“ wird festgehalten. Wir verfolgen das Ziel, Menschen dabei zu unterstützen ein dreijähriges Ausbildungsniveau zu erreichen. Die Durchlässigkeit innerhalb der Berufe muss über entsprechende Qualifikationsmöglichkeiten sichergestellt werden. Eine Verkürzung der Ausbildung ist nur bei Anrechnung von Teilqualifikationen in Form von erlangten Kompetenzen möglich. Im Sinne des EU-Rechts, ist eine Teilzeitausbildung in allen Heilberufen anzubieten.
  12. Noten werden häufig als Maßregelungsinstrumente missbraucht. Sie können beschränkend auf gewerkschaftliche Aktivitäten der Auszubildenden wirken. Noten entspringen entgegen den Annahmen keinen objektiven Bewertungen und selektieren die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten von Menschen. Sie schaffen einen dauerhaften Druck während der gesamten Ausbildung. Daher ist jegliche Benotung abzulehnen. Vielmehr setzen wir uns für die Anwendung und Weiterentwicklung von Ausbildungsstandkontrollen und qualitativen Feedbacks ein.
  13. Eine hochschulische Ausbildung als erstqualifizierende Regelausbildung wird abgelehnt. Die Erlangung desselben Berufsabschlusses, egal ob über ein Studium oder eine berufliche Ausbildung, ergibt bei am Ende gleicher Tätigkeit keinen Sinn. Wenn der Gesetzgeber sich für eine hochschulische Erstausbildung entscheidet, fordern wir duale Studiengänge, die nach Berufsbildungsstandards geregelt werden.
  14. Der Anspruch auf eine angemessene Ausbildungsvergütung ist für alle Gesundheitsberufe gesetzlich zu regeln.
  15. Die Kostenfreiheit für Ausbildung und Studium ist in allen Gesundheitsberufen herzustellen. Insbesondere sind alle Schulgelder abzuschaffen. Die Ausbildungsvergütung ist zu 100% über Ausgleichsfonds zu refinanzieren. Hierbei soll der Wertschöpfungsanteil aus allen Finanzierungsgesetzen ersatzlos gestrichen werden. Der Träger der Ausbildung stellt den Auszubildenden sämtliche Ausbildungsmittel für die theoretische und praktische Ausbildung (z.B. Fachbücher, Materialien, Kopien, digitale Endgeräte zur Bearbeitung von digitalen Lehrmaterialien, Kleidung und Schuhe) zur Verfügung. Diese gehen in den Besitz der Auszubildenden über. Der Träger der Ausbildung soll verpflichtet werden über die Ausgaben der zur Verfügung gestellten Finanzmittel für Ausbildung, maximale Transparenz herzustellen.
  16. Entwicklungstendenzen und Anpassungsbedarf der Berufsbildung in Gesundheitsberufen unterliegen keiner systematischen Beobachtung durch eine staatliche oder unabhängige wissenschaftliche Instanz. Weder die Qualität noch die Quantität der Ausbildungen können so ausreichend statistisch erfasst und durch begleitende Maßnahmen politisch beeinflusst werden. Wir fordern daher eine Bildungsberichterstattung „Gesundheitsberufe“, ähnlich der im Land Nordrhein-Westfalen, die auch Daten zur Berufsbildung erhebt. Auf Bundesebene ist Vergleichbares nicht erkennbar. Die besondere Bedeutung der Heilberufe für die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung lässt es geboten erscheinen, der Berufsbildung und ihren Entwicklungen größeres Augenmerk zu schenken. Um den Zusammenhang zwischen Berufsbildung und Arbeitsmarkterfordernissen besser berücksichtigen zu können, sollte ein regelmäßiges Branchenmonitoring durchgeführt werden. Eine angemessen ausgestattete Abteilung am Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB) ist zu etablieren. Die wahrzunehmenden Aufgaben sind neben der Berufsbildungsforschung, -planung und -berichterstattung auch die Beobachtung der Entwicklungen im Gesundheitswesen.
Änderungsanträge
Status Kürzel Zeile AntragstellerInnen Text PDF
angenommen ÄG1-1 34 Jusos Oberbayern Ergänze in Zeile 34 nach „der gesamten Ausbildung sein“: Die Voraussetzung, um Ausbildungsverträge schließen zu können ist die feste Kooperation mit einer Berufsfachschule.
angenommen ÄG1-2 40 Jusos Oberbayern Ergänze in Zeile 40: Für das grundständige Studium eines Heilberufes ist bei Aufnahme des Studiums ein Vertrag zu schließen, in dem alle praktischen Einsätze sowie die Vergütung während der Einsätze geregelt ist. Wer sich mit einem Studiengang zur Ausübung eines Heilberufes qualifiziert soll sich das auch leisten können. Deswegen fordern wir für die Monate des Studiums an Hochschule oder Universität den unkomplizierten Zugang zum BaFög und für die Zeit der praktischen Einsätze eine tarifliche Vergütung angelehnt an den TVöD. Wir wollen uns in den nächsten Monaten damit befassen, wie für die Studierenden in den Einsätzen betriebliche Mitbestimmung gesichert werden kann.
angenommen ÄG1-3 48 Jusos Oberbayern Ergänze in Zeile 48 nach „ihrer Bezüge frei zu stellen“: Die Ausbilder*innen dürfen für dem Vorgesehenen Umfang der Anleitungsstunden nicht auf den Betreuungsschlüssel angerechnet werden.
angenommen ÄG1-4 52 Jusos Oberbayern Zeile 52: Streiche: Hierbei muss die praktische Ausbildung überwiegen
angenommen ÄG1-5 55 Jusos Oberbayern Ergänze in Zeile 55 nach „Ausbildungsplan zu erstellen“: Dieser Ausbildungsplan muss in enger Abstimmung und im Konsens mit den Berufsfachschulen und für dual Studierende in Abstimmung mit der Hochschule anhand des Lehrplanes erstellt werden.
angenommen ÄG1-6 71 Jusos Oberbayern Ersetze Zeile 71 (Diese sind… ) bis Zeile 72 (freizustellen): Diese sind für ihre Mitarbeit im Gremium durch den Arbeitgeber freizustellen und für Ihre Tätigkeit angemessen zu vergüten.
angenommen ÄG1-7 72 Jusos Oberbayern Streiche Zeile 72 (Für die Umsetzung…) bis Zeile 74 (zu fördern)
angenommen ÄG1-8 99 Jusos Oberbayern Streiche Zeile 99 (Eine hochschulische Ausbildung…) bis Zeile 103 (geregelt werden) Ersetze durch: Eine Akademisierung des Pflegeberufs, bei der bis zu 20% der Pflegefachpersonen über ein Studium an Hochschule oder Universität qualifiziert werden, befürworten wir. Diese Qualifikation bietet die Grundlage für die Gewinnung Wissenschaftlicher Erkenntnisse, die Durchführung von Studien und der Anschluss an die internationale Pflegeforschung.
angenommen ÄG1-9 124 Jusos Oberbayern Ergänze nach Zeile 124: Zur Evaluation des neuen Heilberufegesetzes ( die Integration in das BBiG müssen Evaluationsschritte definiert werden, die insbesondere die Perspektive der Auszubildenden, Studierenden sowie der Ausbilder*innen berücksichtigen.
Text des Beschlusses:

Heute sind viele Heilberufe (OTA, MTA, Pflegefachmann / Pflegefachfrau, Physiotherapie, Geburtspfleger:innen, Notfallsanitäter:innen,…) in jeweils eigenen Berufszulassungsgesetzen geregelt. Diese Gesetze sind teilweise seit Jahrzehnten nicht mehr novelliert worden. Dort, wo es Novellierungen gab, konnten keine Fortschritte für eine bessere Ausbildung erreicht werden (siehe Pflegeberufegesetz). Zusammen mit den Kolleg:innen von ver.di fordern wird die Novellierung dieser Berufszulassungsgesetze mit dem Ziel, dass das Berufsbildungsgesetz (BBiG) Anwendung für die Heilberufe findet. Alternativ wäre mindestens die Schaffung eines gemeinsamen Gesetzes für alle Heilberufe (BBHG), in dem einheitliche Standards für die Heilberufe nach dem Vorbild des BBiG festgelegt werden könnten, sinnvoll. Es ist hierbei jedoch sicherzustellen, dass zumindest die Schutzparagrafen des BBiG (z.B. eine angemessene Ausbildungsvergütung) für alle Ausbildungen in den Heilberufen gelten. Die ausdrückliche Nichtanwendung des BBiG muss ausgeschlossen werden, damit BBiG- Vorschriften zumindest in den Regelungsbereichen zur Geltung kommen, die im Berufszulassungsgesetz nicht oder nicht abweichend geregelt werden. Somit fordern wir ein gemeinsames Ausbildungsgesetz für die Heilberufe, mit einheitlich geregelten Rahmenbedingungen und im Detail im Rahmen der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung zu regelnden Berufsspezifika.

Ausbildung muss zur eigenverantwortlichen und selbständigen Berufsausübung befähigen. Es sind für alle Gesundheitsberufe gemeinsame und berufsspezifische Kompetenzen festzulegen. Ausbildungsberufsbilder sollen sowohl zu einer Profilschärfung der jeweiligen berufsspezifischen Kompetenzen beitragen als auch die interprofessionelle Zusammenarbeit fördern. Die während der Ausbildung zu entwickelnden Kompetenzen sind dabei am Ausbildungsberufsbild auszurichten (Ausbildungsziele). Daher sollen die Ausbildungsziele entsprechend dem allgemein anerkannten Stand wissenschaftlicher, medizinischer und weitere bezugswissenschaftlicher Erkenntnisse fachliche, personale, soziale und methodische Kompetenzen beinhalten. Maßgebend für die Formulierung der Ausbildungsziele sollen nicht nur die derzeitigen, sondern auch absehbare, künftige berufliche Anforderungsprofile sein, die sich, soweit möglich, an den qualifikatorischen Erfordernissen des 21. Jahrhunderts orientieren. Kompetenzbeschreibungen, die sich allein an derzeitiger Praxis orientieren, werden dem Anliegen nicht gerecht. Im Rahmen dieses Gesetzes sollten Ausbildungsziele für jeden Beruf kompetenzorientiert beschrieben sein. Die vorbehaltenen Tätigkeiten der einzelnen Heilberufe müssen konkret definiert werden. Für eine gute Ausbildung im Gesundheitswesen sind bundeseinheitliche Standards notwendig, welche einen Rahmen definieren. Die Jusos setzten sich zusammen mit Vertreter:innen von ver.di auf politischer Ebene dafür ein, dass folgende Standards geschaffen werden. Die Reihenfolge der nachfolgenden Punkte stellt keine inhaltliche Priorisierung dar.

  1. Während der praktischen Ausbildung entwickeln die Auszubildenden die für ihren zukünftigen Beruf notwendigen Kompetenzen. Ein Ziel ist daher, die Qualität der praktischen Ausbildung in besonderem Maße zu fördern. Es braucht klare ausbildungsvertragliche Strukturen. Ausbildungsverträge sind ausschließlich mit dem Betrieb zu schließen. Dieser muss Träger der gesamten Ausbildung sein. Die Voraussetzung, um Ausbildungsverträge schließen zu können ist die feste Kooperation mit einer Berufsfachschule. Verträge über Praktikant:innenverhältnisse lehnen wir in diesem Kontext, sowohl bei der beruflichen als auch bei der hochschulischen Ausbildung, ab. Durch eine eindeutige Vertragslage wird die Mitbestimmung abgesichert bzw. kann erst ihre Wirkungsmacht entfalten. Um auch hier bundeseinheitliche Standards zu erreichen, sind das Bundespersonalvertretungsgesetz, die Landespersonalvertretungsgesetze und die kirchlichen Regelungen zur Mitarbeitervertretung dem Inhalt des § 98 Betriebsverfassungsgesetz anzupassen. Für das grundständige Studium eines Heilberufes ist bei Aufnahme des Studiums ein Vertrag zu schließen, in dem alle praktischen Einsätze sowie die Vergütung während der Einsätze geregelt ist.

    Wer sich mit einem Studiengang zur Ausübung eines Heilberufes qualifiziert soll sich das auch leisten können. Deswegen fordern wir für die Monate des Studiums an Hochschule oder Universität den unkomplizierten Zugang zum BaFög und für die Zeit der praktischen Einsätze eine tarifliche Vergütung angelehnt an den TVöD.

    Wir wollen uns in den nächsten Monaten damit befassen, wie für die Studierenden in den Einsätzen betriebliche Mitbestimmung gesichert werden kann.

  2. Auszubildende haben das Recht auf eine angemessene Praxisbegleitung und Praxisanleitung. Diese sind gesetzlich zu verankern. Mindestens 20% der tatsächlichen praktischen Ausbildungszeit müssen in Form von strukturierter und geplanter Praxisanleitung erfolgen. Die Verantwortung zur Dokumentation dieser obliegt dem Arbeitgeber. Darüber hinaus ist zusätzliche Praxisanleitung sicherzustellen, die sich am individuellen Bedarf der Auszubildenden orientiert. Die Praxisanleitung erfolgt durch Ausbilder:innen (in ihrer Rolle wie bisher Praxisanleiter:innen). Diese verfügen über eine berufspädagogische Zusatzqualifikation im Umfang von mind. 720 Stunden. Für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben sowie für Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen sind die Ausbilder:innen von ihren übrigen Tätigkeiten unter Fortzahlung ihrer Bezüge freizustellen. Die Ausbilder*innen dürfen für dem Vorgesehenen Umfang der Anleitungsstunden nicht auf den Betreuungsschlüssel angerechnet werden. Die Finanzierung der Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen ist Aufgabe des Arbeitgebers und muss von diesem getragen werden. Es sollen sowohl bereichsbezogene als auch vollfreigestellte Ausbilder:innen in der Ausbildung eingesetzt werden.
  3. Das quantitative Verhältnis von praktischer und theoretischer Ausbildung ist berufsspezifisch festzulegen.
  4. Die theoretische Ausbildung ist mit den praktischen Ausbildungsinhalten im Betrieb inhaltlich aufeinander aufbauend abzustimmen. Der Betrieb ist in seiner Ausbildungsverantwortung zu stärken. Die Koordination der Ausbildung liegt beim Betrieb. Dafür ist durch den Betrieb ein Ausbildungsplan zu erstellen. Dieser Ausbildungsplan muss in enger Abstimmung und im Konsens mit den Berufsfachschulen und für dual Studierende in Abstimmung mit der Hochschule anhand des Lehrplanes erstellt werden.
  5. Die für die berufsbildenden Schulen geltenden Standards sollen auch für die Schulen für Gesundheitsberufe gelten. Die Qualifikation von Lehrenden an Schulen für Gesundheitsberufe soll einheitlich geregelt werden. Sie orientiert sich an den Qualifikationsanforderungen von Lehrenden an berufsbildenden Schulen und soll sowohl eine 3-jährige Ausbildung im zu unterrichtenden Beruf, ebenso wie ein pädagogisches Hochschulstudium mit einem wissenschaftlichen Hochschulabschluss umfassen. Darüber hinaus ist eine Fortbildungsverpflichtung für die Lehrenden gesetzlich zu regeln, welche sowohl in Bezug auf das theoretische Wissen als auch die praktische Tätigkeit im entsprechenden Gesundheitsberuf vollumfänglich durch den Arbeitgeber zu finanzieren ist. Den Lehrenden muss die Teilnahme unter Fortzahlung der Bezüge ermöglicht werden.
  6. Bei der Anzahl von Lehrkräften ist EU Recht (europäisches Übereinkommen des Europarates von 1967) in nationales Recht zu übersetzen und damit die empfohlene Quote von 1 Lehrkraft zu 15 Auszubildenden zu erfüllen. Eine Kursgröße von höchstens 15 Auszubildenden darf nicht überschritten werden.
  7. Ein verbindlicher bundeseinheitlicher Ausbildungsrahmenplan für die praktische Ausbildung und ein Rahmenlehrplan für die theoretische Ausbildung sind zu schaffen. Fachspezifika der Ausbildungsstandorte, wie z.B. psychiatrische Einrichtungen, müssen in dem Ausbildungsrahmenplan gewährleistet sein. Diese sind durch ein Gremium auf Bundesebene aufzustellen und regelmäßig zu evaluieren. Dieses Gremium besteht zu 50% aus im Beruf tätigen Expert:innen. Diese sind für ihre Mitarbeit im Gremium durch den Arbeitgeber freizustellen und für Ihre Tätigkeit angemessen zu vergüten.
  8. Es ist ein Kontrollorgan für die Qualität der theoretischen Ausbildung zu schaffen, welches auf Bundesebene angesiedelt ist, beispielsweise durch einen Länder-Staatsvertrag. Alternativ wäre die Ansiedelung eines bundeseinheitlichen Kontrollorgans auf Landesebene. Das Kontrollorgan kontrolliert jährlich rück- und vorausblickend und ist in der Lage Sanktionen zu verhängen. (Kriterien sind u.a. Zustand und Umfang der Räumlichkeiten, Qualifikation der Lehrkräfte, technische Ausstattung, Lernmaterialien).
  9. Die Fehlzeitenregelung in den Gesundheitsberufen muss abgeschafft werden. Etwa 320 auf Grundlage des Berufsbildungsgesetzes geregelte Ausbildungsberufe kommen ohne eine solche starre, gesetzliche Fehlzeitenregelung aus. Entscheidend ist nicht die Anwesenheit gemessen in Stunden, sondern das Bestehen der abschließenden Prüfung, da hierdurch die Berufsfähigkeit nachgewiesen wird.
  10. Analog dem BBiG soll es eine Probezeit von höchstens vier Monaten geben. Darüber hinaus ist das Ausbildungsende auf das erfolgreiche Bestehen der Abschlussprüfung festzulegen, nicht auf die Ausbildungsdauer. Durch bisherige Regelungen kommt es zu einer Ausbeutung von Auszubildenden, da diese nach bereits bestandener Abschlussprüfung bis zum Ende der formalen Ausbildungsdauer zu Ausbildungskonditionen, als examinierte Vollkräfte in der Praxis eingesetzt werden. ver.di widersetzt sich dem mit Nachdruck.
  11. An dem gewerkschaftlichen Grundsatz, „keine Berufsausbildung unterhalb des Niveaus einer 3-jährigen Ausbildung“ wird festgehalten. Wir verfolgen das Ziel, Menschen dabei zu unterstützen ein dreijähriges Ausbildungsniveau zu erreichen. Die Durchlässigkeit innerhalb der Berufe muss über entsprechende Qualifikationsmöglichkeiten sichergestellt werden. Eine Verkürzung der Ausbildung ist nur bei Anrechnung von Teilqualifikationen in Form von erlangten Kompetenzen möglich. Im Sinne des EU-Rechts, ist eine Teilzeitausbildung in allen Heilberufen anzubieten.
  12. Noten werden häufig als Maßregelungsinstrumente missbraucht. Sie können beschränkend auf gewerkschaftliche Aktivitäten der Auszubildenden wirken. Noten entspringen entgegen den Annahmen keinen objektiven Bewertungen und selektieren die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten von Menschen. Sie schaffen einen dauerhaften Druck während der gesamten Ausbildung. Daher ist jegliche Benotung abzulehnen. Vielmehr setzen wir uns für die Anwendung und Weiterentwicklung von Ausbildungsstandkontrollen und qualitativen Feedbacks ein.
  13. Eine Akademisierung des Pflegeberufs, bei der bis zu 20% der Pflegefachpersonen über ein Studium an Hochschule oder Universität qualifiziert werden, befürworten wir.

    Diese Qualifikation bietet die Grundlage für die Gewinnung Wissenschaftlicher Erkenntnisse, die Durchführung von Studien und der Anschluss an die internationale Pflegeforschung.

  14. Der Anspruch auf eine angemessene Ausbildungsvergütung ist für alle Gesundheitsberufe gesetzlich zu regeln.
  15. Die Kostenfreiheit für Ausbildung und Studium ist in allen Gesundheitsberufen herzustellen. Insbesondere sind alle Schulgelder abzuschaffen. Die Ausbildungsvergütung ist zu 100% über Ausgleichsfonds zu refinanzieren. Hierbei soll der Wertschöpfungsanteil aus allen Finanzierungsgesetzen ersatzlos gestrichen werden. Der Träger der Ausbildung stellt den Auszubildenden sämtliche Ausbildungsmittel für die theoretische und praktische Ausbildung (z.B. Fachbücher, Materialien, Kopien, digitale Endgeräte zur Bearbeitung von digitalen Lehrmaterialien, Kleidung und Schuhe) zur Verfügung. Diese gehen in den Besitz der Auszubildenden über. Der Träger der Ausbildung soll verpflichtet werden über die Ausgaben der zur Verfügung gestellten Finanzmittel für Ausbildung, maximale Transparenz herzustellen.
  16. Entwicklungstendenzen und Anpassungsbedarf der Berufsbildung in Gesundheitsberufen unterliegen keiner systematischen Beobachtung durch eine staatliche oder unabhängige wissenschaftliche Instanz. Weder die Qualität noch die Quantität der Ausbildungen können so ausreichend statistisch erfasst und durch begleitende Maßnahmen politisch beeinflusst werden. Wir fordern daher eine Bildungsberichterstattung „Gesundheitsberufe“, ähnlich der im Land Nordrhein-Westfalen, die auch Daten zur Berufsbildung erhebt. Auf Bundesebene ist Vergleichbares nicht erkennbar. Die besondere Bedeutung der Heilberufe für die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung lässt es geboten erscheinen, der Berufsbildung und ihren Entwicklungen größeres Augenmerk zu schenken. Um den Zusammenhang zwischen Berufsbildung und Arbeitsmarkterfordernissen besser berücksichtigen zu können, sollte ein regelmäßiges Branchenmonitoring durchgeführt werden. Eine angemessen ausgestattete Abteilung am Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB) ist zu etablieren. Die wahrzunehmenden Aufgaben sind neben der Berufsbildungsforschung, -planung und -berichterstattung auch die Beobachtung der Entwicklungen im Gesundheitswesen.
  17. Zur Evaluation des neuen Heilberufegesetzes ( die Integration in das BBiG müssen Evaluationsschritte definiert werden, die insbesondere die Perspektive der Auszubildenden, Studierenden sowie der Ausbilder*innen berücksichtigen.
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